September 2020

200901

ENERGIE-CHRONIK




Die EEG-Novellierung sieht von 2021 bis 2028 die Ausschreibung von insgesamt 55.500 Megawatt Erneuerbaren-Leistung vor. Davon entfallen 56 Prozent auf Windkraft, 29 Prozent auf Photovoltaik, 5 Prozent auf Biomasse und 10 Prozent auf technologieübergreifende "Innovationsausschreibungen". Bei der Photovoltaik soll es jetzt zwei separate Ausschreibungen geben, wobei das neu eingeführte "Segment 2" auch die Förderung größerer PV-Dachanlagen mit Leistungen zwischen 100 Kilowatt und 20 Megawatt von Ausschreibungen abhängig macht – nur eine von vielen Fragwürdigkeiten, die der Kabinettsentwurf enthält.

Kabinettsentwurf zur EEG-Novellierung läßt in vieler Hinsicht zu wünschen übrig

Das Bundeskabinett hat am 23. September den Entwurf zur Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) verabschiedet. Er enthält einige Änderungen am Referentenentwurf vom 14. September, der Verbänden und Unternehmen zur Stellungnahme vorlag. Vor allem wurde auf das unausgegorene Konzept der "Bürgerstromtarife" verzichtet, mit denen die Akzeptanz von Windkraftanlagen erhöht werden sollte (200902). Das damit verbundene Konzept, den Standortgemeinden von Windkraftanlagen eine Zuwendung der WKA-Betreiber zukommen zu lassen, wurde von einer Pflicht zur Kür umgemodelt, wobei die Betreiber diese Kosten vom Netzbetreiber erstattet bekommen und letztendlich auf die EEG-Umlage abwälzen dürfen.

Vergebens blieb dagegen die Kritik an der Ausweitung der Ausschreibungspflicht auf größere PV-Dachanlagen mit Leistungen zwischen 100 Kilowatt und 20 Megawatt (200905) oder den unnötigerweise hochgeschraubten Anforderungen an die messtechnische Ausrüstung von kleinen Erzeugunganlagen im Leistungsbereich von 1 bis 7 Kilowatt (200906). Nur teilweise gemildert wurde die Streichung der EEG-Förderung bei Negativpreisen am Spotmarkt, die bisher gemäß § 51 EEG 2017 erst nach sechs Stunden einsetzt und auf 15 Minuten verkürzt werden sollte. Nun soll sie, kaum minder rabiat, schon nach einer Stunde greifen (200903).

Eine Anschlusslösung für ausgeförderte EEG-Anlagen (200807) ist in der EEG-Novelle nun zwar enthalten, befriedigt die davon betroffenen Betreiber von PV-Anlagen aber keineswegs: Die Vergütung der weiteren Einspeisung durch die Netzbetreiber zum Marktwert abzüglich Vermarktungskosten gilt nur für kleine Anlagen bis 100 Kilowatt Nennleistung, ist längstens bis Ende 2027 befristet ist und kann schon vorher widerrufen werden. Letztendlich wird auch von den vor zwanzig Jahren installierten Kleinanlagen erwartet, dass sie so schnell wie möglich mit "intelligenten Messsystemen" zur Fernablesung und Fernsteuerung der Einspeiseleistung ausgerüstet werden (200904).

Bruttostromverbrauch wird bis 2030 nur mit 580 Terawattstunden veranschlagt

"Ziel dieses Gesetzes ist es, den Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms am Bruttostromverbrauch auf 65 Prozent im Jahr 2030 steigern", heißt es in § 1 des Kabinettsentwurfs zum EEG 2021. Ein weiteres Ziel sei, den gesamten deutschen Stromverbrauch noch vor dem Jahr 2050 "treibhausgasneutral" zu erzeugen. Dem 65-Prozent-Ziel bis 2030 liegt ein angenommener Bruttostromverbrauch von 580 Terawattstunden zugrunde. Das entspricht dem Verbrauch des Jahres 2019 und ist alles andere als realistisch. Aber dadurch wird es leichter, den erwarteten Erneuerbaren-Anteil rein rechnerisch zu erhöhen. "Ein höherer Bruttostromverbrauch kann insbesondere aus dem angestrebten Ausbau der Elektrolyse folgen", räumt die Bundesregierung selber ein. Sie verweist dann aber lediglich auf spätere Korrekturmöglichkeiten, die sich aus dem fortlaufenden Monitoring der tatsächlichen Entwicklung ergeben würden.

