September 2025

250905

ENERGIE-CHRONIK




In dieser riesigen Werkshalle in Thalheim bei Bitterfeld wurden vor vier Jahren erstmals wieder Solarzellen in Deutschland hergestellt. Wegen des ungebremsten chinesischen Dumpings bei Zellen und Modulen musste jetzt die schweizerische Meyer Burger Technology AG diese Produktion wieder aufgeben – genau so wie das Vorgängerunternehmen Sovello, das bis 2012 am selben Standort eine Photovoltaik-Fabrik betrieb.

Pressefotos (2): Meyer Burger

Das Solarunternehmen Meyer-Burger hat keine Überlebenschance mehr

Das schweizerische Solarunternehmen Meyer Burger Technology AG teilte am 17. September mit, dass die Suche nach einem Investor für die gesamte Unternehmensgruppe endgültig gescheitert sei. Nach Einschätzung des Verwaltungsrats bestünden "aus heutiger Sicht keine realistischen Chancen mehr für eine Rettung der gesamten Unternehmensgruppe einschliesslich der Muttergesellschaft". Für letztere werde daher der Abschluss eines "Nachlassvertrags" nach schweizerischem Recht angestrebt, was eine Liquidationsdividende für die Aktionäre ausschließe. Zugleich bemühe man sich weiter um einen Verkauf von Teilen der verschiedenen Gruppengesellschaften in der Schweiz, in Deutschland und in den USA.


Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck besichtigte am 30. Juli 2022 die von Meyer Burger reaktivierte Solarzellen-Herstellung im Stadtteil Thalheim von Bitterfeld-Wolfen (rechts der damalige Vorstandsvorsitzende Gunter Erfurt).

Vom Zusammenbruch der Muttergesellschaft betroffen sind vor allem die noch rund 600 Beschäftigten an den ostdeutschen Standorten Bitterfeld-Wolfen (Solarzellenproduktion) und Hohenstein-Ernstthal (Entwicklung und Maschinenbau). Für beide Werke hatte Meyer Burger Ende Mai Insolvenzverfahren beantragt, die inzwischen eröffnet wurden. Die Löhne und Gehälter der Gekündigten waren über das Insolvenzgeld noch bis Ende August gesichert. Die rund 500 Mitarbeiter im Werk Freiberg (Solarmodule) hatten schon Ende März 2024 ihre Kündigung erhalten (240312). Die rund 300 Beschäftigten in den USA wurden im Mai dieses Jahres entlassen. Den in der Schweiz noch tätigen 45 Mitarbeitern wurde mit Ausnahme eines Abwicklungsteams ebenfalls gekündigt.

Die Neubelebung der Solarindustrie hätte nur mit politischer Unterstützung gelingen können

Die Meyer Burger Technology AG hatte im Mai 2021 zwei ehemalige Zentren der deutschen Solarindustrie übernommen, um diese neu zu beleben: In Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt) war das die Solarfabrik der Firma Sovello, die 2012 Insolvenz beantragt hatte (120511). Außerdem reaktivierte sie im sächsischen Freiberg eine Solarfabrik des einstigen Branchenführers Solarworld, der sich am längsten gegen die chinesische Dumping-Konkurrenz zu behaupten versucht hatte, bevor er 2018 nach zweimaliger Insolvenzanmeldung ebenfalls die Produktion einstellen musste (180909 und Hintergrund, Mai 2017).

Diese beabsichtigte Neubelebung der Solarindustrie in Deutschland und Europa hätte freilich wegen der erdrückenden Marktmacht Chinas nur mit politischer Unterstützung durch Bundesregierung und EU-Kommission gelingen können. Das hatte sich schon vor zwei Jahrzehnten gezeigt, als immer mehr Solarunternehmen wie SolarWorld, Solon, Q-Cells, First Solar oder Conergy, bei denen kurz zuvor noch die Gewinne explodierten und die deshalb als besonders heiße Börsentips gegolten hatten, plötzlich immer schlechtere Zahlen verkündeten, Produktionseinschränkungen beschlossen oder sogar Insolvenzanträge stellten. Der Hauptgrund dafür war, dass die in Deutschland verkauften Solarzellen inzwischen größtenteils woanders hergestellt wurden: Binnen kurzer Zeit war China zum weltweit führenden Hersteller von Solarzellen aufgerückt, der im wesentlichen für den Export und vergleichsweise wenig für den Eigenbedarf produzierte (090812).

