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Mit massiver Werbung propagierte E.ON die Vertriebsmarke "e wie einfach", die Gas grundsätzlich um 2 Cent billiger pro Kubikmeter anbot als der jeweilige örtliche Grundversorger. Der größte deutsche Gaskonzern signalisierte damit der Branche, daß es nur ein ruinöses Abenteuer sein würde, mit ihm in Wettbewerb treten zu wollen.

Warten auf Wettbewerb

Trotz gekürzter Netzentgelte gibt es nur zaghafte Ansätze zu Konkurrenz, aber umso mehr Abwehrmaßnahmen

Das seit 1998 geltende neue Energierecht änderte zunächst kaum etwas an der faktischen Verfassung der Gaswirtschaft (siehe "Mehr Platzpatrone als Urknall"). Die Branche blieb monopolistisch und wettbewerbsfeindlich strukturiert. Zu allem Überfluß hatte sie seit 1998 auch noch freie Hand bei der Festlegung der Gaspreise. Denn durch Artikel 5 des neuen Energierechts wurde die Bundestarifordnung Gas ersatzlos aufgehoben. Dies bedeutete, daß die Gaspreise für die Endverbraucher nicht mehr der behördlichen Überprüfung und Genehmigung unterlagen. Für die Stromwirtschaft blieb dagegen die Bundestarifordnung Elektrizität bis auf weiteres unverändert gültig.

Das neue Energierecht war derart mangelhaft, daß noch acht Jahre nach seinem Inkrafttreten beim Gas keine Spur von Wettbewerb existierte. Die vorgesehene Regelung von Netzzugang und Netzentgelten durch freiwillige Vereinbarung der Branchenverbände kam erst mit erheblicher Verzögerung zustande und klappte dann noch weniger als in der Stromwirtschaft (siehe "Trauerspiel in fÙnf Akten"). Eine praktikable Lösung, die auch die Belieferung von Kleinverbrauchern ermöglichte, begann sich erst nach Einsetzung der Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde abzuzeichnen (siehe "Der Regulator kommt"). Aber auch jetzt leistete die Branche noch hinhaltenden Widerstand und schützte oft technische Probleme vor, um eine Netznutzung durch Dritte nach Möglichkeit zu erschweren (siehe "19 Marktgebiete fÙr ganz Deutschland"). Außerdem konnten sich die zehn größten Ferngas-Unternehmen zunächst einer Regelung ihrer Netzentgelte durch die Bundesnetzagentur entziehen, weil der Gesetzgeber auch in diesem Punkt wieder einmal den Einflüsterungen der Lobby erlegen war (siehe "Die gro¤e LÙcke").

Die Bundesnetzagentur tat unter diesen Umständen ihr Möglichstes. In zwei Genehmigungsrunden kürzte sie in den Jahren 2006 und 2007 die beantragten Netzentgelte der Gasversorger teilweise kräftig. Sie konnte damit aber nicht den weiteren Anstieg der Gaspreise verhindern. Die Netzkosten machten ohnehin nur etwa 7 bis 18 Prozent des Endkundenpreises aus, wie die folgende Tabelle für drei verschiedene Gruppen von Endverbrauchern zeigt:

Kategorie Gesamtpreis in ct/kWh Netzkosten in ct/kWh Anteil der Netzkosten in %
Jahr 2007 2006 2007 2006 2007 2006
Industrie* 4,23 4,28 0,17 0,30 4,02 7,01
Gewerbe** 5,74 5,67 0,93 1,03 16,20 18,17
Haushalte*** 6,57 6,14 1,20 1,35 18,26 21,99


*Eurostat-Kundenkategorie I4-1 = Jahresverbrauch von 116.370.800 kWh und Benutzungsdauer von 250 Tagen
**Eurostat-Kundenkategorie I1 = Jahresverbrauch von 116.370.800 kWh, ohne vorgeschriebene Benutzungsdauer, ggf. 115-120 Tage
***Eurostat-Kundenkategorie D3 = Jahresverbrauch von 23.269 kWh (Kochen, Warmwasser, Zentralheizung)

In der ersten Genehmigungsrunde für das Jahr 2007 sanken somit die Netzkosten absolut und anteilsmäßig für alle Verbrauchergruppen gegenüber dem Stand vor der Regulierung im Jahr 2006. Diese Kürzungen reichten jedoch nur bei größeren Verbrauchern aus, um den weiteren Anstieg der Gaspreise zu kompensieren. Für die Haushalte stiegen die Gaspreise weiter.

