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(Aus: Udo Leuschner, „Kurzschluß - wie unsere Stromversorgung teurer und schlechter wurde“, S. 223 - 231)

 

 

Der Chef der Mannheimer MVV, Roland Hartung, zieht zum Auftakt des Kongresses „Energie Innovativ 2002“ in Nürnberg eine Zwischenbilanz des seit fünf Jahren liberalisierten Energiemarktes. Ein paar Monate zuvor ist er zum „Energiemanager des Jahres 2001“ gekürt worden.

Auslaufmodell Parteienwirtschaft

Am längsten konnte sich der politische Nepotismus auf kommunaler Ebene behaupten

Zu den weniger schönen Seiten der alten Stromlandschaft gehörte die Parteienwirtschaft. Fast alle Stromversorger befanden sich ganz oder teilweise im Besitz der öffentlichen Hand. Nur etwa drei Prozent der Stromabgabe kamen von privaten Unternehmen. Der Rest stammte zu ungefähr zwei Dritteln von „gemischtwirtschaftlichen“ Unternehmen und zu einem Drittel von Versorgern der öffentlichen Hand. Als „gemischtwirtschaftliche“ Unternehmen bezeichnete man solche, an denen Private mit weniger als 75 Prozent beteiligt waren. Von Unternehmen der öffentlichen Hand sprach man in der Terminologie der Stromwirtschaft erst, wenn diese mehr als 95 Prozent der Anteile besaß.

Es versteht sich, daß die Stadtwerke, die bis in die achtziger Jahre meistens noch Eigenbetriebe ohne formal privatrechtlichen Status waren, dem direkten politischen Einfluß der Rathäuser und Stadtratsparteien unterlagen. Das galt aber auch für die Regionalversorger, die in der Regel – soweit sie nicht Kommunen oder Ländern gehörten – Töchter der Verbundunternehmen waren. Und diese Verbundunternehmen – in der alten Bundesrepublik insgesamt acht – waren ausschließlich gemischwirtschaftliche Unternehmen mit dominierendem Einfluß der öffentlichen Hand: Bei der Energieversorgung Schwaben (EVS), den Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen (VEW), den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW) und der Berliner Bewag hatten die beteiligten Kommunen das Sagen, beim RWE verfügten die Kommunen mit einem Stimmenblock von 47,6 Prozent ebenfalls über den bestimmenden Einfluß, beim Badenwerk und beim Bayernwerk befand sich die Aktienmehrheit im Besitz der Länder Baden-Württemberg und Bayern, und an der PreussenElektra war bis zur Privatisierung der Veba sogar der Bund – zuletzt noch mit dreißig Prozent – maßgeblich beteiligt.

Die zunehmende Privatisierung der Stromversorger bewirkte auch einen Rückgang des parteipolitischen Nepotismus. An seine Stelle trat das auf „Shareholder value“ getrimmte Unternehmen, dessen Manager in erster Linie danach ausgewählt wurden, ob sie sich auf die Profitmaximierung verstanden. Vor allem auf kommunaler Ebene blieb aber die öffentliche Hand vielfach der Mehrheitseigentümer, was über eine entsprechende Besetzung der Aufsichtsgremien auf die Personalpolitik durchschlug.

Lokaler CDU-Matador wird „Energiepolitiker des Jahres“ – doch der Glanz verblaßt schnell

Als Beispiel für parteipolitischen Filz bei der Besetzung eines Chefpostens auf kommunaler Ebene kann die Mannheimer MVV Energie AG dienen: Den Hintergrund bildete, daß der Fraktionsvorsitzende der CDU im Gemeinderat, Roland Hartung, in den Jahren 1972, 1980 und 1983 dreimal vergebens für den Posten des Oberbürgermeisters kandidiert hatte. Es gelang der CDU einfach nicht, der SPD diesen Posten abzujagen. Zuletzt unterlag Hartung dem heutigen Amtsinhaber und VKU-Präsidenten Gerhard Widder. Daraufhin einigten sich die Gemeinderatsparteien, Hartung mit dem Posten des MVV-Chefs abzufinden. Für den CDU-Matador war das ein ansehnliches Trostpflaster, und für die SPD bedeutete es die endgültige Ausschaltung eines lästigen Rivalen. So wurde Hartung 1994 Sprecher der Geschäftsführung der MVV GmbH. Als dann 1998 der Gemeinderat beschloß, den Energiebereich aus der MVV herauszulösen und teilweise zu privatisieren, wurde er zudem Sprecher des Vorstandes der neugegründeten MVV Energie AG, die seit März 1999 an der Börse notiert wurde.

