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Deutsche Revue

(Dez. 1835)

Drei Jahre nach dem Hambacher Fest von 1832 und der darauf folgenden Unterdrückung des unbotmäßigen Journalismus in Gestalt des "Wächters am Rhein" regten sich die Ketzer erneut und diesmal im literarischen Gewande. Die vergleichsweise noch immer milden Verhältnisse in Baden, die durch das liberale Lokalkolorit verstärkt wurden, ließen Mannheim in den dreißiger Jahren zu einem der bevorzugten Verlagsorte des "Jungen Deutschland" werden. Bei Heinrich Hoff erschienen laufend die neuesten Werke Heinrich Laubes: Der dreiteilige Roman "Das Junge Europa" (1833-37), die "Liebesbriefe", die Novellen "Die Schauspielerin" (1836), "Das Glück" (1837), die sechsbändigen "Reisenovellen" (1834-37), die "Französischen Lustschlösser" (1840) und "Der belgische Graf" (1845). Zu einer ähnlichen verlegerischen Bastion des "Jungen Deutschland" schien sich die Verlagsbuchhandlung von Carl Löwenthal zu entwickeln, die erst unlängst gegründet worden war. Im Jahre 1835 erschienen bei Löwenthal Karl Gutzkows "Wally, die Zweiflerin", seine "Verteidigung gegen Menzel" sowie Ludolf Wienbargs erster Band "Zur neuesten Literatur".

Im Sommer 1835 verschickten Gutzkow und Wienbarg die Subskriptionseinladung zu einer großangelegten literarischen Wochenschrift. Sie sollte "Deutsche Revue" heißen und ab 1. Dezember bei Löwenthal herauskommen. Als erste Auflage waren 4000 Exemplare vorgesehen.

Im "Programm der Deutschen Revue", das Gutzkow verfaßt hatte, gaben die beiden Literaten folgende Vorschau auf den Inhalt:

Wir kennen die tausend Kräfte, die in Deutschland schlummern, die schaffenden Gedanken, die sich vergebens nach einer Bühne für ihre Gestalten umsehen, die jungen Dichter, denen das Wort auf der Lippe verglüht, die jungen Gelehrten, die vergebens den Weg vom Katheder zur Nation suchen - allen diesen Gehemmten, Schweigenden, stolzen Unberühmten wird das Organ der deutschen Revue so willkommen sein als ihr Beitritt uns. Wir rechnen auf die Zeit und die Genossenschaft der Edlen.

Was die 'deutsche Revue' bringen wird, soll sein:

I. Poesie in allen ihren Offenbarungen.

II. Spekulation aus allen Fakultäten.

III. Kritik der vorzüglichsten Erscheinungen in der deutschen Literatur.

IV. Korrespondenz aus allen Ecken des Vaterlandes, wo etwas geschieht, das würdig ist, gewußt, verstanden, belobt, beweint, mißraten oder nachgeahmt zu werden.

Jede Woche ein Heft - jedes Heft drei Bogen - wird die deutsche Revue den Charakter als Journal und Buch vereinigen und sowohl das Stockende der Monatsschriften wie das Verschlissene der Tagesblätter vermeiden. Im gehaltenen Strom ihres Erscheinens wird die zerstreute und eilende Zeit sich einigermaßen würdig gesammelt und reflektiert wiederfinden.

Es gelang Gutzkow und Wienbarg, auf der Liste der künftigen Mitarbeiter fast alles zu vereinen, was im literarischen Deutschland Rang und Namen hatte, vornean Börne und Heine. Es waren alle Voraussetzungen gegeben, damit die geplante Zeitschrift "eine europäische Stellung einnehme".

So schrieb Georg Büchner unterm 20. September 1835 aus Straßburg an seine Familie in Darmstadt: "Mir hat sich eine Quelle geöffnet; es handelt sich um ein großes Literaturblatt, 'Deutsche Revue' betitelt, das mit Anfang des neuen Jahres in Wochenheften erscheinen soll." Und im Oktober: "Ich habe mir hier allerhand interessante Notizen über einen Freund Goethes, einen unglücklichen Poeten namens Lenz, verschafft, der sich gleichzeitig mit Goethe hier aufhielt und halb verrückt wurde. Ich denke darüber einen Aufsatz in der Deutschen Revue erscheinen zu lassen."

