Juli 2023

230706

ENERGIE-CHRONIK


AfD konnte Verabschiedung des Energieeffizienzgesetzes verhindern

Die rechtsextreme AfD konnte am 7. Juli im Bundestag die Verabschiedung des Energieeffizienzgesetzes verhindern, indem sie vor der Abstimmung beantragte, die Anzahl der anwesenden Abgeordneten überprüfen zu lassen. Nach der Geschäftsordnung des Parlaments müssen dessen Mitglieder mindestens zur Hälfte anwesend sein, damit das Plenum beschlussfähig wird. Aktuell entspricht dies 369 Abgeordneten. Die Zählung per "Hammelsprung" ergab aber nur 241 Abgeordnete. Entsprechend der Geschäftsordnung musste daraufhin die letzte Sitzung vor der Sommerpause vorzeitig abgebrochen werden. Das Energieeffizienzgesetz wird nun – ebenso wie das Gebäudeenergiegesetz, dessen Verabschiedung auf Antrag eines CDU-Abgeordneten am 5. Juli vom Bundesverfassungsgericht gestoppt wurde (230702) – , erst im September beschlossen werden können.

Das Störmanöver der Rechtsradikalen war vorhersehbar, da sie denselben Trick schon mehrfach angewendet haben und der letzte Sitzungstag vor der Sommerpause besonders zur Wiederholung einlädt, weil sich dann viele Abgeordnete trotz ihrer Präsenzpflicht schon in den Urlaub verabschiedet haben. Die Regierungskoalition muss sich vorhalten lassen, dem nicht vorgebeugt zu haben, zumal zunächst auch das Gebäudeenergiegesetz zur Verabschiedung auf der Tagesordnung stand. Mit ihrer Stimmenmehrheit hätte sie sowohl für die Beschlussfähigkeit des Parlaments als auch für die Verabschiedung beider Gesetze sorgen können.

Rechtsradikale nutzen den "Hammelsprung" gern, um den Bundestag als Hammelherde vorzuführen


Die Bezeichnung "Hammelsprung" bezieht sich nicht auf die Volksvertreter, sondern auf den Widder über der Tür, durch die einst die Reichstagsabgeordneten gingen, wenn sie mit "Ja" stimmten (Illustration aus einer Zeitschrift des Jahres 1895).

Der "Hammelsprung" ist ein in den §§ 45 und 51 der Geschäftsordnung des Bundestags vorgesehenes Verfahren, um bei Abstimmungen die Beschlussfähigkeit des Parlaments feststellen zu können, falls eine Fraktion oder ein Zwanzigstel aller Mitglieder dies ausdrücklich beantragt. Zur Überprüfung des Quorums verlassen dann alle anwesenden Abgeordneten den Saal, um durch drei Türen für "Ja", "Nein" und "Enthaltung" zurückzukehren.

Die Bezeichnung "Hammelsprung" für diese Art der Zählung ist nicht als Abwertung der daran teilnehmenden Volksvertreter zu verstehen. Sie taucht auch nicht in der Geschäftsordnung des Bundestags auf, wo lediglich von "Zählung der Stimmen" die Rede ist. Sie stammt vielmehr aus dem parlamentarischen Jargon und rührt daher, dass im alten Reichstagsgebäude über der "Ja"-Tür ein Motiv aus der griechischen Mythologie mit einem Widder angebracht war (siehe Illustration aus dem Jahr 1895).

Die Rechsradikalen nutzen indessen den Hammelsprung gerade wegen solcher negativen Assoziationen gern, um den Bundestag als Hammelherde vorzuführen und Sand ins normale parlamentarische Getriebe zu streuen. Zum Beispiel revanchierten sie sich schon Anfang 2018 auf diese Weise, nachdem ihr Kandidat für das Parlamentarische Kontrollgremium nicht gewählt worden war. Sie hatten auch Erfolg damit, weil das damals geltende Quorum von 355 Abgeordneten beim Hammelsprung verfehlt wurde und die Sitzung deshalb abgebrochen werden musste. Als sie gegen Ende desselben Jahres ihre Kandidatin für das Amt der Bundestagsvizepräsidentin nicht durchbringen konnten, zweifelten sie erneut die Beschlussfähigkeit des Parlaments an. Dabei halfen sie dem Ergebnis des Hammelsprungs noch kräftig nach, indem sie den Plenarsaal erst nach Beendigung der Auszählung wieder betraten. Es half aber nichts: Mit insgesamt 414 Stimmen wurde das Quorum auch ohne Teilnahme der AfD-Abgeordneten deutlich überschritten.

Bei der jetzigen Abstimmung über das Energieeffizienzgesetz hätte dagegen auch die vollzählige Teilnahme aller AfD-Abgeordneten am Ergebnis des Hammelsprungs und am daraus resultierenden Abbruch der Sitzung nichts geändert. Trotzdem scheint sich die AfD nicht sicher gewesen zu sein, ob es reichen würde, denn etliche ihrer Abgeordneten wollten dem Ergebnis wiederum nachhelfen, indem sie den Plenarsal erst nach Beendigung der Abstimmung durch eine Seitentür wieder betraten.

 

Links (intern)

zum Energieeffizienzgesetz

zur Obstruktionspolitik der AfD im Bundestag