PresseBLICK-Rezensionen Erneuerbare Energien



Knoll/Kreibich (Hg.)

Solar-City / Sonnenergie für die lebenswerte Stadt

Weinheim 1992: Beltz-Verlag, 264 S., DM 28.-


"Die menschliche Gesellschaft treibt im Rahmen ihrer heutigen Industriezivilisation in ihre mögliche Selbstvernichtung", schreibt Mitherausgeber Rolf Kreibich im ersten Beitrag dieses Buches, in dem es um die Nutzung der Sonnnenenergie durch Solarthermie, Photovoltaik und Solararchitektur geht. Die heutige Wirtschaft sei eine "Wachstums- und Raubbauökonomie". Im Energiebereich führe dies dazu, daß "die Umwandlungsprodukte der fossilen und atomaren Supertechniken unsere Lebensmedien zerstören und zahlreiche Generationen mit hohen Risiken belasten". Selbst die Entgiftung von Böden und Wasser oder die Reparaturdienste der Krankenhäuser gingen in der scheinrationalen Rechnung des heutigen Wirtschaftens noch positiv ins Bruttosozialprodukt ein. Dagegen bleibe die Sonne als unerschöpfliche und saubere Energiequelle bis heute weitgehend auf der Strecke, "weil sie in der Raubbau- und Externalisierungsökonomie keinen Platz hat".

Kritik an Elektrizitätswirtschaft

Soweit der Denkansatz dieses Buches, der dann schnell in eine Kritik der großen Energieversorgungsunternehmen mündet: Für Kreibich sind diese "primär auf den Erhalt und den Ausbau ihrer Großstrukturen orientiert". Der "Atom- und Kohlelobby" sei es mit dem Arbeitsplatz-Argument sogar gelungen, die Gewerkschaft Bergbau und Energie zu mobilisieren. Der "hoch subventionierte Atom- und Kohlestrom" sei ein Haupthindernis für Einsparstrategien im Elektrizitätsbereich. Gleichwohl lasse sich schon jetzt absehen, daß die Elektrizitätswirtschaft den gesellschaftlich-wirtschaftlichen Grundströmungen auf Dauer nicht widerstehen können werde: "Der gesellschaftliche, volks- und betriebswirtschaftliche Druck wird schon in naher Zukunft so stark sein, daß die Frage des Umsteuerns vom Energieversorger zum Energiedienstleister, vom Strom- und Wärmelieferanten zum Anbieter von ganzen Energiesparpaketen und -systemen nur noch eine Frage von kurzer Zeitdauer sein wird."

Ähnlich äußert sich Helmut Weik, Professor an der Fachhochschule Lübeck. Er sieht im gegenwärtigen Wirtschaftssystem "ein Hemmnis für eine spürbare Marktdurchdringung der Solartechniken". Die konventionelle Energiewirtschaft, die fast ausschließlich auf fossilen und nuklearen Energieträgern beruhe, müsse abgelöst werden von regenerativen Techniken in Verbindung mit Energiesparstrategien und rationellem Energieeinsatz. Dabei seien massive Zielkonflikte vorauszusehen, "insbesondere mit der heute die politische Willensbildung stark beeinflussenden Wirtschaft, speziell der Elektrizitätswirtschaft". Weik hält höhere Energiepreise für ein geeignetes Instrument, um eine "Tendenzwende im Energieverbrauchsverhalten" herbeizuführen. Ebenso werde es nur positive gesamtwirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte haben, "wenn an die Stelle der zentralen, kapitalintensiven, großtechnischen Energiegewinnungsanlagen die dezentrale und arbeitsintensive, kleintechnologische Energiegewinnung tritt". Da die Strukturveränderung nicht abrupt vor sich gehe, bleibe der Energiewirtschaft genügend Zeit, sich darauf einzustellen.

Die übrigen Autoren befassen sich mit Detailfragen. Im Vordergrund stehen dabei, mit jeweils drei Aufsätzen, die Themen Solararchitektur und Elektroautos. Weitere Themen sind der rationelle Energieeinsatz, das Photovoltaik-Potential auf Berliner Dächern und die speziellen Chancen, die sich mittelständischen Unternehmen durch die Solartechnik eröffnen.

Das Buch ist in der Reihe "Zukunftsstudien" erschienen, die vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin mit dem Sekretariat für Zukunftsforschung in Gelsenkirchen herausgegeben wird. Die Autoren sind durchweg Fachleute auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien. Das heißt nicht, daß man alles getrost akzeptieren könnte, was sie zu Papier gebracht haben. Mitunter sind die Autoren selbst unterschiedlicher Ansicht: So erscheint dem einen das Elektroauto "allenfalls als Nischenkonzept tauglich", während der andere im Elektrofahrzeug "ein ideales Stadtauto" erkennt. Besonders die Prognosen zum notwendigen Umbau der Energiewirtschaft dürften manchen Widerspruch provozieren. Wer wissen will, wie der ideologische "Überbau" aussieht, der sich über den erneuerbaren Energien wölbt, wird freilich gerade diese Passagen mit besonderen Interesse lesen.

Insgesamt eine faktenreiche, bei aller "Zukunftsmusik" größtenteils sachliche, aber auch etwas trockene Lektüre, die sich eher an Fachleute als an ein breiteres Publikum wendet.

(PB 9/92/*leu)