Januar 2019

190105

ENERGIE-CHRONIK


"Deutsche Energie" ist pleite – neue Chance für Stadtwerke Erfurt

Die im Januar 2015 gegründete DEG Deutsche Energie GmbH hat den Jahreswechsel nicht überlebt: Am 9. Januar eröffnete das Amtsgericht Heilbronn das reguläre Insolvenzverfahren. Zuvor hatte die Firma einen Ende Dezember gestellten Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung wieder zurückgezogen. Nach eigenen Angaben belieferte sie fast 50.000 Kunden mit Strom und Erdgas und beschäftigte an fünf Standorten in Deutschland annähernd 100 Mitarbeiter in den Bereichen Energieversorgung, Verkehr und Dienstleistungen, die 2018 einen Umsatz von 800 Millionen Euro erwirtschafteten. Zu den Großkunden zählten der Deutsche Bundestag, die Elbphilharmonie Hamburg und seit kurzem auch die Stadtverwaltung Erfurt.

Angeblich sind die "Monopole in der Energiewirtschaft" schuld

Unter der Überschrift "Deutsche Energie verliert Kampf gegen Monopole in der Energiewirtschaft" hatte das Unternehmen kurz vor Weihnachten auf seiner Internet-Seite mitgeteilt, dass ihm der Übertragungsnetzbetreiber TenneT den Bilanzkreis gekündigt habe. Diese Kündigung sei aus seiner Sicht "völlig unnötig, da dadurch ein beachtlicher wirtschaftlicher Schaden für Kunden, Netzbetreiber, Mitarbeiter, Vertriebspartner und für den gesamten Energiemarkt Deutschlands entsteht". Man sehe sich nun gezwungen, den Geschäftsbetrieb sowohl bei Strom als auch bei Gas noch vor Weihnachten einzustellen und die Haushaltskunden (SLP) in die Ersatzversorgung zu entlassen. Den leistungsgemessenen Gewerbekunden (RLM), die nicht unter die gesetzlich geregelte Ersatzversorgung fallen, wurde die unverzügliche Kontaktaufnahme mit einem anderen Energieversorger empfohlen.

TenneT kündigte den Bilanzkreisvertrag, weil die EEG-Umlage nicht abgeführt wurde

TenneT hatte freilich gute Gründe für die Kündigung des Bilanzkreises. Wie der Netzbetreiber auf Anfrage bestätigte, hat er den Vertrag am 20. Dezember mit Wirkung zum Ende des folgenden Tags gekündigt, weil das Unternehmen die EEG-Umlage schuldig geblieben war: "Die letzte Zahlungsfrist war am 18. Dezember 2018 trotz mehrfacher Hinweise auf das bestehende Kündigungsrecht abgelaufen, ohne dass eine Zahlung erfolgt war. Mit der Kündigung des Bilanzkreisvertrags hat TenneT die gesetzlichen Rechte genutzt und Schaden zu Lasten der Verbraucher abgewendet, indem verhindert wurde, dass die Schulden zu Lasten des EEG-Kontos immer größer werden."

Die genaue Höhe der ausstehenden Forderungen wollte TenneT nicht mitteilen, "da wir vertragliche Angelegenheiten mit Dritten nicht kommentieren können". Nach § 60 Abs. 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dürfen die Übertragungsnetzbetreiber den Bilanzkreisvertrag bei Zahlungsrückständen von mehr als einer Abschlagsforderung kündigen, wenn die Zahlung trotz Mahnung und Androhung der Kündigung nicht binnen drei Wochen vollständig erfolgt ist. Die fristlose Kündigung kam also nicht überraschend, sondern hatte einen Vorlauf von mindestens drei Wochen.

Netzbetreiber haben aus Erfahrungen mit Care-Energy gelernt

Die Kündigung war auch angebracht, weil sich die vier Übertragungsnetzbetreiber in der Vergangenheit in solchen Fällen viel zu viel Zeit gelassen haben. In Verbindung mit einem schwerfälligen Reagieren der Bundesnetzagentur und der Ausnutzung aller möglichen juristischen Verzögerungstricks gelang so dem Stromvertrieb Care-Energy sein großartiges Gaunerstück mit der Hinterziehung der EEG-Umlage, um den Strom günstiger als die Konkurrenten anbieten zu können. Den Schaden musste die Gesamtheit der Stromverbraucher bezahlen: Als die Care-Energy-Firmen endlich Insolvenz anmeldeten, konnte von den rund 100 Millionen Euro Schulden aus der nicht abgeführten EEG-Umlage kein einziger Cent mehr beigetrieben werden (171005).