Bei Solarzellen gab es seit 2018 keinen einzigen deutschen Hersteller mehr

Mit kräftiger Unterstützung durch die Pekinger Regierung konnten die chinesischen Exporteure mit Dumping-Preisen vor allem in Deutschland immer größere Anteile des Photovoltaik-Marktes gewinnen, was naturgemäß zu Lasten der einheimischen Hersteller ging, die allenfalls noch bei der Weiterverarbeitung der importierten Solarzellen zu anschlussfertigen Modulen mithalten konnten oder unentbehrliches Zubehör wie Wechselrichter produzierten. Bei Solarzellen gab es aber seit 2018 keinen einzigen deutschen Hersteller mehr, nachdem auch SolarWorld verschwunden war. Überhaupt nicht betroffen waren dagegen solche Unternehmen, die lediglich mit Photovoltaik handelten, indem sie diese kauften, vermarkteten oder bei Endkunden installierten. Diese profitierten vielmehr von den Billigimporten. Auch aus dieser Ecke der Solarbranche blies deshalb den Herstellern der Wind eher ins Gesicht und verhinderte wirksame Abwehrmaßnahmen gegen das chinesische Dumping.

EU-Kommission entschloss sich nur zögernd zu Maßnahmen gegen das chinesische Dumping

Die EU-Kommission zeigte ebenfalls keine übermäßige Bereitschaft, sich in dieser Frage mit dem zweitgrößten Handelpartner der EU anzulegen. Erst im September 2012 entschloss sie sich dann doch, ein Anti-Dumping-Verfahren wegen der Überflutung des europäischen Marktes mit Solarzellen aus China einzuleiten. Sie folgte damit einem Antrag des neu gegründeten Branchenverbands "EU Pro Sun", in dem sich auf Initiative der SolarWorld AG mehr als zwanzig Unternehmen zusammengeschlossen hatten (121013). Zuvor hatte SolarWorld in den USA den Antrag auf Einleitung eines Anti-Dumping-Verfahrens gestellt, dem das US-Handelsministerium im Mai 2012 stattgab (120511). Fünf Monate später bekräftigte das Ministerium diese Strafzölle und begründete sie damit, dass die chinesischen Importe von der Pekinger Regierung um 15 bis 16 Prozent subventioniert und um 18 bis 250 Prozent unter dem "fairen" Marktpreis verkauft worden seien (121013).

Es dauerte aber noch bis Juni 2013, ehe die EU-Kommission ähnliche Antidumping-Zölle verhängte, die sie indessen ausdrücklich nicht als Protektionismus oder "Strafzölle" verstanden wissen wollte. Kurz darauf trat an die Stelle dieser Zölle eine einvernehmliche Regelung, derzufolge sich die chinesischen Importeure zur Einhaltung von Höchstmengen und Mindestpreisen für ihre Solarmodule verpflichteten (130705). Aus Sicht der betroffenen europäischen Hersteller war das aber lediglich ein "fauler Kompromiss", der in der Praxis die fernöstlichen Konkurrenten nicht nennenswert an der Fortsetzung der alten Praktiken hinderte (150508).

