Januar 2010

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ENERGIE-CHRONIK


 

 

Das Luftspeicher-Kraftwerk Huntorf ist ein Unikum unter den Spitzenlastkraftwerken. Weltweit gibt es nur zwei Kraftwerke dieses Typs. Wegen der relativ hohen Erzeugungskosten sollte es Ende der neunziger Jahre eigentlich stillgelegt werden. Aber dann stieg der Bedarf an Regelenergie durch die Windstromeinspeisung und den liberalisierten Markt steil an. Vor allem die Windstromeinspeisung verschärft die Regelprobleme von Jahr zu Jahr. Man will deshalb solche Luftspeicher-Kraftwerke jetzt mit "adiabatischen Speichern" ausrüsten, damit sie ähnlich effizient und kostengünstig wie Pumpspeicherkraftwerke werden, bei denen ein Zubau kaum noch möglich ist.

Pressefoto E.ON

Windstrom-Speicherung wird neuer Forschungsschwerpunkt

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) hat die Förderung von Forschung und Entwicklung im Energiebereich um den neuen Schwerpunkt "Stromspeicher" erweitert. Wie es am 20. Januar mitteilte, soll damit die schnell wachsende Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien - insbesondere aus Windenergie - sinnvoll in das Stromversorgungssystem integriert werden. Fortschritte auf dem Gebiet der Stromspeicherung seien "dringlich". Eines der ersten Projekte, das durch die neue Initiative des BMWi gefördert werden soll, ist ein "adiabatischer Druckluftspeicher", den ein Konsortium aus RWE, General Electric, Züblin und DLR ab 2013 errichten will (siehe Hintergrund).

Tatsächlich wird bisher ein erheblicher Teil der Windstromerzeugung verramscht, verschenkt oder gar wie Sondermüll gegen Zuzahlung "entsorgt", weil im Rahmen der liberalisierten Stromwirtschaft für die Energiekonzerne keine Notwendigkeit besteht, für entsprechende Kapazitäten zur Energiespeicherung zu sorgen. Durch die Neuregelung des EEG-Abrechnungsverfahrens mit Jahresbeginn 2010 wird dieser Anreiz noch geringer, weil die Übertragungsnetzbetreiber, die in den vier deutschen Regelzonen für den Ausgleich von Angebot und Nachfrage zuständig sein, nun alle Verluste aus der Windstrom-Verramschung über die EEG-Umlage auf die Verbraucher abwälzen können. Das führt zu der absurden Situation, daß die Verbraucher gleich doppelt bezahlen müssen: Das eine Mal für die erhöhten Sätze der Einspeisungsvergütungen, das andere Mal für die Verluste aus der Verschleuderung des so subventionierten Windstroms (100101).

Dieselbe Problematik besteht prinzipiell auch bei der Stromerzeugung mittels Solarzellen, da hier ebenfalls das Aufkommen nach Sonnenschein und Tageszeit schwankt. Sie wirkt sich bei der Photovoltaik aber nicht so stark aus, weil der Solarstrom-Anteil an der Stromerzeugung mit rund einem Prozent noch immer sehr gering ist, während es bei Windstrom über sechs Prozent sind. Da Photovoltaik-Anlagen in der Regel ins Niederspannungsnetz einspeisen, treten hier Netzprobleme allerdings anders und früher auf als bei Windkraftanlagen, die an höhere Spannungsebenen angebunden werden. Bei der anstehenden Novellierung des EEG will das Bundesumweltministerium deshalb den Eigenverbrauch von Solarstrom besonders begünstigen (100105).

Links (intern)

 

Hintergrund

 

 

Am 19. Januar 2010 vereinbarte ein Konsortium unter Führung von RWE die Realisierung von ADELE, des "Adiabaten Druckluftspeichers für die Elektrizitätsversorgung". Das Foto zeigt v.l.n.r. Georg Knoth (GE), Johann-Dietrich Wörner (DLR), Jörn Beckmann (Züblin), Johannes Lambertz (RWE Power), Jürgen Großmann (RWE AG) und Ferdinando Beccalli-Falco (GE) bei der Vertragsunterzeichnung.

