PresseBLICK-Rezensionen Elektrotechnik



Peter Herholtz

Computer-Zeitbombe 2000

210 S., DM 29.80, Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter 1999


Michael S. Hyatt

Der große Crash 2000

345 S., DM 14.90, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. 1999


Martin Kunz

Der 2000 Crash

171 S., DM 14.90, Deutscher Taschenbuch Verlag 1999


Nur noch wenige Monate trennen uns vom Jahr 2000, und ähnlich wie beim Wechsel zum ersten Jahrtausend macht sich Panikstimmung breit: Seinerzeit glaubten viele Christen aus der Bibel herauslesen zu können, daß mit dem tausendsten Jahr nach der Geburt des Erlösers die Welt untergehen werde. Den Menschen von heute peinigt dagegen eine andere Vision, die als Jahr-2000-Problem bekannt ist. In der internationalen Diskussion spricht man auf gut angelsächsisch vom y2k-Problem, wobei y für year und k für tausend (kilo) steht. Weit verbreitet ist auch der saloppe Ausdruck Millenium Bug.

Die befürchteten Auswirkungen des Millenium Bug sind nicht ganz so apokalyptisch wie die Erwartung des Weltuntergangs, dafür aber realistischer. Es ist nämlich in der Tat zu erwarten, daß viele Computer und Mikroprozessoren den Sprung ins neue Jahrtausend nicht schaffen: Anstelle des 1. Januar 2000 werden sie den Beginn des Jahres 1900 anzeigen. Bei PCÕs kann es passieren, daß sie das Rad der Zeit plötzlich bis 1980 oder 1984 zurückdrehen.

Der Grund für diese Fehlfunktion ist höchst banal und zeugt von einer erstaunlichen Kurzsichtigkeit der Programmierer: Um ein bißchen Speicherplatz zu sparen, haben sie bis vor kurzem die Jahreszahl im aktuellen Datum nur mit den beiden letzten Stellen angegeben, so daß der Computer für das laufende Jahrhundert immer eine "19" voraussetzt.

Zusätzlich könnte es nach dem 28. Februar 2000 zu Störungen kommen, weil oft vergessen wurde, für den Beginn des neuen Jahrtausends ein Schaltjahr einzuplanen. Jedenfalls sind nach Silvester dieses Jahres böse Überraschungen in allen Bereichen vorstellbar. In den schlimmsten Szenarien stürzen Flugzeuge ab, bleiben Fahrstühle stehen, versagen Telefone, stehen Produktionsanlagen still, werden Daten haufenweise gelöscht, geben Raketenabwehrsysteme falschen Alarm oder werden Krankenhäuser lahmgelegt.

Ebenso könnte das Jahr-2000-Problem die Stromversorgung gefährden. Einige Schwarzseher prophezeiten gar den Zusammenbruch des Netzes oder Störfälle in den Kernkraftwerken. Da sich mit der Angst vor einem möglichen Chaos viel Geld verdienen ließ, wurde hier wie auch in anderen Branchen viel übertrieben. In Teilbereichen der Stromversorgung wären aber sicher Störungen vorstellbar, falls man mögliche Millenium Bugs in Kraftwerken und Netz einfach ignorieren würde. Die deutschen Stromversorger haben deshalb umfangreiche Ermittlungen angestellt, in welchen Anlagen der elektronische Wurm sitzen könnte. Den Anfang machten die Großstromerzeuger, die bereits Ende Juni alle Kernkraftwerke überprüft hatten. Bis Ende September sollen alle sonstigen Kraftwerke sowie drei Viertel des Übertragungs- und Verteilungsnetzes durchgecheckt sein. Falls am Jahresende noch Lücken bleiben, handelt es sich um weniger wichtige Anlagen und Netzteile, die im Falle einer Störung die allgemeine Stromversorgung nicht tangieren dürften.

Milliarden für die Beseitigung eines höchst banalen Fehlers

Die Kosten für das Aufspüren und Unschädlichmachen des Millenium Bug werden auf weltweit viele Milliarden Mark geschätzt. Einige Schätzungen sprechen sogar von Billionen Mark. Und selbst dieser immense Aufwand bietet noch keine Garantie für einen völlig reibungslosen Übergang ins neue Jahrtausend.

