September 2003

030907

ENERGIE-CHRONIK


Stromausfall in USA bahnte sich über mehrere Stunden hinweg an

Das amerikanische Energieministerium veröffentlichte am 12. September den ersten Bericht einer Expertenkommission, die im Auftrag der Regierungen der USA und Kanadas die Ursachen des Stromausfalls am 14. August (030802) erforschen soll. Die Kommission beschränkte sich vorläufig auf eine Chronologie der Ereignisse. Die Verknüpfung und Wertung der zutage geförderten Fakten soll in den kommenden Wochen erfolgen. Dennoch zeichnet sich bereits ab, daß der Stromausfall im Nordosten der USA und Südosten Kanadas sich über Stunden hinweg angebahnt hat. Wie bereits vermutet, lag der Ausgangspunkt im nördlichen Ohio, wo bereits kurz nach 12 Uhr Ortszeit zwei Kraftwerke ausfielen und kurz nach 15 Uhr drei 345-kV-Leitungen abschalteten. Um 15.45 Uhr fielen auch die beiden noch verbliebenen 345-kV-Leitungen zwischen dem östlichen und nördlichen Ohio aus. Da die Stromflüsse nun andere Wege nahmen, brachen durch die Überlastung um 16.09 Uhr zwei weitere 345-kV-Leitungen zusammen, was den Kollaps weiterer Leitungen und die Abschaltung von zwanzig Kraftwerksgeneratoren am Erie-See zur Folge hatte. Dem Norden Ohios und dem Osten Michigans fehlten dadurch die Verbindungen mit übrigen östlichen Verbundsystem. Lediglich im Norden gab es noch zwei Verbindungen über Kanada, die nunmehr exzessiv beansprucht wurden und eine Umkehrung des Stromflusses zwischen den USA und Kanada bewirkten. Die Überlastung führte um 16.10 Uhr zur Abschaltung weiterer Hochspannungsleitungen und Kraftwerke. Dadurch wurden die elektrischen Verbindungen zwischen den Bundesstaaten Pennsylvania und New York unterbrochen, das Netz des Bundesstaats New York in eine westliche und östliche Hälfte getrennt und die Neu-England-Staaten abgekoppelt. Fast gleichzeitig wurden auch die elektrischen Verbindungen mit Kanada unterbrochen. Um 16.13 Uhr war in weiten Gebieten rund um den Ontario-, Erie- und Hudson-See die Stromversorgung zusammengebrochen.

Mangel an Blindleistung

Eine der Ursachen für den Ausfall von Leitungen und Kraftwerken war, daß die überlasteten Leitungen einen entsprechend höheren Bedarf an Blindleistung hatten, der nicht gedeckt werden konnte. Die Expertenkommission beobachtete charakteristische Spannungsabfälle, wie sie durch den Mangel an Blindleistung auftreten, bevor Leitungen und Kraftwerke automatisch abschalteten. (Da die Impedanz der Stromleitungen mit deren Länge zunimmt, muß die Blindleistung möglichst verbrauchernah eingespeist werden.)

Deregulierung verschärft vorhandene Probleme

Wie frühere Stromausfälle, die sich noch vor der Liberalisierung ereigneten, scheint der jüngste "Blackout" in erster Linie auf die bekannten technisch-organisatorischen Mängel der nordamerikanischen Stromversorgung zurückzuführen sein. Die 1996 begonnene Deregulierung, die inzwischen in den meisten US-Bundesstaaten verwirklicht oder in Angriff genommen wurde, hat diese traditionelle Vernachlässigung der Versorgungssicherheit zugunsten wirtschaftlicher Aspekte aber sicher noch akzentuiert. Zur Zielscheibe diesbezüglicher Kritik wurde vor allem das Stromunternehmen "First Energy", das rund 4,3 Millionen Kunden in Ohio, Pennsylvania und New Jersey versorgt und eine maßgebliche Rolle bei den Leitungs- und Kraftwerksausfällen spielte.

Laut "Neue Zürcher Zeitung" (16.9.) hat First Energy die Ausgaben für den Unterhalt der Leitungen in den letzten Jahren gekürzt, anstatt das Netz den erhöhten Anforderungen anzupassen. Anfang vergangenen Jahres habe ein Kernkraftwerk des Unternehmens am Erie-See stillgelegt werden müssen, weil ein Reaktorkessel von Säure fast durchgefressen war und damit eine Katastrophe ähnlich wie 1979 beim Reaktor Three Mile Islands drohte. Mehrere ehemalige Angestellte des Stromkonzerns hätten sich beim US-Arbeitsministerium beklagt, weil sie entlassen worden seien, nachdem sie auf Mängel aufmerksam gemacht hatten. First Energy habe ferner mit massiver und kostspieliger Lobby-Arbeit den derzeitigen US-Präsidenten Bush bewogen, das im Wahlkampf abgegebene Versprechen einer Verschärfung der Umweltschutzauflagen für Kraftwerke zurückzunehmen.

Hurrikan "Isabel" sorgte für neuen Stromausfall

Einen neuen Stromausfall bewirkte der Hurrikan "Isabel", der am 18. September mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 170 Stundenkilometern die Ostküste der USA erreichte. In North Carolina, Virginia und Teilen Marylands mußten rund 2,5 Millionen Menschen für Stunden und Tage auf elektrische Energie verzichten, weil Leitungen durch Sturmböen und fallende Bäume heruntergerissen worden waren.

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