Keine Verbilligung von Strom für "anthrazitfarbenen" Wasserstoff

Zunächst hatte die Bundesregierung geplant, die "Besondere Ausgleichsregelung" in den §§ 63 – 69a des EEG 2017, welche die EEG-Umlage für Großverbraucher stark reduziert, auf den Betrieb von Elektrolyseuren zur Produktion von Wasserstoff auszudehnen. Laut "Handelsblatt" (25.8.) begründete das Wirtschaftsministerium diese Vorgehensweise damit, dass sie verfassungs- und beihilferechtlich unbedenklicher sei als eine pauschale Komplettbefreiung der Elektrolyseure von der Umlage. In den 19 Artikeln des Gesetzespakets, das neben dem EEG noch etliche andere Rechtsvorschriften ändert, ist aber nichts derartiges zu finden. Es wird lediglich in der Begründung auf die vom Kabinett am 10. Juni beschlossene "Nationale Wasserstoffstrategie" verwiesen, mit der die Bundesregierung anstrebe, "die Produktion von grünem Wasserstoff von der EEG-Umlage zu befreien". – Möglicherweise hat das Wirtschaftsministerium eingesehen, dass die Erzeugung von Wasserstoff mittels des normalen Strom-Mixes – das Ergebnis wird in einem Papier der Bundesnetzagentur als "anthrazitfarbener" Wasserstoff bezeichnet (200704) – kein Beitrag zur Treibhausgasneutralität ist, sondern dieses Ziel sogar gefährdet (siehe Hintergrund, Juni 2020).

Unsinn der gemeinsamen Ausschreibungen für Wind und Photovoltaik wird beendet

Die "technologieneutralen" Ausschreibungen gemäß §§ 39i und 88c des EEG 2017 tauchen im EEG 2021 nicht mehr auf. Stattdessen wird das Volumen der sogenannten Innovationsausschreibungen erhöht. Bei den gemeinsamen Ausschreibungen für Windkraft- und Solaranlagen handelte es sich von Anfang an um eine sinnlose Pflichtübung, die unter dem damaligen Energiekommissar Günther Oettinger von einer 2014 erlassenen EU-Richtlinie erzwungen wurde. Ihre Durchführung glich einem absurden Theater: Schon in der ersten Runde kam von 18 Windkraft-Bietern keiner zum Zuge (180401). In der zweiten beteiligte sich nur noch ein einziger WKA-Projektierer an dem aussichtslosen Rennen (181111). In der dritten gingen nicht nur wieder sämtliche Zuschläge an Solar-Projekte, sondern es gab auch nur noch solche Gebote (190407). Genauso verliefen die beiden anderen Auktionen, die bisher stattfanden (191111, 200511). Dabei hätte man schon vorher wissen können, dass Wind- und Solarprojekte sich auch kostenmäßig unterscheiden (siehe Hintergrund, April 2018).

Erneuerbaren-Branche fordert jetzt Nachbesserung im parlamentarischen Verfahren

Insgesamt enthält die EEG-Novelle kaum Neues, sondern dreht an bekannten Stellschrauben, die sie dabei teilweise überdreht. Der Gesetzentwurf müsse jetzt im weiteren parlamentarischen Verfahren entscheidend nachgebessert werden, erklärte der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). Die Argumente aus der zeitlich sehr knapp bemessenen Verbändeanhörung hätten "fast schon erwartungsgemäß kaum Berücksichtigung gefunden". Es seien lediglich Hürden teilweise wieder abgeschwächt worden, die sich erst aus der Novellierung ergeben hätten, kritisierte die BEE-Präsidentin Simone Peter.

Das Bundeswirtschaftsministerium habe leider kaum Zugeständnisse gemacht, befand auch der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW). Die geplante Novellierung werde zu einem deutlichen Rückgang des Photovoltaik-Zubaues auf Gebäuden führen, den Weiterbetrieb tausender alter Solarstromanlagen nicht sichern, solare Eigenerzeuger systematisch diskriminieren und die Chance für den dringend notwendigen Ausbau von Speichern ungenutzt lassen. "Jetzt sind die Abgeordneten des Bundestages gefordert, einen Solar-Rollback zu verhindern und aus dem vorliegenden Kabinettsentwurf ein Solarbeschleunigungsgesetz zu machen", erklärte BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.

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