Zur Entschuldigung der Programmierer muß allerdings gesagt werden, daß sie die stürmische Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) nicht voraussehen konnten, als in den sechziger Jahren die ersten elektronischen Rechner ihren Einzug in Wirtschaft und Verwaltung hielten. Auf den Lochkarten, die anfangs noch vielfach zur Erfassung und Eingabe verwendet wurden, war sowieso kaum Platz für Daten. Vor allem aber waren die Arbeitsspeicher der Computer noch sehr klein. Ein damaliger Großrechner ("mainframe") hatte vor allem großen Raumbedarf. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit war er eher ein Zwerg, wenn man ihn mit heutigen Anlagen vergleicht. Die Programmierer geizten deshalb mit Bits und Bytes, wo es nur ging. Es mußte ihnen als pure Vergeudung erscheinen, der Jahreszahl im Datum vier Stellen zu spendieren, denn wenn sie die Jahreszahl auf zwei Stellen kürzten, konnten sie in der binären Zahlenwelt des Computers ein ganzes Byte aus acht Bits einsparen.

Da die Computertechnik mit Riesenschritten voraneilte, gab es bald keinen Grund mehr, am Datum zu sparen. Stattdessen gab es nun aber die Macht der Gewohnheit und den neuen Zwang, einen einmal geschaffenen Standard nicht so leicht ändern zu können. Denn es hätte nicht ausgereicht, Computer und Programme einfach auf vierstellige Jahreszahlen umzustellen. Zugleich hätte man dafür sorgen müssen, daß der bereits vorhandene Datenbestand sich mit der neuen Hardware und Software verarbeiten läßt. Das war zwar durchaus lösbar, hätte aber doch Mehrkosten bedeutet. Selbst als der ISO Standard 8601 gegen Ende der achtziger Jahre das Datumsformat mit "tt.mm.jjjj" festlegte, hielt sich kaum einer an diese Vorgabe.

Nachdem man lange genug die Augen vor dem Problem verschlossen hatte, folgte ab etwa 1995 das Erwachen. Viele ergriff sogar Panik. Und Panik ist ansteckend: Auch wenn voraussichtlich gar nichts passiert, nützt das einem Unternehmen wenig, solange Geschäftspartner, Banken, Versicherungen oder Aktionäre anderer Meinung sind. Wenn heute genau jene Branche, die dieses Problem verschlafen hat, in Windeseile Milliarden kassiert, hat das keineswegs allein sachliche Gründe. Es hat auch viel mit Massenmedien und Psychologie zu tun.

Das Internet bietet neben nützlicher Information auch viel heiße Luft und Panikmache

Den lebendigsten Eindruck von der internationalen Diskussion um das Jahr-2000-Problem vermittelt das Internet, wenn man die entsprechenden Suchbegriffe eingibt. Beispielsweise findet man hier jenen Artikel aus der Zeitschrift "Computer World", mit dem der amerikanische Unternehmensberater Peter de Jager schon am 6. September 1993 (!) vor dem "Doomsday 2000" warnte (www.year2000.com./y2kdoomsday.html). Oder man kann vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik detaillierte Angaben zur Störanfälligkeit einzelner PC's und der dazugehörigen Software bekommen (www.bsi.bund.de/aufgaben/projekte/2000/jahr 2000.htm). Allerdings stößt man auch auf viel heiße Luft, Geschwätz und Panikmache. Wie im Internet üblich, halten sich Information und Desinformation ungefähr die Waage. Zumindest braucht man viel Zeit und Erfahrung, um die Spreu vom Weizen zu sondern. Und auch dann erhellen die brauchbaren Informationen eher Details, als daß sie ein zusammenhängendes Bild ergeben.

Bücher haben demgegenüber den Vorzug, daß sie ein Thema umfassend und systematisch behandeln können. Natürlich steht auch in Büchern manchmal Unsinn. Aber der Sinn oder Unsinn haben in der Regel wenigstens Methode. Ein Buch nach Art des Internet, das nur aus willkürlich zusammengewürfelten Informationshäppchen bestünde, wäre unverkäuflich. Der Leser darf vielmehr erwarten, daß Autor und Lektor das mühselige Geschäft des Sammelns, Sichtens und Wertens schon für ihn erledigt haben. Er darf ferner erwarten, daß ihm der Inhalt in einer angemessenen, ansprechenden Form präsentiert wird. So genügt am Ende oft schon ein einziger Blick auf eine Seite Text, auf Autor, Verlag oder Cover-Gestaltung, um Niveau und Nutzen eines Druckerzeugnisses einstufen zu können.