Als Chef des einzigen börsennotierten kommunalen Energieversorgers entfaltete Hartung eine rege Aktivität. Zum Beispiel übernahmen die MVV die Stadtwerke Offenbach, beteiligten sich an den Stadtwerken Solingen, Ingolstadt und Meißen, engagierten sich in der Fernwärmeversorgung von Stettin, forcierten ein sogenanntes „Powerline“-Projekt zur Nutzung der Stromleitung für die Übertragung von Daten, starteten ein eigenes Internet-Portal für den Energiemarkt und und eröffneten zur Vertretung ihrer Interessen ein Hauptstadtbüro in Berlin. Noch wenige Tage vor seiner Pensionierung unterzeichnete Hartung im September 2003 eine Vereinbarung über die Errichtung von 230 Windkraftanlagen in Spanien, vollführte den ersten Spatenstich für eine neue Müllverbrennungsanlage in Leuna und nahm das erste von drei geplanten Biomasse-Kraftwerken der MVV in Betrieb.

Der umtriebige Hartung wurde deshalb zum „Energiemanager des Jahres 2001“ gewählt. Die Jury würdigte damit „das erfolgreiche Wettbewerbsmodell, mit dem Hartung das ehemalige Stadtwerk in knapp drei Jahren zu einer international agierenden Multi Utility AG umgebaut hat“. Der Wettbewerb war von der Unternehmensberatung Accenture und der Zeitschrift „Energie & Management“ ausgeschrieben worden. Zur Jury gehörten neben Accenture-Geschäftsführer Rolf Schulz und „Energie & Management“-Chefredakteur Helmut Sendner auch Peter Hennicke (Präsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie), Ingrid Hielle (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Stephan Kohler (Geschäftsführer der Deutschen Energieagentur Berlin), Dieter Schmitt (Leiter des Fachbereichs Energiewirtschaft der Universität Essen) und Jürgen Schürmann (Handelsblatt). Die Schirmherrschaft hatte der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, übernommen.

Der Nachfolger demontiert seinen Vorgänger

Im Februar 2003 wählte dann der Aufsichtsrat der MVV den früheren Bewag-Finanzvorstand Rudolf Schulten zum Nachfolger Hartungs, der zum 1. Oktober in den Ruhestand gehen sollte. Auch hier spielten parteipolitische Präferenzen die entscheidende Rolle. Schulten erhielt nämlich die Stimmen der SPD, die damit deutlich machte, daß der Chefsessel der MVV kein Erbhof der CDU werden sollte. Der Mitbewerber Karl-Heinz Trautmann, der die MVV-Tochter Energieversorgung Offenbach (EVO) leitete, galt dagegen als Favorit der CDU. Immerhin durfte der unterlegene Trautmann nun im erweiterten MVV-Vorstand das Marketing- und Vertriebsressort übernehmen.

Noch bevor der frischgewählte Schulten sein Amt antrat, begann die Demontage Hartungs, der sich eben noch im Glanz des „Energiemanagers des Jahres 2001“ sonnen durfte. Der Nachfolger hatte sich offenbar die Geschäftspapiere angesehen. Aber schon zum Zeitpunkt der Preisverleihung hätte die aus hochangesehenen Fachleuten bestehende Jury den Unternehmenszahlen leicht entnehmen können, daß Hartungs expansive Geschäftspolitik mit großen finanziellen Belastungen einherging und die neuen Geschäftsfelder nicht unbedingt rentabel waren. Es war auch kein Geheimnis, daß die MVV-Aktie nach dem erfolgreich abgeschlossenen Börsengang nicht vom Fleck kam, sondern um den Ausgabekurs von 16 Euro pendelte.