Nun verfolgte die Regulierung der Netzentgelte allerdings auch nicht in erster Linie das Ziel, die Endpreise unmittelbar zu senken. Der Hauptzweck war vielmehr, eine Benachteiligung neuer Anbieter zu verhindern, die über keine Beteiligung an den Netzen verfügten und deshalb überhöhte Nutzungsentgelte nicht konzernintern verrechnen konnten. Die Kürzung der überhöhten Netzentgelte sollte in erster Linie Wettbewerbsbarrieren beseitigen und über den dadurch bewirkten Hebeleffekt zu einer wirkungsvollen Senkung der Endverbraucherpreise führen.

Aber auch das blieb ein frommer Wunsch. Der Wettbewerb ließ weiter auf sich warten. Es gab zwar ab 2006 punktuell ein paar neue Gasanbieter, die in ausgewählten Städten und Regionen etwas billiger waren als der etablierte Versorger. Bei genauerem Hinsehen handelte es sich dabei aber eher um Testläufe für die Vertriebsschiene Internet, die mehr der Abwehr als der Ankurbelung von Wettbewerb dienten.

Nuon wirft den ersten Stein ins Wasser


Nuon-Werbung für "wakker Gas" in Köln

Die Nuon Deutschland GmbH bot seit 3. Juli 2006 in Hamburg und Berlin Gas für Privatkunden an. Sie war damit bundesweit das erste Unternehmen, das in Konkurrenz zu etablierten Versorgern trat. Die von NuonGas verlangten Preise waren etwas günstiger. Die Gas-Angebote in Hamburg und Berlin waren der rechtlichen Sondersituation des sogenannten City-Gate-Modells zu verdanken. Nuon mußte deshalb nur mit E.ON Hanse und Gasag verhandeln. In anderen Ballungsgebieten war dagegen das gesetzlich vorgeschriebene Zweivertragsmodell noch nicht verwirklicht.

Seit 19. Juli 2006 bot die Deutsche Erdgashandels GmbH & Co. KG (DEH) für Haushaltskunden in Berlin die Marke "Klickgas" an, die ausschließlich übers Internet vertrieben wurde. Abgesehen von einer Wechselprämie war "Klickgas" aber nicht günstiger, sondern zum Teil sogar ungünstiger als der örtliche Versorger Gasag. Bei der Deutschen Erdgashandels GmbH & Co. KG (DEH) handelte es sich um eine Servicegesellschaft der E.ON-Tochter Thüga, zu deren Unternehmensnetzwerk insgesamt rund 120 deutsche Stadtwerke und Regionalversorger gehörten.

Im Oktober 2006 bot der Frankfurter Energie- und Wasserversorger Mainova AG Privatkunden in der der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn die Belieferung mit Erdgas ab 1. Januar 2007 an. Das Angebot "novagas" richtete sich an Privathaushalte mit einem jährlichen Verbrauch bis 80.000 kWh. Kunden mit einem Jahresverbrauch von 30.000 kWh konnten dadurch rund 45 Euro gegenüber dem aktuell günstigsten Preis des lokalen Versorgers einsparen. Voraussetzung für einen Liefervertrag war auch hier das Internet. Die Auswahl Bonns für diesen "Wettbewerbstest" begründete die Mainova mit der hier vorhandenen hohen Anschlußdichte in einem kompakten Versorgungsgebiet, aus der sich preisliche Chancen für Wettbewerber ergäben.