Pressefoto RWE

ADELE soll's regeln: Das adiabatische Druckluftspeicher-Kraftwerk

Der "adiabatische Druckluftspeicher", dessen Entwicklung jetzt durch die Bundesregierung gefördert wird, soll die Verwendung von Druckluft als Medium zur Energiespeicherung wirtschaftlicher machen. Das Adjektiv "adiabatisch" (neuerdings wird es auch zu "adiabat" verkürzt) ist ein Begriff der Thermodynamik, der aus dem Griechischen stammt (a = nicht; diabasis = Wechsel, Durchgang). Gemeint ist damit, daß bei Zustandsänderungen von Gasen – wenn sich also der Druck, das Volumen oder die Temperatur ändert – kein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfindet.

Normalerweise verhält es sich anders: Zum Beispiel erhitzt sich das Gasgemisch Luft, wenn es mit der Fahrradpumpe verdichtet wird, was man an der Erwärmung des Kolbens spüren kann. Und wenn Druckluft expandiert, ist die Entspannung das Gasgemischs mit Abkühlung verbunden. Annähernd adiabatisch verlaufen nur schnelle Zustandsänderungen, wie die Luftdruckschwankungen des Schalls oder die Explosion in einem Verbrennungsmotor.

Mit der Wärme geht ein großer Teil der nutzbaren Energie verloren

Die diabatischen Verluste sind ein großer Nachteil, wenn man Luft zur Energiespeicherung nutzen will. Es geht auf diese Weise viel Energie als Wärme verloren: Das eine Mal, wenn die Luft durch Kompressoren verdichtet wird, weil sie vor der Speicherung wieder abgekühlt werden muß. Das andere Mal, wenn die gespeicherte Druckluft genutzt wird, weil sie bei der Entspannung so abkühlt, daß sogar die Druckluft-Turbine vereisen kann. Dies vermeidet man, wenn die gespeicherte Druckluft bei einem Gasturbinenkraftwerk lediglich den Verbrennungsprozeß unterstützt. Der Gasverbrauch ist dann aber höher, als wenn der Verdichter direkt mit der Turbine gekoppelt ist und heiße Luft abgibt.

Druckluftspeicher-Kraftwerke haben sich deshalb in der Stromwirtschaft bisher nicht durchsetzen können, obwohl sie im Prinzip ähnliche Möglichkeiten zum Ausgleich der Schwankungen von Angebot und Nachfrage bieten wie die Pumpspeicherkraftwerke. Es gibt bisher weltweit nur zwei solche Kraftwerke. Auf englisch werden sie als CAES-Kraftwerke bezeichnet (Compressed Air Energy Storage). Das eine wurde schon 1978 von der damaligen Nordwestdeutsche Kraftwerke AG (später PreussenElektra bzw. E.ON) in Huntorf bei Oldenburg in Betrieb genommen. Das andere arbeitet seit 1991 in McIntosh im US-Bundesstaat Alabama.

Die bisherigen Luftspeicher-Kraftwerke sind modifizierte Gasturbinenanlagen

Die Bezeichnung Druckluftspeicher-Kraftwerke ist insofern irreführend, als die beiden genannten Anlagen keineswegs allein mit Druckluft betrieben werden. Es handelt sich vielmehr um modifizierte Gasturbinenkraftwerke. Der Unterschied zu einem normalen Gasturbinenkraftwerk besteht darin, daß der Verdichter, der die für den Verbrennungsprozeß notwendige Druckluft erzeugt, technisch und zeitlich unabhängig von der Turbine betrieben wird.

Beim normalen Gasturbinenkraftwerk werden bis zu zwei Drittel der Leistung für die Förderung und Verdichtung der Verbrennungsluft benötigt. Durch die Entkoppelung von Verdichter und Turbine steht beim Luftspeicher-Kraftwerk die komprimierte Luft bereits in einem Speicher zur Verfügung, den der Verdichter zu passender Zeit mit Schwachlast-Strom auffüllt. Da die Turbine keinen Verdichter antreiben muß, gibt sie ihre Leistung ungeschmälert an den Generator weiter und erzeugt dreimal soviel Strom. Das Medium Luft kann so in ähnlicher Weise der Energiespeicherung dienen wie das Wasser bei Pumpspeicherkraftwerken.