„Kommunale Kabale spielte stets eine wichtige Rolle “

Der Glanz des „Energiemanager des Jahres 2001“ währte deshalb nur kurz. Bereits vor der Pensionierung Hartungs schrieb die „Frankfurter Allgemeine“ – die mit einem ihrer Redaktionsmitglieder in der Jury vertreten gewesen war – im Juli 2005:

„Hartung, ehemals CDU-Kommunalpolitiker, sonnte sich in der Rolle des weitgereisten Managers. Im Geschäftsbericht grüßte er lächelnd an der Seite des Weltbank-Präsidenten. Die Mehrheit an der MVV hält die Stadt Mannheim mit einem SPD-Oberbürgermeister. Kommunale Kabale spielte stets eine wichtige Rolle bei der MVV, vor allem bei den Politikern im Aufsichtsrat. Derzeit macht Hartung hinter den Kulissen Stimmung gegen seinen Nachfolger Rudolf Schulten, der bereits einen Teil der Altlasten öffentlich gemacht hat. Es scheint, daß verletzte Eitelkeiten dabei wichtiger sind als tatsächliche ökonomische Gegebenheiten.“

Als Schulten sein Amt offiziell übernahm, überraschte es nicht mehr, daß er an der Geschäftspolitik seines Vorgängers kaum ein gutes Haar ließ. Hartung hatte mit seinen Beteiligungskäufen mehr als eine Milliarde Euro Schulden angehäuft. Dividende und Gewinne waren dagegen weitgehend aus dem Verkauf von „Tafelsilber“ wie den einträglichen Beteiligungen an der Gasversorgung Süddeutschland (GVS) und der Energie Baden-Württemberg (EnBW) bestritten worden. Insgesamt veranschlagte der neue Chef die Kosten der „Aufräumungsarbeiten“ bei den MVV auf etwa hundert Millionen Euro. Der Kurs der MVV-Aktie dümpelte nun nicht mehr bei 16 Euro vor sich hin, sondern sank auf 12 Euro.

Schon bei den Vorgänger-Unternehmen der neuen EnBW besaßen die Chefs das CDU-Parteibuch

Parteipolitischer Filz herrschte ebenso bei Verbundunternehmen. Besonders einseitig war er dort, wo die mehrheitliche Landesbeteiligung am Stromversorger über viele Jahre hinweg von derselben Regierungspartei verwaltet wurde, wie dies in Baden-Württemberg und Bayern mit CDU und CSU und in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin mit der SPD der Fall war. Er verschwand auch nicht sofort und gänzlich, nachdem die Länder sich von ihren Strom-Aktien getrennt hatten.

Als Beispiel soll hier die Energie Baden-Württemberg (EnBW) dienen, die 1997 aus der Verschmelzung von Energie-Versorgung Schwaben (EVS) und Badenwerk (BW) entstand. Auch die beiden Vorgänger waren Verbundunternehmen. Zugleich lieferten sie den Strom in weiten Teilen ihres Arbeitsgebiets direkt bis zu den Endkunden. Beide gehörten der öffentlichen Hand. Bei der EVS waren dies kommunale Anteilseigner und beim Badenwerk das Land. Da die CDU sowohl auf der kommunalen Ebene als auch im Landesparlament über satte Mehrheiten verfügte, war die öffentliche Hand bei beiden Unternehmen traditionell schwarz gefärbt.

Dies zeigte sich etwa darin, daß die Chefs der beiden Vorgänger-Unternehmen nicht nur das Parteibuch der CDU besaßen, sondern als aktive Politiker der Partei zu ihren Posten gekommen waren. Der EVS-Vorstandsvorsitzende Wilfried Steuer bewährte sich als Landrat, bevor er 1992 das Steuer des schwäbischen Stromversorgers übernehmen durfte. Der Badenwerk-Chef Gerhard Goll amtierte jahrelang in Stuttgart als Ministerialrat und Regierungssprecher, bevor ihm 1993 das Badenwerk übertragen wurde.

Beide regierten nach Gutsherrenart. So versprach Steuer dem Schriftsteller Ernst Jünger, ihm zum hundertsten Geburtstag am 29. März 1995 einen Trupp der EVS vorbeizuschicken, der den Stromzähler abmontieren werde. „Dann leben Sie stromkostenfrei.“ Diese Huldigung für einen politisch umstrittenen Schriftsteller kam in Teilen der Öffentlichkeit nicht gut an. Der Vorstand der EVS versagte der neo-feudalen Geste seines Vorsitzenden die Zustimmung. Die sparsamen Schwaben wollten wohl vor allem einen Präzedenzfall vermeiden, der mit der Gleichbehandlung aller Tarifkunden nicht zu vereinbaren war. Steuer mußte jedenfalls den Stromzähler hängen lassen und die Kostenbefreiung für Jünger bis zu dessen Tod aus eigener Tasche bezahlen.

