Juni 1993

930611

ENERGIE-CHRONIK


"Betriebsbedingte Riß-Vergrößerung in Brunsbüttel nicht auszuschließen"

Für einige der herstellungsbedingten Risse, die im Rohrleitungssystem des Kernkraftwerks Brunsbüttel festgestellt wurden, läßt sich eine nachträgliche, betriebsbedingte Vergrößerung nicht ausschließen. Zu dieser Feststellung gelangte nach Zeitungsberichten der Ausschuß "Druckführende Komponenten" der Reaktor-Sicherheitskommission (RSK). Wörtlich heiße es in dem vertraulichen Papier: "Für die in einzelnen Fällen beobachteten Rißbildungen größerer Abmessungen sind betriebliche Einflüsse, die zur Erweiterung beigetragen haben können, nicht auszuschließen." In Kreisen der RSK halte man jedoch den Stand der Untersuchungen "noch nicht ganz reif für eine endgültige Stellungnahme" (FR, 9.6.; taz, 9.6.; SZ, 24.6.; siehe auch 930202).

Die Süddeutsche Zeitung (24.6.) kommentierte: "Das Ergebnis der Auseinandersetzungen war und ist beinahe von schicksalhafter Bedeutung für das bis heute abgeschaltete Kraftwerk Brunsbüttel und andere Siedewasserreaktoren in Deutschland, weil ûbetriebsbedingtes Wachstumí der Rohranrisse die zuvor unbestrittene Zuverlässigkeit der eingesetzten austenitischen Edelstähle grundsätzlich in Frage stellen würde."

Die tageszeitung (9.6.) schreibt: "Wie brisant die Reaktorbetreiber selbst die Risse beurteilen, zeigt sich an Plänen, bei den nächsten Kontrollrevisionen betroffener Meiler in Bayern und Baden-Württemberg die umstrittenen Rohrleitungssysteme ohne großes Aufsehen auszutauschen."

Millionenverlust durch erzwungenen Stillstand

Das Kernkraftwerk Brunsbüttel ist wegen der festgestellten Risse seit den Revisionsarbeiten im August 1992 abgeschaltet. Durch den erzwungenen Stillstand sei der Hamburgischen Electricitäts-Werke AG (HEW) im Geschäftsjahr 1992 ein Verlust von 32 Millionen Mark entstanden, erklärte der HEW-Vorstandvorsitzende Roland Farnung am 15.6. bei der Vorlage des Geschäftsberichts. Bis heute hätten die HEW zu den bereits Anfang April vorgelegten Reparaturplänen weder von der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde in Kiel noch vom TÜV eine abschließende Stellungnahme erhalten. Die Kieler Behörde wolle in Brunsbüttel den "entschädigungslosen Ausstieg" aus der Kernenergie erreichen. Die HEW sind als Partner von PreussenElektra zu zwei Dritteln an dem KKW beteiligt (FAZ, 16.6.; Welt, 16.6.).