Das gilt auch für die vorliegenden drei Bücher zum Jahr-2000-Problem. Ihre Titel klingen zunächst alle sehr ähnlich. Die Differenzierung beginnt aber schon bei den Untertiteln: Das erste verheißt in sachlichem Ton "Maßnahmen, Kosten, Fallbeispiele, Checklisten". Das zweite prophezeit hysterisch den "Zusammenbruch der weltweiten Computernetze!". Das dritte empfiehlt sich mit ironischem Unterton als "Survival Guide".

Ein Fachmann bekennt: Wir kannten das Problem, hielten es aber für eine Lappalie

Eigentlich ist es mittlerweile zu spät, um noch die Jagd auf den Millenium Bug zu eröffnen, falls dieser irgendwo unerkannt in der Hard- und Software eines Unternehmens sitzen sollte. Insofern ist das Buch "Computer-Zeitbombe 2000" von Peter Herholtz, das Anfang dieses Jahres erschien, nur noch bedingt von Nutzen. Seine praxisorientierten Ratschläge zur Einkreisung und Beseitigung des Millenium Bug vermitteln aber weiterhin eine gute Einführung in das Problem. Der Anhang bietet außerdem neben Literaturhinweisen und jeder Menge Internet-Adressen ein nützliches Glossar mit den wichtigsten Fachausdrücken, die in der Diskussion um das Jahr-2000-Problem eine Rolle spielen.

Der Autor war viele Jahre in der Softwareentwicklung tätig und hat bis 1995 Programmierer ausgebildet. "Grundsätzlich war uns allen das y2k-Problem bekannt", schreibt er selbstkritisch. Niemand habe aber die wirkliche Dimension des Problems erkannt. Stattdessen hätten selbst die Fachleute die Beseitigung des Datum-Defekts für eine Lappalie gehalten, die sich irgendwann beiläufig erledigen lasse.

In der Tat sei es weder schwierig noch teuer, einem Computer beizubringen, die Jahreszahl mit vier statt zwei Dezimalzahlen darzustellen. Auch die Umstellung eines Programms sei an sich keine große Affäre. Das eigentliche Problem sei die Vielzahl der Programme, ihre wechselseitige Abhängigkeit und die oft unzureichende bis gänzlich fehlende Dokumentation der alten Software. Bei manchem System gebe es heute niemanden mehr, der es vollständig verstehe. Die anfangs verwendeten Assembler-Sprachen kenne heute - ähnlich wie bei Latein oder Altgriechisch - nur noch eine historisch interessierte Minderheit von Programmierern. Auch die herstellerspezifischen Varianten von Programmiersprachen - quasi Dialekte - seien vielfach unverständlich geworden. Schon mit COBOL oder FORTRAN, was einmal die verbreitetsten Programmiersprachen für kaufmännische bzw. technisch-wissenschaftliche Zwecke waren, haben heutige Programmierer Schwierigkeiten.

Herholtz vergleicht die vielfach veränderten Softwaresysteme mit einer "Portion Spaghetti, in sich verknotet und mehrfach aufgewärmt und also entsprechend verklebt, und dann noch mit viel Soße übergossen". Die Fahndung nach dem Millenium Bug bedeute unter diesen Umständen den Versuch, "eine einzelne Nudel aus diesem Knoten herauszuziehen".

Gelegentlich übertreibt der Verfasser, wenn es um mögliche Auswirkungen des Jahr-2000-Problems geht. So schildert er im Eingangs-Szenario einen Unglückswurm, der am Morgen des 1. Januar 2000 pausenlos vom Millenium Bug verfolgt wird: Unter anderem versagt die Kaffeemaschine, der Anrufbeantworter streikt und beim Starten des Autos leuchtet die Ölkontrollampe auf, "obwohl die letzte Inspektion gerade mal vier Wochen zurückliegt". - Seit wann reagieren Ölkontrollampen auf das Datum des Ölwechsels statt auf den Öldruck? Und weshalb sollen Kaffeeemaschinen oder Anrufbeantworter streiken? Vielleicht weil kein Strom da ist? Daß durch den Ausfall eines einzigen Kraftwerks die ganze Stromversorgung zusammenbrechen könnte, wie der Verfasser an anderer Stelle meint, ist aber ebenfalls unrealistisch.