Aber leider ist wegen der diabatischen Verluste der Wirkungsgrad solcher Luftspeicher-Kraftwerke ziemlich schlecht. So benötigt man in Huntorf etwa 1,6 kWh Gas (für die Turbine) und 0,8 kWh Strom (für den Verdichter), um eine Kilowattstunde Spitzenlaststrom zu erzeugen. Unter Berücksichtigung aller Faktoren ergibt sich ein Wirkungsgrad von 42 Prozent. Bei dem Kraftwerk in den USA nutzt man die Turbinenabgase über einen Wärmetauscher zur Vorerwärmung der Druckluft. Dadurch steigt hier der Wirkungsgrad auf 54 Prozent, ist aber noch immer nicht befriedigend, wenn man ihn mit dem von Pumpspeicherkraftwerken vergleicht, die zwischen 70 und 85 Prozent des aufgewendeten Pumpstroms zurückgewinnen.

Pumpspeicherkraftwerke arbeiten optimal, lassen sich aber nur bedingt errichten

Pumpspeicherkraftwerke wären somit eigentlich die erste Wahl, um Lastschwankungen bei der Stromversorgung abzupuffern. Ihre Technik ist seit vielen Jahrzehnten erprobt und bewährt (siehe ENERGIE-WISSEN). Sie lassen sich aber nur dort anlegen, wo es in der Landschaft entsprechende Niveauunterschiede gibt. Zum Beispiel kommt das norddeutsche Tiefland nicht in Frage (eine Ausnahme bildet hier das Pumpspeicherkraftwerk Krümmel, das den Niveauunterschied zwischen der Elbe und der eiszeitlichen Endmoräne "Geest" nutzen kann). Aber auch im deutschen Mittelgebirge gibt es kaum noch neue Standorte zur Anlage von Pumpspeicherkraftwerken. Zu den wenigen möglichen Neubauten gehört hier das Projekt "Blautal" mit einem Wirkungsgrad von 75 Prozent, das die Stadtwerke Ulm seit 2005 vorantreiben (050307) und für das im Mai 2009 das Raumordnungsverfahren abgeschlossen wurde.

Was es indessen gerade in der norddeutschen Tiefebene reichlich gibt, sind unterirdische Salzstöcke, die sich zu Kavernen mit riesigem Fassungsvermögen aushöhlen lassen. So entstand vor über dreißig Jahren auch das Luftspeicher-Kraftwerk Huntorf. Um das Salz auszuwaschen, wurde hier fast zwei Jahre lang das Wasser des Flüßchens Hunte in den Untergrund gepreßt und die Sole in die Nordsee geleitet. Das Ergebnis waren zwei gigantische Hohlräume in 600 Meter Tiefe, die 300.000 Kubikmeter Luft mit Drücken bis zu 70 Bar speichern können. Dieser Vorrat an Druckluft reicht für zwei Stunden Vollastbetrieb. Mit einer Leistung von 290 MW verfügte Huntorf bei der Inbetriebnahme über die weltweit stärkste Gasturbine.

Luftspeicher konkurrieren mit Erdgas- und CO2-Speichern

Vernünftigerweise lassen sich solche Speicher nur unterirdisch anlegen, in einem Salzstock wie in Huntorf oder in anderen geeigneten Gesteinsformationen. Ähnliche Kavernen benötigt man für Erdgasspeicher (090806) oder für die Ablagerung von Kohlendioxid aus fossil befeuerten Kraftwerken (090305). Das Konzept der Luftspeicher tritt damit in Konkurrenz zu den beiden anderen Nutzungsarten. Da Deutschland bereits über hinreichend Erdgasspeicher verfügt und die CO2-Abscheidung ein sehr umstrittenes Konzept ist, dürfte die Nutzung des Untergrunds für Zwecke der Energiespeicherung wichtiger und sinnvoller sein.

Als man das Luftspeicher-Kraftwerk Huntorf baute, dachte noch niemand an Windkraftanlagen und deren schwankende Einspeisung ins Stromnetz. Man wollte vielmehr Schwachlastzeiten nutzen, um mit dem Grundlaststrom des benachbarten Kernkraftwerks Unterweser Druckluft zu erzeugen, die in Zeiten des Spitzenbedarfs wieder in Strom umgewandelt werden kann. Ferner sollte das Kraftwerk bei einem Stromausfall die externe Stromversorgung des Kernkraftwerks sichern und die Wiederherstellung der Stromversorgung erleichtern.

