Juni 1996

960602

ENERGIE-CHRONIK


Deutsche Stromversorger sehen keine Gewähr für fairen Wettbewerb

Nach Ansicht der der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) wird durch die Richtlinie über den Elektrizitäts-Binnenmarkt (960601) keine gleichgewichtige Marktöffnung in Europa erreicht. Der neugewählte VDEW-Präsident Heinz Klinger bedauerte, daß die Vorschläge der deutschen Stromversorger keinen Eingang in die Schlußfassung des Textes gefunden hätten. Es bleibe abzuwarten, wie sich zunächst der Bundestag und im Herbst dieses Jahres das Europäische Parlament zu dem in Luxemburg vereinbarten Kompromiß stellen werden. In jedem Fall sei nun die Politik gefordert, die nationalen Sonderlasten, die von den deutschen Stromversorgern getragen werden, zügig abzubauen, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Strompreise zu verbessern und die Harmonisierung in der Europäischen Union voranzutreiben (Handelsblatt, 24.6.).

Die RWE Energie hält den Richtlinienentwurf ebenfalls für unvereinbar mit der Forderung nach einem gleichgewichtigen und fairen Wettbewerb in einem gemeinsamen europäischen Strommarkt. Der Luxemburger Kompromiß erlaube unterschiedliche Zulassungsverfahren für neue Kapazitäten, führe zumindest in der neunjährigen Übergangszeit zu unterschiedlichen Marktöffnungen und ermögliche den Mitgliedsstaaten die Abwehr von Wettbewerb unter Berufung auf übergeordnete öffentliche Interessen. Die jetzt getroffene Entscheidung werde Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort haben. Auch die RWE Energie werde sich auf die Veränderungen einstellen müssen, die durch diese "Legalisierung eines schieflastigen Wettbewerbs" entstünden (VWD, 21.6.).

Der Bayernwerk-Vorstandsvorsitzende Otto Majewski sieht dagegen in dem Richtlinienentwurf "einen wichtigen Fortschritt" und "ein Ergebnis, das man vor einigen Monaten noch nicht für möglich gehalten hatte". Gegenüber der Süddeutschen Zeitung (28.6.) erklärte Majewski, "daß trotz einiger Defizite ein Kompromiß geschlossen worden ist, der die Interessen unserer Branche im Prinzip wahrt". Das Verbundunternehmen PreussenElektra begrüßte die vereinbarte Richtlinie ebenfalls als Schritt zur "Stärkung von Wettbewerbsmomenten auf dem deutschen und europäischen Strommarkt".

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) erneuerte seine Forderung nach Einbeziehung der Verteilerunternehmen in den Kreis der "zugelassenen Kunden". Die Verteiler müßten ebenfalls das Recht haben, günstige Stromangebote im In- und Ausland wahrzunehmen. Nur dann könnten auch Haushalte und Mittelstand von der Liberalisierung profitieren. Falls sie ausgeschlossen blieben und Großkunden abwandern sollten, müßten einzelne Stadtwerke mit Einbußen in zweistelliger Millionenhöhe rechnen. Dies führe unweigerlich zu Investitions- und Arbeitsplatzverlusten und zu Preiserhöhungen für Haushaltskunden (DPA, 24.6.).

Kritik an dem Luxemburger Beschluß übten auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW), Wolf Pluge, und der energiepolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Volker Jung. Beifall kam hingegen vom Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK): Als nächstes müsse die Öffnung des Erdgasmarktes in Angriff genommen werden, meinte der VIK-Vorsitzende Dietrich Kley (Handelsblatt, 24.6.).