Erfurt ließ sich durch Dumping blenden und benachteiligte seine eigenen Stadtwerke

Ein Stromanbieter muss die EEG-Umlage in jedem Fall einkalkulieren. Deshalb scheinen auch bei der DEG nicht alle Preise, mit denen sie ihre Konkurrenten ausstach, seriös kalkuliert worden zu sein. Zum Beispiel war es ihr im Juli vergangenen Jahres gelungen, den 17-Millionen-Auftrag für die Strom- und Gasversorgung aller Einrichtungen der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt zu erlangen. Dazu zählten Schulen und Kindergärten, Straßenlaternen oder Eigenbetriebe wie Zoo, Sportbetrieb und Arena. Das Nachsehen hatten die Stadtwerke Erfurt, obwohl sich diese mit einem Gebot zum Selbstkostenpreis an der Ausschreibung beteiligten, welches das zweitgünstigste war.

Dass der städtische Finanzausschuß der DEG statt den eigenen Stadtwerken den Zuschlag erteilte, stieß schon damals auf viel Kritik. Argwohn erregte, dass das Angebot unter dem aktuellen Börsenpreis lag. Beanstandet wurde ferner, dass die Ausschreibung lediglich auf den Preis zugeschnitten worden war, ohne andere Kriterien zu berücksichtigen, bei denen die Stadtwerke weit besser abgeschnitten hätten. Außerdem entstanden zusätzliche Kosten durch die Hinzuziehung eines externen Beraters, wobei nicht so recht klar war, worin dessen Leistungen bestanden haben sollen.

Bei der Neuausschreibung dürfte nun doch die SWE Energie den Zuschlag bekommen

Die Belieferung der thüringischen Landeshauptstadt durch die DEG sollte zum 1. Januar 2019 beginnen. Wegen der Pleite kam es erst gar nicht dazu. Die Stromversorgung der städtischen Einrichtungen verblieb weiterhin bei den Stadtwerken Erfurt, die nun aber als zuständiger Grundversorger die relativ teure Ersatzversorgung übernahmen. Die Stadtwerke-Energietochter SWE Energie GmbH will indessen ihrer Eigentümerin entgegenkommen und ihr einen Interimsvertrag mit einer Laufzeit von sechs Monaten anbieten. Darin werden günstigere Preise vereinbart, bis ein neuer Lieferant den Zuschlag erhält. Bei der nun anstehenden Neuausschreibung wird der größte städtische Stromversorger Thüringens wohl gute Chancen haben, nicht ein weiteres Mal von seinem Eigentümer links liegen gelassen zu werden.

DEG-Eigentümer Raith verkaufte 2011 den Stromvertrieb Envacom an Gazprom

Die Deutsche Energie GmbH entstand Anfang 2015 aus der Umfirmierung der seit 2011 bestehenden envitra Energie GmbH, vor deren "Klimatarif" 2013 die Stiftung Warentest warnte, weil das Unternehmen nicht mal die sonst übliche Augenwischerei mit RECS-Zertifikaten für notwendig gehalten hatte (siehe Hintergrund, Dezember 2013). Geschäftsführer und Eigentümer ist der 37-jährige Tillmann Raith, der schon diverse Unternehmen gegründet bzw. wieder aufgegeben hat. Der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen fiel dabei die Musicstar GmbH auf, die zu Werbezwecken Gutscheine für kostenlose Musik-Downloads verbreitete, bei deren Einlösung den Verbrauchern ein kostenpflichtiges Abo unterschoben worden sei. Vor dem Internet-by-Call-Anbieter Callando warnte 2007 die Verbraucherzentrale Sachsen, weil er die Kunden mit Tariftäuschung abzocken würde. Vor vier Jahren beteiligte sich Raith an dem kleinen Fernbusunternehmen "MeinBus.de", das bereits Insolvenz angemeldet hatte. Seinen bisher größten geschäftlichen Erfolg erzielte er im November 2011, als ihm die russische Gazprom das Stromgeschäft der in Walluf bei Wiesbaden ansässigen Envacom Service GmbH abkaufte, um daraus die "Gazprom Marketing and Trading Retail Germania GmbH" zu machen (111102).

Gazprom gibt weiter viel Geld für Image-Pflege aus

Der russische Gasmonopolist wollte damals in den deutschen Strommarkt einsteigen und dabei die Belieferung von Gaskraftwerken als Hebel nutzen (120403). Infolge der zunehmenden Verschärfung der politischen Großwetterlage zerschlugen sich diese Pläne. Mit Blick auf den umstrittenen Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 poliert Gazprom aber weiterhin an seinem Image bei einer weitgehend unpolitischen Öffentlichkeit. Neben der russischen Propaganda-Agentur "RT Deutsch", die via Internet agiert, sind dabei die Fußballer von Schalke 04 behilflich, die schon seit Jahren als Reklameträger für Gazprom über den grünen Rasen hetzen (061011). Der 2006 unterzeichnete Sponsoring-Vertrag mit dem Fußballverein, der 2017 ausgelaufen wäre, wurde 2016 vorzeitig um weitere fünf Jahre verlängert. Die Fußballer werden deshalb noch bis Ende Juni 2022 für die wichtigste Geldquelle des Kreml Reklame machen.

 

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