November 2019

191103

ENERGIE-CHRONIK


"Brennstoffemissionshandelsgesetz" verteuert Sprit, Heizöl und Gas

Der Bundestag beschloss am 15. November das "Brennstoffemissionshandelsgesetz" (BEHG), das Bundesregierung und Koalitionsfraktionen in gleichlautenden Entwürfen eingebracht hatten. Wie beim "Bundes-Klimaschutzgesetz" (191102) und zwei Gesetzen zur steuerrechtlichen Umsetzung klimapolitischer Ziele (191104), die in derselben Sitzung verabschiedet wurden, kam die Annahme nur mit den Stimmen von Union und SPD gegen die aller Oppositionsparteien zustande. In der ersten Lesung am 8. November charakterisierte der Linke-Abgeordnete Lorenz Gösta Beutin den Entwurf als ein Gesetz, das wirksamen Klimaschutz noch weiter verzögere, wobei es nicht nur unwirksam und sozial ungerecht, sondern auch noch verfassungswidrig sei.

In der Tat ist dieses Gesetz der wundeste Punkt in den insgesamt enttäuschenden "Eckpunkten für das Klimaschutzprogramm 2030", die Union und SPD am 20. September vorlegten (190902). Die Große Koalition verspielte damit die Chance, aus dem Fiasko mit dem 2005 eingeführten Europäischen Emissionshandelssystem (ETS) für Kraftwerke und andere Großfeuerungsanlagen zu lernen. Die Chance hätte darin bestanden, nun wenigstens für die nicht vom ETS erfaßten Sektoren Verkehr, Industrie, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft eine genau dosierbare und entsprechend wirksame CO2-Lenkungsabgabe einzuführen, wie dies namhafte Experten empfohlen haben (190604, 190703). Stattdessen wollen Union und SPD nun auch im Nicht-ETS-Bereich einen vorläufig separaten Emissionshandel installieren, der in ferner Zukunft mit dem ETS-System verschmelzen soll.

Bis 2026 sind die Zertifikate nichts weiter als eine CO2-Steuer ohne Nutzen für das Klima

Wie aus § 10 des jetzt beschlossenen Gesetzes hervorgeht, beginnt dieser Handel erst im Jahr 2026. Bis dahin wird ab 2021 auf Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas lediglich eine Art CO2-Steuer eingeführt. Die Erhebung dieser Steuer erfolgt über Zertifikate, die zur Emission von jeweils einer Tonne CO2-Äquivalent berechtigten. Der Handel muss diese Zertifikate für die jeweiligen Brennstoffmengen erwerben, wobei er die zusätzlichen Kosten an die Endverbraucher weitergibt. Der Preis für ein solches Zertifikat beträgt zunächst 10 Euro und steigt bis 2025 auf 35 Euro. Die für das Jahr 2026 ausgegeben Zertifikate sollen dann erstmals gehandelt werden können, wobei die Preisbildung jedoch nach unten von 35 Euro und nach oben von 60 Euro begrenzt wird. Laut § 10 Abs. 4 stehen sämtliche Erlöse aus dem Verkauf der Zertifikate dem Bund zu. Sie füllen also die Staatskasse, ohne dass damit eine Zweckbindung oder ein irgendwie gearteter Rückfluss für die geschröpften Verbraucher verbunden wäre.

Den Betroffenen bleibt keine andere Wahl, als ihre Schröpfung hinzunehmen

Grundsätzlich kann eine CO2-Bepreisung zuverlässiger und schneller wirken als der Handel mit Emissionszertifikaten (190809). In diesem Fall verteuert sie jedoch Brennstoffe des täglichen Bedarfs, die bereits enorm mit Steuern belastet sind. Zugleich sind diese Brennstoffe vorläufig noch unverzichtbar. Zum Beispiel haben Autofahrer gar keine andere Wahl, als Benzin oder Diesel zu tanken. Der Umstieg auf Elektroautos wäre noch erheblich teuerer. In den allermeisten Fällen käme er schon wegen der mangelnden Reichweite der Fahrzeuge und aus anderen praktischen Gründen nicht in Betracht. Auch der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel läßt sich nicht einfach erzwingen, solange er mit unverhältnismäßig großen Mühen und Zeitverlusten verbunden ist. Der zusätzliche CO2-Aufschlag auf Benzin und Diesel kann also praktisch keine Anreizwirkung zur CO2-Vermeidung entfalten, da ihn die Betroffenen wohl oder übel hinnehmen müssen. Ähnlich verhält es sich mit der Verteuerung von Heizöl und Gas.

In Berlin hat man anscheinend noch nichts vom Aufruhr der "Gelbwesten" gehört

Eine solche CO2-Bepreisung, deren Einnahmen lediglich der Staatskasse zugute kommen, belastet aber in ganz besonderem Maße den ärmeren Teil der Bevölkerung und ist deshalb äußerst unsozial. Die Politiker, die sich so etwas einfallen ließen, haben anscheinend noch nie etwas vom Aufruhr der "Gelbwesten" in Frankreich gehört, der aus genau einem solchen Anlass entstanden ist (190316). Oder sie vertrauen darauf, dass Deutschland nicht Frankreich ist. Da ist etwas dran: Der Deutsche geht nicht so schnell auf die Barrikaden, sondern reagiert eher mit dem Stimmzettel. Und schlimmstenfalls wählt er dann die Demagogen von der AfD. Am 29. November hat der Bundesrat dem Gesetzentwurf dennoch zugestimmt.

 

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