Dezember 1991

911201

ENERGIE-CHRONIK


Bonn verzichtet auf Einführung einer nationalen Kohlendioxid-Steuer

Die Bundesregierung hat am 11.12. ihr neues energiepolitisches Gesamtkonzept beschlossen. Darin ist die von Bundesumweltminister Töpfer (CDU) befürwortete nationale Abgabe auf den Ausstoß von Kohlendioxid nicht vorgesehen. Statt dessen beschloß das Kabinett, die Pläne der EG-Kommission für eine kombinierte Steuer auf Energieverbrauch und Kohlendioxid-Ausstoß zu unterstützen.

Die Regierung hält es nach wie vor für möglich, den nationalen Kohlendioxid-Ausstoß -ihrem erklärten Ziel entsprechend - bis zum Jahr 2005 um 25 bis 30 Prozent unter das Niveau von 1987 senken zu können. Sie geht dabei davon aus, daß der Energieverbrauch in den nächsten 20 Jahren auch bei kräftigem Wirtschaftswachstum nicht steigen wird. Die weitere Nutzung der Kernenergie wird für derzeit noch unverzichtbar gehalten. Durch Änderung des Atomgesetzes soll die direkte Endlagerung von Brennelementen als gleichberechtigter Entsorgungsweg neben der Wiederaufarbeitung festgeschrieben werden.

Im Zusammenhang mit dem am 11.11. ausgehandelten Kohle-Kompromiß wird lediglich erwähnt, daß die Bundesregierung unter Mitwirkung aller Beteiligten ein Finanzierungssystem entwickeln werde; nicht eingegangen wird dagegen auf den ausdrücklichen Vorbehalt der Stromwirtschaft, die ihre Bereitschaft zur Verstromung der vorgesehenen Mengen davon abhängig gemacht hat, daß die Steinkohle zu weltmarktfähigen Preisen angeboten wird (Welt, 10.12.; dpa, 11.12.; FR, 12.12.; siehe auch 911009).

Für die Süddeutsche Zeitung (12.12.) bedeutet das neue Energiekonzept eine klare Niederlage Töpfers: "Bundesumweltminister Klaus Töpfer kann es drehen und wenden wie er will: In dem seit Monaten schwelenden Streit mit seinem Kabinettskollegen Jürgen Möllemann über den besten Weg zum Abbau der energiebedingten Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) hat sich der Liberale durchgesetzt. Da kann Töpfer noch so oft die entsprechenden Passagen des Koalitionsbeschlusses vom November 1990 und der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom Januar 1991 zitieren, in denen sich die Bundesregierung auf die Einführung einer CO2-Abgabe auch im nationalen Alleingang festgelegt hatte."

"Der Wert des Energiekonzepts liegt in der Schadensbegrenzung", meinte Die Welt (16.12.). Immerhin sei es Wirtschaftsminister Möllemann gelungen, seinen Umweltkollegen Töpfer "bei weiteren nationalen Alleingängen abzubremsen". Andererseits biete das Energiekonzept den deutschen Elektrizitätserzeugern kaum verläßliche Anhaltspunkte, mit welchen Energieträgern der wachsende Strombedarf hierzulande langfristig gedeckt werden kann: "Erfolgt die Finanzierung der künftigen Steinkohlenverstromung über den öffentlichen Haushalt oder weiter über den Kohlepfennig? Welche Eckdaten sind bei der geplanten atomrechtlichen Novellierung zugrundezulegen? Solange keine verbindlichen Antworten in Bonn vorliegen, werden die deutschen Elektrizitätserzeuger ihre inländischen Standortentscheidungen hinausschieben. Damit ist auch ein verstärkter Bezug von ausländischem (Kernenergie-) Strom programmiert. Auf diese Weise werden jedoch nicht nur ökologische Risiken, sondern auch nationale Wertschöpfungsmöglichkeiten exportiert."