Büchner und die anderen Literaten freuten sich zu früh. Ein mißgünstiger Zunftgenosse, Wolfgang Menzel, der in Stuttgart das Literaturblatt zum "Morgenblatt" redigierte, fühlte sich zum Quertreiber berufen. Auf den Appell zur Mitarbeit an der "Deutschen Revue" verfaßte Menzel in seinem Literaturblatt vom 11. und 13. September ein Manifest gegen die jungen Schriftsteller, wobei er den Hauptangriff gegen Gutzkow und dessen gerade erschienenen Roman "Wally, die Zweiflerin" richtete. Menzel behauptete, der Roman sei eitel Unzucht und Gotteslästerung, und schleuderte in seinem Literaturblatt pausenlos Angriffe gegen die "Schule der frechsten Unsittlichkeit und raffiniertesten Lüge in Deutschland", die er in teutomanischer Manier als "Le Jeune Allemagne" abzustempeln versuchte.

Menzels Denunziation fand bei der Reaktion Gehör. Erst mal wurde Gutzkow wegen Gottesverspottung und Schilderung unzüchtiger Gegenstände unter Anklage gestellt (letzteres im Hinblick auf die Sigune-Szene in der "Wally"). Die Mannheimer Justiz verurteilte ihn zu zehn Wochen Gefängnis.

Dann wurde der Schlag gegen die "Deutsche Revue" und das "junge Deutschland" überhaupt geführt. Am 14. November 1835 verbot die preußische Regierung sämtliche Verlags- und Kommissionsartikel der Löwenthalschen Verlagsbuchhandlung. "Diese vor kurzem entstandene Buchhandlung hat sich durch den Verlag vieler verderblicher Schriften nachteilig ausgezeichnet", warnte ein entsprechender Erlaß an alle königlichen Oberpräsidien, der namentlich auf die geplante Herausgabe der "Deutschen Revue" hinwies.

Das erste Heft der "Deutschen Revue" befand sich zu dieser Zeit im Druck und konnte nicht mehr ausgeliefert werden. Gutzkow eilte nach Frankfurt und versuchte dort, als Ersatzpublikation die "Deutschen Blätter für Leben, Kunst und Wissenschaft" herauszubringen. Diese kamen aber ebenfalls nicht auf den Markt, nachdem die Behörden dem Verleger Varrentrap damit gedroht hatten, ihm den Druck der Protokolle des Bundestags zu entziehen.

Am 10. Dezember 1835 faßte der Bundestag den höchstinstanzlichen Beschluß zur Unterdrückung des "jungen Deutschland". Der Bannstrahl richtete sich nicht allein gegen die Autoren, von denen namentlich Heinrich Heine, Karl Gutzkow, Heinrich Laube, Ludolf Wienbarg und Theodor Mundt aufgeführt wurden, sondern auch gegen Drucker, Verleger und Verbreiter der inkriminierten Schriften. Für die Verlagsbuchhandlung von Carl Löwenthal, die mit der "Wally" und der "Deutschen Revue" am tiefsten ins Fettnäpfchen der Heiligen Allianz getreten war, bedeutete er das wirtschaftliche Ende.

Georg Büchner kommentierte die Ereignisse im Neujahrsbrief an seine Familie folgendermaßen: "Das Verbot der Deutschen Revue schadet mir nichts. Einige Artikel, die für sie bereit lagen, kann ich an den 'Phönix' schicken. Ich muß lachen, wie fromm und moralisch plötzlich unsere Regierungen werden. Der König von Bayern läßt unsittliche Bücher verbieten! da darf er seine Biographie nicht erscheinen lassen, denn die wäre das Schmutzigste, was je geschrieben worden! Der Großherzog von Baden, erster Ritter vom doppelten Mopsorden, macht sich zum Ritter vom Heiligen Geist und läßt Gutzkow arretieren, und der liebe deutsche Michel glaubt, es geschähe alles aus Religion und Christentum und klatscht in die Hände."