An diesem unbefriedigenden Stand der Dinge hatte sich nichts wesentliches geändert, als Meyer Burger im Frühjahr 2021 die vor fast einem Jahrzehnt eingestellte Solarzellenfabrikation im sogenannten "Solar Valley" bei Bitterfeld-Wolfen sowie die vor knapp drei Jahren beendete Modulherstellung in Freiberg neu zu beleben begann. Und das blieb so auch unter der neuen Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP, die ein halbes Jahr später zustande kam. In ihrem Koalitionsvertrag hatte diese zwar die Beseitigung aller "Hemmnisse" vereinbart, die dem geplanten Ausbau der Solarstrom-Kapazitäten auf rund 200 Gigawatt bis zum Jahr 2030 entgegenstehen könnten. Dieses ehrgeizige Ziel ließ sich aber ebenfalls und sogar leichter mit chinesischen Billigimporten erreichen als mit Schutzvorkehrungen und gezielter Förderung für den Aufbau einer eigenständigen Solarindustrie. Außerdem wurde es zunächst vom russischen Überfall auf die Ukraine überschattet, der die neue Bundesregierung voll in Anspruch nahm und vieles zurückstellen ließ. Gegenüber der mit unglaublichem Leichtsinn geförderten und lange Zeit verdrängten Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen, die nun schlagartig bewusst wurde, wirkte die mindestens ebenso große Abhängigkeit von chinesischen Solarmodul-Lieferungen weit weniger bedrohlich oder sogar wie eine Lappalie.

Ampel-Regierung wollte zunächst mit der Subventionierung von "Leuchtturmprojekten" helfen

Immerhin begleitete zumindest der grün-rote Teil der Ampel die Neubelebung der deutschen Solarzellen-Fertigung durch das schweizerische Unternehmen Meyer Burger mit Wohlwollen. Mitte 2022 besichtigte der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck das Werk im Stadtteil Thalheim von Bitterfeld-Wolfen. Auch später hatte er ein offenes Ohr für den Vorstandsvorsitzenden Gunter Erfurt, der ihn dabei durch die Werkshallen führte. Der Unternehmenschef war zwar ein exzellenter Fachmann auf dem Gebiet der Photovoltaik, hatte aber wohl die politischen Hemmnisse unterschätzt, die einer dauerhaften Neubelebung des "Solar Valley" in Thalheim entgegenstanden. Das Geschäftsergebnis von Meyer Burger ließ jedenfalls immer mehr zu wünschen übrig.

Vor diesem Hintergrund legte die Bundesregierung Mitte 2023 das Konzept für eine gezielte Förderung von einzelnen "Leuchtturmprojekten" der inländischen Solarindustrie vor (230605). Von einer solchen Subventionierung einzelner "Leuchtturmprojekte" hätte hauptsächlich Meyer Burger profitiert. Sie hätte aber nicht an das Grundproblem des chinesischen Dumpings gerührt. Der Vorstandsvorsitzende Erfurt hielt deshalb dieses Konzept für nicht ausreichend und sinnvoll. Stattdessen appellierte er im Januar 2024 zusammen mit weiteren Solar-Firmen an die Bundesregierung, die Höhe der EEG-Förderung davon abhängig zu machen, ob Solaranlagen in der EU hergestellt werden oder nicht. Mit der Forderung nach einem solchen "Resilienzbonus" verband Erfurt die Ankündigung, andernfalls die Modulfertigung in Freiberg zu schließen. In Deutschland werde dann nur noch die Bitterfelder Zellproduktion verbleiben, um den im Werk Goodyear im US-Bundesstaat Arizona geplanten Hochlauf der Modulfertigung zu unterstützen (240108).

Der "Resilienzbonus" wäre sinnvoller als Subventionen gewesen, scheiterte aber an der FDP

Dieser "Resilienzbonus" war ein sehr sinnvoller Vorschlag. Er hätte es ermöglicht, über eine abgestufte EEG-Förderung für Photovoltaik einer eigenständigen Solarindustrie in Deutschland und anderen EU-Ländern auf die Beine zu helfen, ohne die chinesischen Importe durch Antidumping-Zölle zu verteuern und so direkt zu behindern. Vielmehr hätte ein eleganter Marktmechanismus dafür gesorgt, dass die teure Subventionierung des Solarstroms hauptsächlich dem Wiederaufbau einer starken und vom EU-Ausland unabhängigen Solarindustrie zugute gekommen wäre, anstatt in China den weiteren Ausbau von Kapazitäten zu stimulieren.