Ansonsten ein überzeugendes und hilfreiches Buch, das die kritischen Bereiche, in denen der Millenium Bug sich verstecken könnte, verstehen und erkennen hilft.

Rette sich wer kann: Ratschläge aus Texas fürs Überleben nach dem Doomsday 2000

Daß sich "Der große Crash 2000" in noch viel düstereren Farben malen läßt, beweist das so betitelte Buch von Michael S. Hyatt. Es erschien 1998 unter dem Originaltitel "The Millenium Bug" in den USA. Die deutsche Übersetzung kam im Mai dieses Jahres heraus. Der deutschsprachige Leser hatte somit bestenfalls noch sieben Monate Galgenfrist, um dem Verhängnis zu entrinnen. Auch der Verlag muß in dieser Zeit auf seine Kosten kommen, denn mit Beginn des neuen Jahres werden Bücher zu diesem Thema automatisch aus den Regalen der Buchhandlungen gekippt (wenigstens in dieser Hinsicht wird der Millenium Bug gnadenlos zuschlagen).

Das knappe Zeitbudget stört in diesem Fall aber nicht, sondern gehört dazu wie die steigende Spannung am Nikolaustag, bevor Knecht Ruprecht mit der Rute kommt. Denn Hyatt geht es weniger um praktische Ratschläge als um ein phantasievolles, gruseliges Doomsday-Szenarium. Im harmlosesten Fall, den er als "Brownout" bezeichnet, kommt es zu wochenlangen Störungen, die immense Kosten verursachen und "zu einer schweren Rezession" führen werden. Im zweiten Fall, dem "Blackout", brechen Stromversorgung, Transportwesen, Telekommunikation, Handel, Geldwesen und alles mögliche sonst flächendeckend zusammen. "Es wird zu Plünderungen, gewalttätigen Unruhen und Vandalismus kommen", prophezeit der Verfasser. "Einige innerstädtische Bezirke werden in Flammen aufgehen. Andere werden aussehen wie ausgebombte Krisengebiete."

Aber das ist noch nichts gegenüber dem dritten, dem schlimmsten Szenario des "Zusammenbruchs": Die Menschen verhungern schlichtweg. Das Geld wird mit einem Schlag wertlos. Die Wirtschaft reduziert sich auf Tauschhandel. Es gibt keine Regierung und keine öffentliche Ordnung mehr. Kurzum: "Ein Leben in Angst und Schrecken."

Fein raus ist allerdings, wer sich rechtzeitig das Buch von Hyatt gekauft hat: Denn hier findet er im zehnten Kapitel jede Menge Ratschläge, wie er trotzdem überleben kann. Zum Beispiel sollte er sofort damit beginnen, alle wichtigen Dokumente zu kopieren, von der Geburtsurkunde bis zum Versicherungsnachweis. Dann braucht er eine "Notfallbibliothek", damit er im Überlebensfall nachschlagen kann, wie man eßbare von giftigen Pflanzen unterscheidet, eigenhändig ein Tier schlachtet, Geburtshilfe leistet oder sich selber einen Zahn zieht. Auch sollte man sich seinen Wohnort daraufhin ansehen, ob er möglichst wenig Einwohner hat, ob die Hühnerhaltung erlaubt ist (zwecks autarker Fleisch-Versorgung), wie hoch die Verbrechensrate ist und wie es mit der allgemeinen Bewaffnung der Bürger aussieht. Innerhalb des Hauses braucht man an allen Türen Sicherheitsschlösser und Riegel. Ein Notstromaggregat muß ebenso her wie ein mit Holz befeuerbarer Ofen. Ideal wäre ein eigener Brunnen zur Trinkwasserversorgung (aber Vorsicht: nur mit Handpumpe!). Weiter braucht man Vorräte an Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegenständen sowie alles mögliche Werkzeug. Als "alternative Währung" für den Tauschhandel empfiehlt sich zusätzlich ein größerer Vorrat an Toilettenpapier, Einmalfeuerzeugen, Kaffee, Tee und Zucker. Das so autark gemachte Heim muß notfalls auch gegen Angreifer verteidigt werden. Deshalb sollte man sich schon jetzt Gedanken zur Verteidigungsplanung machen und den Umgang mit Waffen üben. Wer zögert, wird vom Autor ermahnt: "Je länger Sie mit Ihrer Vorbereitung warten, desto teurer wird es für Sie. Fangen Sie jetzt an!"

