März 2020

200312

ENERGIE-CHRONIK


 


In diesem Schreiben teilen die "Regionalen Energiewerke" inmitten von allerlei Gesülze über "Servicequalität" dem Kunden beiläufig mit, dass sie seinen Grundpreis "von aktuell siebenundfünfzig Euro jährlich auf fünfunddreißig Euro monatlich anpassen". Das hört sich fast wie eine Senkung an, entspricht aber einer mehr als siebenfachen Erhöhung des monatlichen Grundpreises von 4,75 Euro auf 35 Euro.

Dubiose Stromanbieter werden immer dreister

Das SWR-Fernsehen berichtete am 3. März in seiner Sendung "Marktcheck" über einen besonders dreisten Stromanbieter, der sich "Regionale Energiewerke" nennt und seine Kunden über das Portal "Check24" akquiriert. Das Unternehmen ist seit Oktober 2016 im Handelsregister eingetragen. Als Sitz gibt es auf seiner Internetseite die Kaiserswerther Straße 215 in Düsseldorf an. Unter dieser Adresse ist es auch bei der Bundesnetzagentur als "Elektrizitätsversorgungsunternehmen" registriert. Der SWR-Reporter fand dort aber zur seiner Verblüffung keine derartige Firma. Auch unter einer anderen Adresse, die ihm auf telefonische Nachfrage genannt wurde, gab es die Regionale Energiewerke GmbH nicht. Auf seine nochmalige Frage "Wo sitzen Sie denn?" bekam er schließlich die Auskunft: "Das darf ich ihnen leider nicht sagen."

"Strompreissenkung" sollte von tausendfach höherer Belastung ablenken

Das Unternehmen hat wohl allen Grund, derart auf Tauchstation zu gehen, denn sein Geschäftsgebaren ist so unseriös, dass längst die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde hätte tätig werden müssen. "Man kann fast schon sagen, das ist kriminell", meinte ein Sprecher der Verbraucherzentrale Stuttgart zu dem in der Sendung geschilderten Fall einer Familie aus Karlsruhe, die unbedachterweise zu dem scheinbar günstigen Stromanbieter gewechselt war. Kurz vor Ablauf des ersten Vertragsjahrs bekam sie per E-Mail einen Text, der folgendermaßen beganni:

Wir haben heute eine sehr gute Nachricht für Sie: Ihr Strompreis (Arbeitspreis) wird aufgrund Ihre Treue und unserer Einkaufspolitik noch günstiger!

Arbeitspreis aktuell: 24,90 ct/kWh     neuer Arbeitspreis: 24,89 ct/kWh

Das zurzeit günstige Preisgefüge an den Strombörsen ermöglicht der Regionale EnergieWerke GmbH den vertrieblichen Teil des Energiepreises stabil zu behalten. Kombiniert mit einer guten Einkaufspolitik ergibt das für Sie als unseren Kunden einen geringeren Strompreis. Daraus ergibt sich: Die Regionale EnergieWerke GmbH kann aufgrund dieser Entwicklungen die ohnehin schon günstigen Strompreise noch weiter senken.

Diese Senkung des Arbeitspreises um 0,01 Cent pro Kilowattstunde hätte die jährliche Stromrechnung der Familie um etwa 35 Cent verringert. Bei einem Durchschnittsverbrauch von 3.500 Kilowattstunden hätte das eine Jahresrechnung von 938,11 Euro anstelle von 938,46 Euro ergeben. Die Ersparnis war also bedeutungslos. Sie diente auch lediglich als Tarnung für den eigentlichen Zweck des Textes, der weiter hinten – beiläufig und unter allerlei sprachlichem Müll versteckt – eine mehr als tausendfach höhere Belastung um jährlich 420 Euro ankündigte: Um die "Servicequalität weiterhin zu gewährleisten und zu verbessern", werde man den Grundpreis "von aktuell sechsundsechzig Komma sechsundneunzig Euro jährlich auf fünfunddreißig Euro monatlich anpassen" (siehe das ähnlich formulierte Kunden-Anschreiben in der Grafik).

Lieferant verfälschte nachträglich die fristgerecht ausgesprochene Kündigung

Die verwirrende Schreibweise der Geldbeträge sowie ihre zwischen Monat und Jahr wechselnde Berechnungsbasis diente ebenfalls nur der Täuschung. Der Karlsruher Stromkunde bemerkte die Fußangel aber dennoch und machte von seinem Recht auf Sonderkündigung Gebrauch. Scheinbar korrekt erhielt er daraufhin eine Bestätigung dieser Kündigung. Bei genauerem Hinsehen stellte sich allerdings heraus, dass der fristgemäße Kündigungstermin 31. 12. 2019 vom Lieferanten gefälscht und durch den 31.12.2020 ersetzt worden war. Der Kunde musste sich deshalb erneut zur Wehr setzen, um nicht zwangsweise doch noch ein volles Jahr mit dem überhöhten Preis belastet zu werden.

Strompreiserhöhungen werden als belanglose Werbung getarnt

Häufig verstecken unseriöse Stromanbieter die Ankündigung von Preiserhöhungen und den Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht in Mitteilungen, die wie Werbung aufgemacht sind. Die SWR-Sendung "Marktcheck" illustrierte diesen Trick am Beispiel eines Stromkunden aus Ludwigsburg, dem der Anbieter "Immergrün" ein so gestaltetes Schreiben geschickt hatte. Auf der ersten Seite enthielt es lediglich eine lustige Grafik mit Werbung für einen neuen Tarif. Erst auf der zweiten Seite fand sich die Mitteilung – sofern der Kunde das Papier nicht schon weggeworfen hatte – , dass die Stromrechung um zwanzig Euro steigen werde.

Die Firma Immergrün ist eine Gesellschaft der einschlägig bekannten 365 AG, die auch unter den Marken almado, idealenergie und MeisterStrom auftritt. Sie wurde voriges Jahr von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg erfolgreich verklagt, weil sie ihren Kunden versprochene Boni nicht ausbezahlte, die vorgesehenen Widerrufsformulare vorenthielt und sogar eine ordnungsgemäß ausgesprochene Kündigung mit der Behauptung zurückwies, dass sie nicht frist- und formgerecht erfolgt sei.

 

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