PresseBLICK-Rezensionen Kernenergie



A. F. Fritzsche

Gesundheitsrisiken von Energieversorgungssystemen

Köln: Verlag TÜV Rheinland 1988, 322 S.


Jedes Gewerbe, jeder Berufszweig hat seine spezifischen Risiken. Die Energiewirtschaft macht da keine Ausnahme. Bei der Diskussion über die Risiken der Kernenergie entsteht allerdings leicht der Eindruck, als seien Bau und Betrieb von Kernkraftwerken in besonders hohem Maße mit Unfällen für Beschäftigte und Außenstehende verbunden. Dies ist aber keineswegs der Fall. Fritzsche gelangt am Ende seiner Literaturauswertung sogar zu dem Fazit, "daß die nuklearen Energiesysteme pro Einheit der erzeugten elektrischen Energie zu weit weniger Erkrankungen unter der Bevölkerung mit möglichen späten Todesfolgen führen als alle anderen untersuchten Energieoptionen". Speziell bei den Leichtwasserreaktoren, wie sie in der Bundesrepublik und in der Schweiz betrieben werden, sei das Erkrankungsrisiko um rund zwei Größenordnungen kleiner als bei der Energieerzeugung durch Kohle- und Ölkraftwerke und immer noch rund eine Größenordnung kleiner als bei den erneuerbaren Energiesystemen Sonne und Wind in ihren heutigen Ausführungsformen.

Nach Fritzsche fordert die Energieversorgung in der Bundesrepublik jährlich etwa 50 akute und 10 verzögerte Todesfälle unter den berufsmäßig mit ihr Beschäftigten - vom Kumpel, der im Kohlenschacht verschüttet wird, bis zum Elektriker, der versehentlich spannungsführende Teile berührt. Hinzu kommen rund 10 Todesfälle unter der sonstigen Bevölkerung. Ein beachtliches Gesundheitsrisiko bergen auch die Emissionen chemischer Schadstoffe aus konventionellen Kraftwerken. Die Kernenergie ist nach Fritzsches Berechnungen für weniger als ein Prozent dieses Risikos verantwortlich. Ein "Ausstieg aus der Kernenergie" werde daher nicht zu einer Verminderung, sondern vielmehr zu einer Vergrößerung des gesundheitlichen Risikos führen.

Das Buch ist als Typoskript gedruckt und auch vom Stil her eine eher spröde, an die einschlägige Fachwelt gerichtete Lektüre. Der Autor war von 1959 bis 1971 technischer Direktor des Eidgenössischen Instituts für Reaktorforschung und ist seit 1973 Mitglied der Eidgenössischen Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen. Den wesentlichen Inhalt des Buches bildet die Studie einer Expertengruppe, die im Auftrag des eidgenössischen Parlaments verschiedene Szenarien ausarbeiten sollte, um Möglichkeiten, Voraus-setzungen und Konsequenzen eines Ausstiegs der Schweiz aus der Kernenergie darzulegen.

(PB 8/91/*leu)