Probeläufe zur Abwehr von Wettbewerb auf der Vertriebsschiene Internet

Vom ersten Vorstoß durch Nuon abgesehen, ging es bei allen diesen Angeboten nicht darum, den etablierten Versorgern ernsthaft Konkurrenz zu machen. Vielmehr handelte es sich um lokal begrenzte Probeläufe. Die beteiligten Unternehmen wollten praktische Erfahrungen sammeln für den Fall, daß der bisher nicht vorhandene Wettbewerb auf dem Gasmarkt doch noch in Gang kommen könnte. Zugleich wollten sie sich die neue Vertriebsschiene Internet erschließen. Da diese billiger war als der herkömmliche Verkauf, konnten sie sogar Rabatte gewähren, ohne ihre Gewinnspannen zu schmälern.

Zumindest in einem Fall zielte ein Billigangebot ganz offensichtlich darauf, den Wettbewerb abzuwürgen, bevor er richtig in Gang kam. Es handelte sich um die e-ben GmbH, die der südhessische Regionalversorger HSE im Juli 2006 gründete, um im Versorgungsgebiet des benachbarten Lokalversorgers GGEW - und nur hier - um Gaskunden zu werben. Die e-ben GmbH bot dabei das Gas billiger an als die HSE im eigenen Versorgungsgebiet über ihre Vertriebstochter Entega. Die GGEW sah darin "Piratenpreise" und warf der HSE "unlautere Preisspalterei" vor. Zwei Entega-Kunden erhoben Klage, weil sie für ihre Einfamilienhäuser, die nur wenige Kilometer vom Dumpingpreis-Gebiet entfernt lagen, weiterhin die höheren Entega-Preise zahlen mußten. Das Landgericht Frankfurt gab ihnen Recht, weil die Entega im früheren Monopolgebiet der HSE nach wie vor den Gasmarkt beherrsche und über die HEAG mit dem Billiggas-Anbieter e-ben gesellschaftsrechtlich verbunden sei. Das Oberlandesgerichts Frankfurt hob dieses Urteil aber wieder auf, weil der Bundesgerichtshof inzwischen in einem Zivilprozeß die Ansicht vertreten hatte, die Gasversorger besäßen keine Monopolstellung, da sie auf dem Wärmemarkt mit Öl, Strom, Kohle und Fernwärme konkurrieren müßten.

E.ON signalisiert mit "e wie einfach", daß Konkurrenz zwecklos ist

Von ähnlichem Strickmuster wie das Dumping-Unternehmen der HSE war das neue Vertriebskonzept für Strom und Gas, mit dem die E.ON Energie seit Februar 2007 die Grundversorgungstarife der örtlichen Versorger jeweils knapp unterbot. Das Angebot richtete sich an Haushalte sowie kleine und mittelständische Unternehmen mit einem Strom- oder Gasverbrauch bis zu 100.000 Kilowattstunden pro Jahr. E.ON hatte zu diesem Zweck die neue Internet-Tochtergesellschaft "e wie einfach Strom & Gas GmbH" gegründet. Die neue Vertriebstochter versprach, "immer günstiger als der Allgemeine Preis des örtlichen Grundversorgers" zu sein, und zwar bei Strom um einen Cent pro Kilowattstunde und bei Gas um zwei Cent pro Kubikmeter. Diese Preisgarantie galt bei Strom für zwei Jahre und bei Gas für ein Jahr.

Die neue Vertriebsstrategie von E.ON erinnerte an die der EnBW-Vertriebstochter Yello, die 2003 ihre bis dahin bundesweit einheitlichen Strompreise durch regional aufgefächerte Angebote ersetzte, die den jeweiligen Konkurrenten vor Ort knapp unterboten. Ausgenommen blieben allerdings die eigenen Versorgungsgebiete, in denen die EnBW weiterhin überdurchschnittlich hohe Strompreise verlangte. Im Unterschied dazu galt das E.ON-Angebot auch gegenüber Grundversorgungstarifen des eigenen Konzerns. Der größte Teil der "e wie einfach"-Kunden kam deshalb von E.ON-Regionalversorgern. Jedenfalls verloren die E.ON-Regionalversorger binnen 18 Monaten 600.00 Kunden, während "e wie einfach" 815.000 gewinnen konnte. Dieser "Kannibalismus" schmerzte den Konzern aber nicht allzusehr. Schließlich verlangte die Billigtochter auch nicht viel weniger. Vor allem blieben potentielle Wechsler dem eigenen Konzern erhalten, statt zu einem anderen Anbieter abzuwanden.