Die amerikanische Psyche neigt, wie wir seit Tocqueville wissen, zu allerlei Extremen, über die Europäer nur den Kopf schütteln können. Dazu gehören Doomsday-Szenarien, ob sie nun klassisch-religiös als Jüngstes Gericht oder eher modern als technologische Katastrophe daherkommen. Die Sekte der Zeugen Jehovas, die alle nasenlang den Weltuntergang prophezeit, ist nicht zufällig in den USA entstanden.

Der Autor dieses Doomsday-Buches lebt in Nashville/Texas, das weltweit als Wiege der Western & Country Music ein Begriff ist. So simpel wie die kommerzialisierte Hillbilly-Musik sind auch seine im Blues-Ton vorgetragenen Thesen zum Jahr-2000-Problem: Es wird wahrscheinlich ein Chaos geben. Es wird dann das Gesetz der Faust regieren. Es wird zugehen wie einst im Wilden Westen, als nur harte Männer eine Chance hatten, die ihr Pulver trocken hielten, das Vieh in Sicherheit brachten und Feinde kurzentschlossen über den Haufen knallten.

Wie Hyatt zum Schluß seines Buches in einer "Danksagung" bekennt, hat er sich das Material zum großen Teil im Internet zusammengeklaubt. Besonders habe er von den Web-Seiten des Dr. Gary North profitiert. North ist ein bekannter Jahr-2000-Paranoiker. Neben vielen Web-Seiten bietet er auch eine seit 1974 erscheinende Zeitschrift an, in der er mit wechselnden Begründungen die Auflösung der Gesellschaft und ihren Absturz ins Chaos prophezeit. Sie heißt Remnant Review (Zeitschrift der Überlebenden) und wird als rechtsextremistisch eingestuft.

In Deutschland ticken die Leser (noch) ein bißchen anders. Der Verlag ließ deshalb die Übersetzung dieses Doomsday-Buchs durch einen vierten Teil ergänzen, der speziell die Lage in Deutschland schildert und sich um ein etwas realistischeres Bild des Jahr-2000-Problems bemüht. Es versteht sich, daß dem teuer eingekauften amerikanischen Autor dabei nicht auf die Füße getreten werden durfte.

"Das klingt nach typisch amerikanischer Westernmanier und nach Panikmache", beginnt die deutsche Ko-Autorin Sylvia Englert diesen Beitrag. Man täusche sich aber nicht: Deutschland befinde sich hinsichtlich der Vorkehrungen für das Jahr-2000-Problem "etwa auf dem Stand von Malaysia, Thailand und Brasilien". Die Wahrscheinlichkeit, daß es in Deutschland noch schlimmer kommen könne als in Amerika, erhöhe sich durch die zusätzliche Umstellung auf den Euro.

Diesen Unkenrufen folgt ein Überblick des Vorbereitungsstandes in Deutschland, wobei sie vier Seiten den Stromversorgern widmet. Deren Netze hält sie für besonders gefährdet, "da sich auch hierzulande ein kleiner Ausfall aufschaukeln könnte, so daß es zu einem großflächigen Abschalten käme". Daß kleinere Ausfälle zum normalen Geschäft der Stromversorgung gehören, scheint ihr unbekannt zu sein.

Insgesamt ein Buch, das mehr über den Geisteszustand von Teilen der US-Bevölkerung aussagt als über die tatsächlichen Dimensionen des Jahr-2000-Problems.

Vorschlag zur Güte: "Keine Apokalypse, aber unliebsame Überraschungen"

Denselben Stoff, den das zuletzt besprochene Buch als Doomsday-Grusical inszeniert, hat Martin Kunz zu einer genauso unterhaltsamen wie informativen Reportage aufbereitet: Sein Titel "Der 2000 Crash" klingt zum Verwechseln ähnlich. Der Crash hat in diesem Falle jedoch viel bescheidenere Dimensionen: Der Verfasser erwartet "keine Apokalpyse, aber unliebsame Überraschungen."

Kunz leitet beim Magazin "Focus" das Ressort für Forschung, Technik, Medizin. Vorher war er Wissenschaftsredakteur beim ZDF, nachdem er Physik studiert und die Journalistenschule in München besucht hatte.