Erhöhter Regelbedarf durch Windstrom und Stromhandel bewahrte Huntorf vor der Stillegung

Die Technik des Luftspeicher-Kraftwerks kann inzwischen als erprobt und zuverlässig gelten. Die Bedienung des Kraftwerks Huntorf erfolgt ferngesteuert vom Kohlekraftwerk Bremen-Farge. Dennoch wurde die Anlage wegen der relativ hohen Kosten der Stromerzeugung nur sparsam eingesetzt. Ende der neunziger Jahre wollte PreussenElektra das Kraftwerk Huntorf sogar stillegen. Dann kamen aber die Liberalisierung des Strommarktes und der Bau zahlreicher Windkraftanlagen, die inzwischen auch in Huntorf das Landschaftsbild bestimmen (siehe Foto). Der Stromhandel und die Windstromeinspeisung ließen den Regelbedarf im Netz stark ansteigen. Auf das Luftspeicher-Kraftwerk Huntorf konnte deshalb trotz der höheren Kosten nicht mehr verzichtet werden. Im Gegenteil: Im Jahr 2006 wurde die Leistung der Gasturbine von 290 auf 321 MW erhöht.

Nun plante sogar die Energie Baden-Württemberg (EnBW) den Bau eines weiteren Druckluftspeicher-Kraftwerks. Wie sie im Frühjahr 2006 mitteilte, wollte sie eine solche Anlage in Norddeutschland errichten, um die unregelmäßige Stromeinspeisung von Windparks auszugleichen (060416). Mit dem Land Niedersachsen wurde eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Das Projekt tauchte noch 2008 in einer Liste der Kraftwerksvorhaben auf, die der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) veröffentlichte (080407). Tatsächlich wurde es aber vorläufig auf Eis gelegt. Einer der Gründe könnte gewesen sein, daß der zuständige Technik-Vorstand Anfang 2007 das Unternehmen verließ (070217).

Beim "adiabatischen Speicher" geht die Wärme nicht verloren und Erdgas wird überflüssig

Unterdessen zeichneten sich neue Perspektiven in Gestalt des "adiabatischen Luftspeicher-Kraftwerks" ab. Beim ihm soll der Wirkungsgrad, der in Huntorf bei 42 Prozent liegt, auf rund 70 Prozent steigen. Erreicht wird dies durch die zusätzliche Einführung eines Wärmespeichers, der jene Wärme aufnimmt, die beim Verdichten der Luft entsteht. Wenn die Druckluft dann der Turbine zugeführt wird, fließt sie erst durch diesen Wärmespeicher und nimmt die entnommene Energie wieder auf. Diese komprimierte und zugleich heiße Luft setzt dann bei ihrer Entspannung auf atmosphärisches Druck- und Temperaturniveau soviel Energie frei, daß die Verwendung von Erdgas überflüssig wird. Stattdessen kann sie direkt eine Luftturbine antreiben.

Schon die EnBW hatte diese adiabatische Speichertechnik im Blick, als sie ihr Projekt plante, denn es sollte zugleich als Forschungsobjekt für die neue, effizientere Variante dienen. Auf englisch wird sie als Advanced Adiabatic Compressed Air Energy Storage (AA-CAES) bezeichnet. Die EU startete dazu 2003 ein vierjähriges Forschungsvorhaben und stellte 2,4 Millionen Euro zur Verfügung, die durch weitere Beiträge der Industrie auf mehr als vier Millionen Euro aufgestockt wurden. Neben den Stromkonzernen E.ON und RWE beteiligten sich unter anderen die MAN Turbo AG, Alstom Power Ltd., die Deep Underground Engineering (DEEP) und das das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Bau der ersten Demonstrationsanlage soll 2013 beginnen

Am 27. Dezember 2007 unterzeichneten RWE und der US-Konzern General Electric eine Absichtserklärung zur Entwicklung eines Druckluftspeicherkraftwerks vom Typ AA-CAES. Zunächst wurde eine Machbarkeitsstudie erstellt. Nachdem diese vorlag und positiv ausfiel, wurden noch der Baukonzern Züblin und die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DLR) miteinbezogen. Am 20. Januar 2010 stellte das erweiterte Konsortium sich und sein Projekt der Öffentlichkeit vor. Es trägt den hübschen deutschen Namen ADELE als Abkürzung für "Adiabater Druckluftspeicher für die Elektrizitätsversorgung". Ziel ist die Errichtung einer ersten Demonstrationsanlage ab 2013, die über eine Speicherkapazität von einer Gigawattstunde verfügen und eine elektrische Leistung von bis zu 200 Megawatt erbringen soll. Einschließlich der Förderung durch das Bundeswirtschaftsministerium stellen die Projektbeteiligten zehn Millionen Euro bereit.