Vordergründig mochte es so aussehen, als würde nun ausgerechnet der Marktführer E.ON den Wettbewerb mit Brachialgewalt vorantreiben, indem er grundsätzlich jeden Konkurrenten um zwei Cent pro Kubikmeter unterbot. In Wirklichkeit lautete seine Botschaft an die Branche, daß es nur ein ruinöses Abenteuer sein würde, mit ihm in Wettbewerb treten zu wollen...

Vor allem kommunale Versorger mußten nun befürchten, daß Ihnen der E.ON-Konzern, der oft zugleich ihr Vorlieferant war und sie als solcher zur Erhöhung der Preise zwang, mit der Billigtochter "E wie einfach" die Kunden abwarb. Da "E wie einfach" versprach, immer um 2 Cent pro Kubikmeter unter dem Allgemeinen Preis des örtlichen Grundversorgers zu bleiben, wurde nun auch im Gasgeschäft die Bedeutung der Allgemeinen Tarife zunehmend durch parallele Sondertarife untergraben, die etwas günstiger waren. Etliche Stadtwerke verbanden die Mitteilung von Preiserhöhungen deshalb mit einem Rabatt-Angebot, wenn sich der Kunde auf eine längere vertragliche Bindung einließ.

Nachdem der Konzern der Branche gezeigt hatte, wo der Preishammer hängt, nahm er das Minus-2-Cent-Angebot für Gas wieder vom Markt. Schon im Juni 2008 strich er stillschweigend die einjährige Preisgarantie, mit der anfangs geworben worden war. Ein Vierteljahr später verschwand genauso sang- und klanglos das ganze Angebot von den Internet-Seiten der Vertriebstochter "e wie einfach".

EnBW, RWE und Vattenfall ziehen nach

Nach der großangelegten Werbekampagne des E.ON-Konzerns für "e wie einfach" mochten die drei anderen großen Energiekonzerne nicht mehr abseits stehen. Seit November 2007 bot die EnBW-Vertriebstochter "Yello" neben Strom auch Gas an. Das Angebot war zunächst auf Essen und Nürnberg beschränkt. Mit deutlich geringeren Preisen durften die Kunden allerdings so wenig rechnen wie beim Strom, wo die EnBW-Tochter oft sogar teurer als die örtlichen Anbieter war.

RWE ließ seine Internet-Stromvertriebstochter "eprimo" nun ebenfalls Strom und Gas anbieten. Das Angebot beschränkte sich zunächst auf die Umgebung von Rüsselsheim und wurde in den folgenden Monaten auf weitere Städte ausgeweitet.

Sogar der Vattenfall-Konzern, der bisher ein reiner Stromkonzern war, bot seit 1. Januar 2008 auch Gas an. Das neue Wärmeprodukt hieß "Hamburg Easy Gas" und wurde nur den Kunden in Hamburg angeboten. Da diese in der Regel bereits Stromkunden von Vattenfall waren, warb der Konzern mit der Losung "Strom und Gas aus einer Hand". Das Gas bezog Vattenfall von einem nicht näher benannten Vorlieferanten.

All dies war noch lange kein echter Wettbewerb. Zum einen waren die Angebote nur sehr beschränkt verfügbar, zum anderen lohnte sich der Wechsel kaum. Es handelte sich eher um vorbeugende Maßnahmen für den Fall, daß tatsächlich ein potenter Anbieter die Unvernunft besitzen sollte, die Marktanteile durch echten Wettbewerb verschieben zu wollen.