PresseBLICK-Rezensionen Erneuerbare Energien



Das Wasserkraftwerk am Lech bei Kinsau

Dokumentation von Peter Paul Schmitt

München: Bayerische Wasserkraftwerke AG 1990, 63 S.


Im vergangenen Jahr wurde das 83 Jahre alte Wasserkraftwerk am Lech bei Kinsau abgerissen, um einer neuen, leistungsfähigeren Anlage Platz zu machen. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege verknüpfte die Abrißgenehmigung mit der Auflage, eine ausreichende Dokumentation der alten Anlage zu erstellen. So kam es zu der vorliegenden Schrift, die im Auftrag der Bayerischen Wasserkraftwerke AG (BAWAG) erstellt wurde.

Am Anfang war eine Sägemühle, die ihr Wasser über einen Seitenkanal aus dem Lech bezog. Um die Jahrhundertwende wurde die Mühle von einer Papierfabrik gekauft und umgebaut. Ab 1907 diente sie dem Schleifen von Holzstoff für die Papierherstellung. Zunächst wurde das sechs Meter hohe Gefälle rein mechanisch genutzt: Zwei Francis-Schachtturbinen übertrugen ihre jeweils 650 PS per Transmission auf Großkraftschleifer. Schon 1912 wurde dann zusätzlich eine 2450 PS starke Francis-Zwillings-Doppelturbine mit Generator eingebaut, um die Papierfabrik im benachbarten Schongau mit Strom zu versorgen. Ab 1928 wurden alle Turbinen für die Stromerzeugung genutzt. 1941 kam noch eine Kaplan-Turbine mit einer Generatorleistung von 1400 kW hinzu. Aus der ehemaligen Holzschleiferei war ein reines Kraftwerk geworden.

Nicht minder aufschlußreich sind sonstige technische und wirtschaftliche Details, die den schrittweisen Ausbau der Stromerzeugung begleiteten. Zum Beispiel die Rücksichtnahme auf Fischer und Flößer, die zu Anfang des Jahrhunderts noch eine große Rolle spielte. So mußten am Lech-Wehr und im Kraftwerkskanal besondere "Floßgassen" eingerichtet werden. Die unberechenbare Wasserführung des Lech bereitete beim Bau und Betrieb der Anlage immer wieder Probleme. Den Transport des Holzstoffs zum nächsten Bahnhof besorgte eine Werksbahn, die wegen einer 75 Meter hohen Steigung als Zahnradbahn ausgeführt wurde. Man erfährt auch, daß der bayerische Fiskus für die "Wasserbenützung" eine jährliche Gebühr zwischen 2100 Mark (1909) und 5613 Reichsmark (1941) verlangte. Nach dem Ausbau der Kraftwerkskette am Lech zwischen Schongau und Landsberg kam es wegen des geplanten Schwellbetriebs zu Auseinandersetzungen mit der BAWAG. Sie endeten 1960 damit, daß aus Konkurrenten Partner wurden und die privaten Eigentümer ihre Anlage der BAWAG zum "Nießbrauch" überließen.

Dokumentationen sind naturgemäß keine leichte Lektüre. Auch handelt es sich um eine recht schlichte Anlage. Wer auf Jugendstilornamente und ähnliche nostalgische Schlüsselreize erpicht ist, wird also nicht auf seine Kosten kommen. Dennoch sind solche Dokumentationen ein Lekkerbissen für technisch-historisch interessierte Leser. Authentischer kann Technikgeschichte gar nicht vermittelt werden als am konkreten, bis ins Detail überschaubaren Beispiel einer ganz gewöhnlichen Kraftanlage.

Den Text ergänzen Fotos von verschiedenen Stadien der Anlage, Pläne und Schriftstücke. Die Dokumentation kostet 90 DM plus Mwst. und ist erhältlich bei der Bayerische Wasserkraftwerke AG, Dom-Pedro-Straße 19, W-8000 München 19. Zumindest für Technikhistoriker dürfte sich die Ausgabe lohnen.

(PB 12/91/*leu)