"Die Lektüre dieses Buches soll Ihnen helfen, blanken Unsinn und Panikmache einiger Medien von wirklichen Gefahren zu unterscheiden", schreibt er einleitend. "Es sollen keine weiteren unbegründeten Ängste vor dem potentiellen Computer-Crash geschürt werden. Aber es ist höchste Zeit, sich umfassend über alle Risiken zu informieren, denen wir ausgesetzt sind in unserer vor Technik strotzenden Welt."

Der Verfasser verspricht damit nicht zuviel. Das Buch ist gut recherchiert und flott geschrieben. Es verdeutlicht in leicht verständlicher und sogar unterhaltsamer Form, wie der Millenium Bug zustande kam und welche Folgen es haben könnte, ihn nicht rechtzeitig aus der Hard- und Software zu vertreiben. Darüber hinaus lenkt es den Blick auf die wirtschaftlichen Interessen von Softwarespezialisten, Versicherungen, Anwälten, Zertifizierern usw., welche unsere Wahrnehmung des tatsächlichen Risikos ebenfalls stark beeinflussen. Recht hübsch sind auch seine Bemerkungen darüber, wie Medien die Gemüter in Wallung bringen können: seien es der Tod von Prinzessin Diana, die Schäferstündchen des US-Präsidenten oder eben die Ängste vor dem Millenium Bug.

Zu den Legenden, die Kunz korrigiert, gehört die vielfach verbreitete Story von den Fahrstühlen, die am Neujahrstag steckenbleiben oder ins Erdgeschoß sausen, weil ein Chip fälschlicherweise die Überschreitung der Wartungsfrist feststellt: Nach Angaben des führenden Aufzugherstellers Otis hat die Steuerung von Fahrstühlen gar keine zeitrelevanten Bauteile.

Ziemlich unkritisch kolportiert aber auch er die Geschichte von den Kölner Ford-Werken, bei denen im Sommer 1998 die Bänder stillgestanden hätten, weil der einzige Lieferant von Türschlössern Software-Probleme hatte und deshalb nicht liefern konnte. - Scheinbar ein schönes Beispiel für die Verletztlichkeit elektronisch gesteuerter Produktionsprozesse. Die Firma Ford war damals freilich anderer Meinung: Sie vermutete in den angeblichen Software-Problemen ihres Exklusiv-Lieferanten nur einen faulen Vorwand, um sie unter Druck zu setzen.

Als speziellen Service bietet Kunz auf dreißig Seiten einen "Survival Guide für einen reibungslosen Jahreswechsel". Im wesentlichen erfährt man hier, wie man den eigenen PC auf Datums-Defekte überprüfen und diese beseitigen kann (die Apple-Welt ist nicht betroffen, schon der Ur-Mac meisterte das Jahr 2000).

Eher widerwillig - "ich persönlich glaube nicht daran, daß es nötig sein wird" - gibt er auch ein paar Tips für Schwarzseher, die für jeden Fall gerüstet sein wollen. Als da wären: Badewanne vollaufen lassen, Auto volltanken, Batterien besorgen, Kerzen mit Streichhölzern bereit halten usw. Die Anlegung eines Waffenlagers und Schießübungen sind in diesem Survival-Guide für Bundesbürger zum Glück nicht vorgesehen...

Für Kunz lassen sich die Experten, was ihre Haltung zum Jahr-2000-Problem betrifft, in "Doomsdayer", "Alarmisten" und "Optimisten" einteilen. Die Doomsdayer sehen ein furchtbares Chaos auf uns zukommen. Die Alarmisten halten die Probleme für gravierend, aber durchaus für lösbar. Hier könnte man wohl den Verfasser selber einordnen. Die Optimisten dagegen glauben an keine ernsthaften Probleme und halten den ganzen Wirbel für übertrieben. Bücher schreiben sie allerdings nicht (wahrscheinlich deshalb, weil sie sich nicht verkaufen würden). So bleibt uns als Beispiel für einen Optimisten nur jener ungenannte Mitarbeiter der RWE Energie, der gegenüber Kunz geäußert haben soll: "Jahr 2000 - das merkt kein Schwein!"

Ein Buch, das Lesespaß bereitet und zugleich informativ ist. Wer es zunächst skeptisch zur Hand nimmt, weil er von einem "Focus"-Redakteur eher belangloses Infotainment erwartet, wird angenehm enttäuscht.

(PB 7/99/*leu)