Februar 2023

230205

ENERGIE-CHRONIK


Haushalte sollen TransnetBW beim Redispatch unterstützen

Der baden-württembergische Transportnetzbetreiber TransnetBW bietet seit 15. November eine App zum Herunterladen an, mit der es den Haushaltskunden möglich sein soll, zur Senkung der Redispatch-Kosten beizutragen, die bundesweit allein im ersten Halbjahr 2022 zehnmal so hoch waren wie im Vergleichszeitraum des Vorjahrs (221205). Anscheinend hat sich die EnBW-Tochter dabei von den Warn-Apps inspirieren lassen, mit denen der französische Netzbetreiber RTE schon seit Jahren seine spezifischen Netzprobleme in den Griff zu bekommen versucht (221109, 161108, 091202). Sie betont jedoch, dass es sich um keine Warn-App handele, die eine Gefahr signalisiere. Die Stromversorgung sei stets gesichert. Es handele sich vielmehr um das Angebot, durch Stromsparen zur Senkung der Netzregelungskosten beizutragen, die – so wird dezent angedeutet – über die Netzentgelte in die Stromrechnung eingehen und von den Verbrauchern bezahlt werden müssen.

Orange und Rot signalisieren "Verbrauch reduzieren"

Die App mit der Bezeichnung "StromGedacht" wurde bis Ende Januar rund 150.000 Mal heruntergeladen. Wenn sie den aktuellen Tag grün anzeigt, bedeutet das "Normalbetrieb – Du musst nichts weiter tun". Wird sie gelb, ist das die Empfehlung "Verbrauch vorverlegen – Strom jetzt nutzen". Orange und Rot signalisieren "Verbrauch reduzieren". Im ersten Fall wird diese Aufforderung ergänzt durch "Kosten und CO2 sparen", im zweiten durch "Strommangel verhindern".

Am 7. Dezember wechselte die Farbe erstmals auf Gelb und dann auf Rot. Das wiederholte sich am 15. Januar. Am 10. und am 24. Februar bliebe es dagegen bei Orange. Als Begründung wurde in der Regel ein "hohes Windaufkommen im Norden" in Verbindung mit Redispatch-Bedarf "im Ausland" genannt. Es ging also anscheinend darum, den Stromexporten nach Frankreich über die Hürden zu helfen, die in den beiden ersten Monaten dieses Jahres viermal höher waren als die Importe in der Gegenrichtung.

Es sind nicht die Kleinverbraucher, die das Netz überlasten

Nach Angaben von TransnetBW ließ sich bislang "kein signifikanter Effekt auf den Stromverbrauch" durch den Vertrieb der App feststellen. Das begrenzte Interesse der Kleinverbraucher könnte auch damit zu tun haben, dass die hohen Netzregelungskosten nicht durch den Strombedarf der Niederspannungskunden entstehen, sondern durch eine unzureichende Netzkonfiguration, die im Süden Deutschlands schon seit Jahren durch den Stromhandel und den Verbrauch der Industrie überfordet wird. Als Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine hat sich diese Problematik im vergangenen Jahr extrem verschärft, da die vielfach höheren Gaspreise auch den Einsatz von Gaskraftwerken vielfach verteuert haben und der Redispatch-Bedarf noch größer wurde. Hinzu kam die Verknüpfung des Strom-Großhandelspreises mit dem Gaspreis: Dieser fatale Börsenmechanismus hat die Stromrechnungen derart in die Höhe getrieben, dass die starke Verteuerung der Netzentgelte dagegen eher nebensächlich wirkt (siehe Hintergrund, Januar 2023).

Industrielle Großverbraucher können Möglichkeiten zur Lastreduzierung freiwillig anbieten

Wie die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW am 4. Januar mitteilten, haben sie in Abstimmung mit Industrie, Politik und Bundesnetzagentur "einen Mechanismus entwickelt, der es der Industrie ab sofort ermöglicht, zur Systemstabilität beizutragen". Und zwar sollen die industriellen Großverbraucher künftig melden können, welche Lastreduktionspotenziale sie freiwillig zur Verfügung stellen, um "mögliche kontrollierte Lastabschaltungen abzuwenden oder solche in ihrer Auswirkung möglichst klein zu halten". Der Vorteil für die teilnehmenden Großverbraucher bestehe darin, "dass sie drohende Abschaltungen besser antizipieren und ihre industriellen Prozesse darauf abstimmen können". Die Übertragungsnetzbetreiber haben auf ihren Internetseiten ein entsprechendes Meldeformular freigeschaltet.

Veranlasst wurde diese Aktion – wie auch das spezielle Experiment von TransnetBW mit der App – durch die zweite der beiden vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen "Sonderanalysen" bzw. "Netzstresstests", deren Ergebnisse die Übertragungsnetzbetreiber im März und im Juli vergangenen Jahres vorlegten (220906).

 

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