März 2009

090305

ENERGIE-CHRONIK


Gesetzentwurf zur CO2-Ablagerung stößt auf erhebliche Kritik

Der Entwurf für ein "Gesetz zur Regelung von Abscheidung, Transport und dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid", über den das Bundeskabinett am 11. März beschließen wollte, wurde überraschend von der Tagesordnung abgesetzt. Laut "Saarbrücker Zeitung" (11.3.) erfolgte die Absetzung auf Wunsch von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD), weil es noch Gesprächsbedarf mit der SPD-Bundestagsfraktion gebe. Als besonders problematisch gelte die Absicht, die Haftung für die unterirdischen CO2-Speicher schon nach 20 Jahren von den Betreibern auf den Bund übergehen zu lassen. Auch sei noch offen, welchen Reinheitsgrad das Kohlendioxid haben muß, bevor es unter die Erde gepumpt werden darf. Nach erneuter Abstimmung der strittigen Punkte zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium wurde der Gesetzentwurf in revidierter Fassung am 1. April vom Kabinett verabschiedet.

Das Gesetz gebe den Anlagenbetreibern die notwendige Planungs- und Investitionssicherheit für Pilot- und Demonstrationsanlagen, begründete Bundesumweltminister Gabriel die eilige Verabschiedung des Gesetzentwurfs durch die Große Koalition, die sich ansonsten bereits auf den Bundestagswahlkampf eingestellt hat und mehr von Dissens als Konsens geprägt wird. Die Betreiber müßten aber auch unter anderem nachweisen, daß die vollständige Zurückhaltung von CO2 im Speicher auf unbegrenzte Zeit gewährleistet ist und Vorsorge gegen Risiken für Mensch und Umwelt nach dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik getroffen wurde. In der jetzt verabschiedeten Fassung könnten sie ihre Verantwortung erst 30 Jahre nach Stilllegung einer Anlage und damit rund 80 Jahre nach ihrer Inbetriebnahme auf den Bund übertragen. Im Jahr 2015 werde der Bund die Erfahrungen mit den Demonstrationsvorhaben aus dem In- und Ausland auswerten.

"Wesentliche Teile des Gesetzes stammen aus der Feder von RWE und Vattenfall"

In den vergangenen Wochen regte sich zunehmend Kritik am Inhalt des Gesetzentwurfs, an seinem Zustandekommen unter maßgeblicher Beteiligung der Kraftwerksbetreiber und am Schnellverfahren, mit dem er über die parlamentarischen Hürden gebracht werden soll. "Wesentliche Teile des Gesetzes stammen aus der Feder von RWE und Vattenfall", hieß es in einer Stellungnahme der Umweltorganisation Greenpeace. "Die gesetzgeberische Kompetenz des Bundes wird dadurch untergraben und die behördliche Sorgfaltspflicht bei der Erstellung des Gesetzestextes vernachlässigt." Durch ein "einzigartiges, behördeninternes Mauschel-Verfahren" zwischen den Ministerien für Wirtschaft und Umwelt seien bei der Formulierung des Gesetzestextes fachwissenschaftliche Grundlagen auf der Strecke geblieben. Dies zeige sich beispielsweise in der "durchgängig fehlerhaften Verwendung des Begriffs Speicherung" in Anlehnung an den Sprachgebrauch der Industrie, der grob irreführend und mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen behaftet sei. Korrekt müsse es Ablagerung heißen, da es um eine dauerhafte Einlagerung ohne Absicht der Wiederverwendung gehe. Der Gesetzentwurf bleibe in wesentlichen Passagen beliebig, unkonkret und unpräzise. Der Kern des Gesetzes solle über ausgelagerte Verordnungen geregelt werden. Bei dem kurzfristig anberaumten Termin zur Anhörung von Verbänden am 27. Februar sei eine fachgerechte Erörterung all dieser Mängel nicht möglich gewesen, weil das Bundeswirtschaftsministerium eindeutig Partei zugunsten von Industrieinteressen ergriffen sich als Sprachrohr der Energiewirtschaft gebärdet habe.

Grüne wollen verhindern, daß leere Erdgaslagerstätten zum "Kohle-Klo der Republik" werden

Die Bündnisgrünen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt forderten die Landesregierungen auf, sich über den Bundesrat ins Gesetzgebungsverfahren einzuschalten. Sonst drohe die Altmark im Norden Sachsen-Anhalts mit ihren leeren Erdgaslagerstätten langfristig "das Kohle-Klo der Republik zu werden". Der Gesetzentwurf blende die Risiken der unterirdischen Speicherung des Klimagases nahezu aus. Schon nach 20 Jahren solle die Haftung für die Lager auf die Bundesländer übergehen, während die Unternehmen lediglich die Kosten für das "Monitoring" trügen. "Das ist ungefähr so, als ob die Haftpflichtversicherung eines Autofahrers im Falle eines Unfalls die Kosten für den Telefonanruf beim Abschleppdienst übernimmt."

Die Erneuerbare-Energien-Vereinigung Eurosolar bezweifelte grundsätzlich den Nutzen der Abscheidung und Ablagerung von CO2. Letzlich gehe es den Kraftwerksbetreibern nur darum, weiter Kohlekraftwerke bauen zu können. Ob es tatsächlich gelinge, das Treibhausgas dauerhaft in der Erde zu versenken und ein Entweichen in die Atmosphäre zu verhindern, sei völlig ungewiß. Hinzu kämen weitere Risiken. Die immensen Kosten hätten dagegen die Verbraucher zu tragen. Viel sinnvoller sei es, dieses Geld von vornherein in den Ausbau der erneuerbaren Energien zu investieren.