Der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck war dann auch bereit, einen solchen Resilienzbonus nachträglich im Solarpaket zu verankern, das vom Kabinett im August 2023 beschlossen wurde (230802), dann aber aufgrund von koalitionsinternen Streitigkeiten nach der ersten Lesung im Bundestag nicht weiter vorangekommen war und deshalb erst am 26. April 2024 endlich verabschiedet werden konnte (240402). Indessen weigerte sich die FDP in Gestalt ihres Vorsitzenden und Bundesfinanzministers Christin Lindner auch hier entschieden, einer solchen Regelung zuzustimmen, die von reinen Solar-Vermarktern abgelehnt wurde, weil sie eine Schmälerung ihrer Gewinne befürchteten. Um die bisher in den Verhandlungen mit der FDP erreichten Kompromisse nicht zu gefährden und die Verabschiedung des gesamten Solarpakets nicht länger zu verzögern, verzichteten Grüne und SPD deshalb auf den Resilienzbonus.

Auch in den USA zog sich Meyer Burger wieder zurück, statt zu expandieren

Für Meyer Burger war das wohl der Anfang vom endgültigen Ende. Wie angekündigt, stellte das Unternehmen nun im März 2024 die Produktion in Freiberg ein, während die Solarzellen-Fertigung in Bitterfeld-Wolfen vorerst aufrechterhalten blieb (240312). Die Bitterfelder Solarzellen wurden aber nicht zur weiteren Verarbeitung in die USA gebracht. Vielmehr wurde die dortige Modulfabrik im Mai dieses Jahres ebenfalls geschlossen, anstatt erweitert zu werden. Die ursprünglichen Pläne zur Errichtung einer Solarzellen-Fertigung an einem anderen US-Standort wurden ebenfalls nicht weiter verfolgt. Die in den USA aus dem Inflation Reduction Act (IRA) resultierenden Finanzierungsmöglichkeiten waren wohl doch nicht so rosig, wie sie der Vorstandsvorsitzende Gunter Erfurt im Juni 2023in einem Interview mit der Zeitschrift "Capital" geschildert hatte: "Die Amerikaner rollen uns gerade wirklich den roten Teppich aus. Es ist absolut beeindruckend, in welcher Geschwindigkeit man dort voran kommt, und auf welcher Ebene man sich um ein vergleichsweise kleines Unternehmen wie Meyer Burger kümmert."

Gunter Erfurt ist inzwischen Aufsichtsratsvorsitzender der Next2Sun AG

Der damals 43-jährige Gunter Erfurt war seit November 2015 Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Meyer Burger (Germany) GmbH. Er ist deutscher Staatsbürger und hat nach seiner Ausbildung zum Diplomingenieur an der Westsächsischen Hochschule Zwickau an der TU Bergakademie Freiberg in angewandter Physik promoviert. Als Vorstandvorsitzender der Meyer Burger Technology AG führte er den Gesamtkonzern, nachdem sich dieser 2020 vom Maschinenhersteller für Solarzellen und Solarmodule zum Produzenten von Zellen und Modulen gewandelt hatte. Nachdem das von ihm verfolgte geschäftliche Konzept infolge des Widerstands der FDP gegen den von Habeck unterstützten Resilienzbonus gescheitert war, musste er im September vorigen Jahres mit dem Finanzvorstand Markus Niklas das schweizerische Unternehmen verlassen. Seit 18. August ist er Aufsichtsratsvorsitzender des auf vertikale bifaziale Photovoltaik ("Agri-PV") spezialisierten Unternehmens Next2Sun AG. Außerdem engagiert er sich weiterhin als Mitglied im Vorstand des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW) und anderen Gremien der Solarbranche sowie im wissenschaftlichen Beirat des Instituts für Solarenergieforschung Hameln (ISFH). Früher war er langjährig im Kuratorium des Fraunhofer ISE tätig.

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