Statt Steuer wird Goll Vorstandsvorsitzender der EnBW

Eigentlich sollte Steuer der erste Chef des neuen Unternehmens aus EVS und Badenwerk werden. Die Fusion kam indessen nicht schnell genug voran, um ihm noch rechtzeitig vor Erreichen des Pensionsalters den neuen Posten übertragen zu können. So übernahm der jüngere Gerhard Goll vom Badenwerk 1997 den Vorstandsvorsitz der neuen Energie Baden-Württemberg.

Der schnauzbärtige Gerhard Goll galt in der Strombranche als ein recht schwieriger Mensch, um nicht zu sagen Kauz. Er hatte sichtlich den Ehrgeiz, nun auch als Manager zu glänzen und die EnBW über das angestammte Versorgungsgebiet hinaus in der ersten Liga der Stromwirtschaft spielen zu lassen. Er konnte dabei auf den Beistand des französischen Staatsmonopolisten Electricité de France (EDF) zählen, der schon das Badenwerk mit günstigem Atomstrom aus Frankreich belieferte und seit Anfang 2000 als größter privater Aktionär den bestimmenden Einfluß bei der EnBW ausübte. Zugleich schien er aber zu übersehen, daß die enge Anlehnung an die EDF auch eine Belastung bedeutete und eine wirklich eigenständige Unternehmenspolitik der EnBW gar nicht zuließ.

Seine neue unternehmerische Kompetenz unterstrich Goll, indem er sich in einem Kleinbus chauffieren ließ, der als Büro eingerichtet war. Im Grunde blieb er jedoch wie der bereits beschriebene MVV-Chef Hartung ein Politiker, der erst von diesem Sprungbrett aus in die Welt der Wirtschaft gelangt war und deshalb dort nie so recht heimisch wurde.

 

 

Im Februar 2002 wurde die EnBW offizieller Förderer der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Hier geben Gerhard Goll als Vorstandsvorsitzender der EnBW und Franz Beckenbauer als Präsident des Organisationskomitees Deutschland die Zusammenarbeit bekannt. Vier Jahre später verschickte Golls Nachfolger Claassen an Politiker Freikarten für die Fußball-WM im Wert von jeweils über 2000 Euro, was bei der Staatsanwaltschaft den Verdacht der Vorteilsgewährung weckte.

EnBW-Pressebild

Jeder neue Kunde vermehrt das Defizit von „Yello“

Golls teuerste Fehlentscheidung war 1999 die Gründung der Stromvertriebsfirma „Yello“, mit der die EnBW seitdem bundesweit um Haushaltskunden warb. Tatsächlich versetzte er damit zunächst die ganze Branche in Panik. Zugleich provozierte er aber auch entschlossene Abwehrbemühungen. Als wirksamste Waffe der Konkurrenten erwiesen sich die überhöhten Netznutzungsentgelte, die den anfänglichen Wettbewerb bald erlahmen ließen. Um attraktiv zu bleiben, mußte „Yello“ den Strom zu Preisen anbieten, die die eigenen Kosten einschließlich der Netznutzungsentgelte nicht abdeckten.

Die durchaus erfolgreiche Werbekampagne für „Yello“ – Goll hatte sie einer Agentur übertragen, die sich bereits als Wahlkampfhelfer der CDU bewährt hatte – wurde dadurch für die EnBW zum Rohrkrepierer: Jeder neue Kunde vermehrte nur das Defizit. Als Goll 2003 in Pension ging, war die EnBW durch ihre Stromvertriebstochter mit rund 500 Millionen Euro belastet. Um die Verluste in Grenzen zu halten, ersetzte „Yello“ die bundesweit gültigen Preise durch lokale Angebote, die nach Postleitzahlen aufgefächert waren und nur geringfügig unter den jeweiligen Preisen der örtlichen Stromversorger lagen.