Greenpeace bezweifelt Unabhängigkeit und Seriosität der BGR

Auf den gemeinsamen Referentenentwurf hatten sich die Ministerien für Umwelt und Wirtschaft am 19. Februar verständigt, um ihn noch im März ins Bundeskabinett einzubringen. Als Grundlage diente die "Richtlinie zur Abtrennung und geologischen Speicherung von CO2", die im Dezember von den EU-Gremien das als Teil des Energie- und Klimapaketes verabschiedet wurde (081207)."Damit können wir das Ziel erreichen, noch in dieser Legislaturperiode einen Rechtsrahmen für die Kohlendioxidabscheidung und -speicherung zu schaffen", erklärte der frischgebackene Bundeswirtschaftsminister Guttenberg, der gerade seit zehn Tagen im Amt war (090210).

Der Gesetzentwurf sieht vor, daß künftig die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) gemeinsam mit dem Bundesumweltamt (UBA) die Potentiale für unterirdische CO2-Speicherstätten analysiert und bewertet. Die Ergebnisse sollen dann vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlicht werden, um den jeweils zuständigen Landesbehörden als Grundlage für die Genehmigungsverfahren zu dienen. Greenpeace bezweifelt indessen die Unabhängigkeit und wissenschaftliche Seriosität der BGR, da diese Behörde 1965 das inzwischen absaufende Endlager Asse II (090203) für besonders geeignet hielt, um Atommüll zu lagern.

RWE und E.ON bauen Pilotanlagen zur CO2-Rauchgaswäsche

Am 13. März erteilte das Regierungspräsidium Köln der RWE Power die Genehmigung zum Bau und Betrieb einer Pilotanlage zur CO2-Rauchgaswäsche. Die Anlage wird am Kraftwerksstandort Niederaußem errichtet. Sie soll ab Sommer dieses Jahres pro Stunde etwa 300 Kilogramm CO2 aus einem Teilstrom der Kraftwerksrauchgase abscheiden und dabei einen Abtrennungsgrad von 90 Prozent erreichen. RWE Power will so Erfahrungen für spätere Großanlagen sammeln, mit denen konventionelle Braun- und Steinkohlenkraftwerke ab 2020 nachgerüstet werden könnten. Kooperationspartner bei dem Projekt sind BASF und Linde. Das Chemieunternehmen erprobt neue, energieeffiziente Waschflüssigkeiten zur Abtrennung des CO2 aus dem Rauchgas. Linde optimiert die Anlagentechnik für den Kraftwerksbetrieb. Ziel ist es, den Energieaufwand der CO2-Abtrennung erheblich zu verringern. Das Projekt ist auf neun Millionen Euro veranschlagt und wird zu 40 Prozent vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie bezuschusst.

Am 19. Februar gaben E.ON und Siemens bekannt, daß sie am Kraftwerk Staudinger in Großkrotzenburg bei Hanau eine Pilotanlage zur CO2-Abscheidung errichten, die im Sommer 2009 in Betrieb gehen soll. Ziel des Projektes ist die Erprobung der Abscheidung von CO2 aus dem Rauchgas mittels des so genannten Post-Combustion-Verfahren, bei dem spezielle Reinigungssubstanzen zum Einsatz kommen. Die Ergebnisse der Pilotanlage sollen in große Demonstrationsanlagen einfließen, die ab Mitte des nächsten Jahrzehnts den Betrieb aufnehmen. Das Projekt wird ebenfalls vom Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie gefördert.

In Italien kooperieren die Energieunternehmen Enel und Eni bei der Erforschung und Entwicklung der Techniken zur Abscheidung und Ablagerung von CO2 (CCS - Carbon Capture and Storage). Der Stromversorger Enel will bis Herbst 2009 eine Pilotanlage bauen, die stündlich etwa 2,5 Tonnen CO2 abscheiden können. Der Erdöl- und Gaskonzern Eni beabsichtigt, ab Herbst 2010 rund 8.000 Tonnen abgeschiedenes CO2 in einem ausgeförderten Gasfeld in der Nähe von Cortemaggiore in der Poebene zu speichern. Außerdem will der spanische Energieversorger Endesa, der inzwischen von Enel übernommen wurde, knapp 700 Millionen US-Dollar in die Entwicklung der CCS-Technologie investieren.

 

In Planung befindliche Kraftwerke mit CO2-Abscheidung in Deutschland

Unternehmen Kraftwerk Leistung MWel Energie- träger voraussichtliche Inbetriebnahme Bemerkung

Projektkoste in Mio. Euro

Status
brutto netto
RWE Power Hürth / Goldenbergwerk 450 450 Braunkohle 2014 integrierte Kohlevergasung (IGCC), CO2-Abtrennung, -Transport und -Speicherung / Investitionsvolumen 2 Mrd. Euro inkl. Pipeline und Speicher 2.000 Mio.€ in Planung, Inbetriebnahme vor 2014
Vattenfall Europe Jänschwalde - - Braunkohle 2015 Demonstrationsanlage CCS / Umrüstung eines bestehenden 500 MW-Blocks für CO2-Abscheidung 1.000 Mio.€ in Planung; Inbetriebnahme nach 2014
RWE Power Sachsen Anhalt (mglw. Arneburg bei Stendal)     Steinkohle offen Inbetriebnahme zwischen 2014 und 2018 / Möglichkeit zur unterirdischen Einlagerung von CO2 gegeben Standortsuche
 

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