Januar 2020

200114

ENERGIE-CHRONIK


Gläubiger der "Bayerischen Energieversorgungsgesellschaft" schauen in die Röhre

Die Gläubiger des insolventen Stromanbieters "Bayerische Energieversorgungsgesellschaft" (BEV) müssen voraussichtlich 95 Prozent ihrer Forderungen in den Wind schreiben. Dies teilte der Insolvenzverwalter Axel Bierbach am 16. Januar nach der ersten Gläubigerversammlung in München mit, zu der "nur ein knappes Dutzend der insgesamt mehr als 300.000 Kunden-Gläubiger" erschienen seien. Insgesamt lägen Forderungen von 261 Millionen Euro vor. Davon entfalle fast die Hälfte auf Großgläubiger wie die Stromnetzbetreiber Amprion und Tennet. Demgegenüber seien die voraussichtlichen Verwertungserlöse lediglich mit 22 Millionen Euro zu veranschlagen. Die Insolvenzquote liege damit unter fünf Prozent. Die Abwicklung werde noch mindestens zwei Jahre dauern.

BEV verschleierte die hohen Verluste mit angeblich werthaltigen Forderungen

Die BEV hatte vor einem Jahr Insolvenz angemeldet, nachdem die Bundesnetzagentur ein Aufsichtsverfahren wegen der Gauner-Methoden einleitete, mit denen sie ihre Finanzprobleme zu Lasten der Kunden zu lösen versuchte (190104). Nach Angaben des Insolvenzverwalters verfolgte sie eine auf Wachstum und auf den bestmöglichen Verkauf des Unternehmens gerichtete Strategie, die aber letztendlich gescheitert sei und zu einer Überschuldung von 185 Millionen Euro geführt habe. Ihre Verluste habe sie relativ lange verschleiern können, indem sie diese mit Forderungen gegen die in der Schweiz angesiedelte Muttergesellschaft Genie Holding AG und andere zum Konzern gehörende Unternehmen verrechnete, die aber Luftnummern bzw. "nicht werthaltig" waren. Ein unabhängiger Gutachter prüfe derzeit, ob sie möglicherweise schon im Sommer 2018 zahlungsunfähig und überschuldet war. Den Verantwortlichen könnte somit noch ein Verfahren wegen Insolvenzverschleppung drohen.

Kundenfang mit Boni erfolgte zu 96 Prozent über die Portale Verivox und Check24

Die BEV war seit 2014 als bundesweiter Strom- und Gasanbieter tätig. Nach Angaben des Insolvenzverwalters akquirierte sie ihre Kunden zu 96 Prozent über die beiden Vergleichsportale Verivox und Check24. Die Preise wurden dabei durch Boni so aufgehübscht, dass sie auf die vordersten Plätze der Vergleichslisten gelangte. Der damit erzielte Erfolg belastete sie indessen gleich doppelt durch die zu zahlenden Boni und die hohen Provisionen, die von den Vergleichsportalen für die Vermittlung der Kunden kassiert wurden. Nachdem in der zweiten Jahreshälfte 2018 mehrere Versuche zu einer Kreditaufnahme bei Banken und zu einem Verkauf des maroden Unternehmens gescheitert waren, konnte die BEV auch die hohen Provisionszahlungen an die Vergleichsportale nicht mehr aufbringen und verzichtete auf deren Dienste. Auch den versprochenen Sofortbonus, der den Kunden im Falle einer 60-tägigen Belieferung zugesagt wurde, zahlte das Unternehmen ab Anfang Dezember 2018 nicht mehr aus, wodurch bis Jahresende Rückstände in Höhe von knapp 1,13 Millionen Euro aufliefen. Stattdessen verlangte die BEV von ihren Kunden Preiserhöhungen um 30 bis 40 Prozent, um wieder einigermaßen flüssig zu werden. Diese Milchmädchenrechnung mit der Dummheit der Kunden ging indessen nicht auf, sondern hatte allein im Dezember 2018 rund 300.000 Kündigungen zur Folge. Das Unternehmen war also längst pleite, als die Bundesnetzagentur wegen des rabiaten Umgangs mit den Kunden eingriff und damit die Insolvenzanmeldung auslöste.

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