Einstieg bei Salamander, mißglückter Ausflug nach Spanien und jahrelanges Desaster mit „Thermoselect“

Weitere teure Fehlentscheidungen Golls waren verschiedene Beteiligungen an Unternehmen, die den Preis nicht wert waren oder nicht zur EnBW paßten. So wurde die EnBW schon kurz nach seinem Amtsantritt Großaktionär bei Salamander und erwarb zwei Jahre später sogar die Mehrheit an dem Schuhunternehmen. Zudem stieg sie in die Dienstleistungsbranche ein. Nach dem Verkauf der Landesanteile an die EDF beteiligte sich die EnBW am spanischen Stromversorger Hidrocantabrico – ein genauso teures wie sinnloses Abenteuer, das allgemein die Vermutung nährte, die EnBW fungiere als Strohmann ihres Großaktionärs EDF. Ein Riesenverlust entstand ferner durch das Projekt einer neuartigen Müllverbrennungsanlage nach dem „Thermoselect“-Verfahren, das bereits 1995 vom Badenwerk unter Goll gestartet worden war. Die Anlage funktionierte nie richtig und mußte schließlich mit 400 Millionen Euro Verlust stillgelegt werden.

Posten für Parteifreunde

Bei alldem vergaß Goll nicht, wem er sein Amt verdankte, und protegierte seinerseits CDU-Mitglieder in gehobenen Positionen bei der EnBW: So beauftragte er den CDU-Landtagsabgeordneten Dietrich Birk mit der Lobbyarbeit für die EnBW in Berlin und Brüssel. Die einstige Fraktionsvizechefin Ingrid Blank wurde bei der EnBW Projektleiterin für Veranstaltungsmanagement und anschließend Protokollchefin. Der ehemalige Abgeordnete Dirk Ommeln kam als Pressesprecher bei der EnBW-Vertriebsgesellschaft unter, nachdem er nicht mehr aufgestellt worden war. Als der Umwelt- und Verkehrsminister Hermann Schaufler wegen Untreue rechtskräftig verurteilt wurde und deshalb sein Ministeramt abgeben mußte, stellte ihn Goll als Berater für die EnBW ein.

Diese „schwarze“ Schlagseite der Personalpolitik wurde natürlich diskret behandelt. Gern ließ Goll dagegen die Geschichte verbreiten, wie der Chef der Stromvertriebstochter „Yello“, Michael Zerr, zu seinem Posten gekommen war: Durch kräftigen Widerspruch gegen die alte, lahme Gangart bei der EnBW. Gerade vor dem Hintergrund der immer noch vorhandenen Parteibuchwirtschaft waren solche Jungdynamiker als Aushängeschild willkommen.

„Da hab’ ich ihm eins auf die Nuß gegeben“

Wer nicht im Sinne Golls spurte, konnte allerdings auch schnell seinen Posten verlieren: So zwang er gleich zwei Vorstände zum Rücktritt, als im Herbst 2001 sicherheitstechnische Pannen im Kernkraftwerk Philippsburg bekannt wurden. Als sich sein Pressesprecher Klaus Wertel nach Kräften bemühte, sicherheitstechnische Versäumnisse der EnBW zu bestreiten, war ihm dies auch nicht recht: Bei einer Anhörung vor dem Atomausschuß des Stuttgarter Landtags sprach Goll von einer „saublöden Erklärung“, die Wertel ohne sein Wissen zu den Vorgängen in Philippsburg herausgegeben habe, und fügte hinzu: „Da hab’ ich ihm eins auf die Nuß gegeben.“ Es blieb nicht dabei: Anfang 2003 schickte Goll seinen glücklosen Pressesprecher in den Vorruhestand.

Der Politiker Goll erkannte am Ende wohl selber, daß er sich mit der Wandlung zum Manager übernommen hatte, denn im Frühjahr 2002 kündigte er an, seinen zum 1. Mai 2003 auslaufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen. Das Magazin „stern“ behauptete, er sei wegen Salamander und anderer Fehlkäufe beim Großaktionär EDF „in Ungnade gefallen“.

Die „Wirtschaftswoche“ lancierte das Gerücht, der amtierende Bundeswirtschaftsminister Werner Müller werde nun die Leitung der EnBW übernehmen. Damit wäre erneut ein Politiker – wenn auch parteilos und durchaus mit stromwirtschaftlicher Erfahrung – an die Spitze des südwestdeutschen Energiekonzerns getreten. Es kam jedoch anders. Auch bei der EnBW zog nun jener Typ des Managers ein, der nur dem „Shareholder value“ und dem eigenen Vorteil verpflichtet war.

Nächstes Kapitel: „Ein bißchen Rambo – ein bißchen Idi Amin“