September 1991

910911

ENERGIE-CHRONIK


Nukleare Abfälle nach Greifswald?

PreussenElektra will in Greifswald ein zweites zentrales Zwischenlager für nukleare Abfälle errichten. Dies kündigte der Vorstandsvorsitzende Hermann Krämer an. In Greifswald müsse ohnehin das dortige Kernkraftwerk entsorgt werden. Es biete sich daher der Bau eines obertägigen Lagers an, das nicht nur Teile des ausgedienten Kraftwerks, sondern auch nukleare Abfälle anderer Anlagen aufnimmt. Es sei auch möglich, am selben Standort ein Gaskraftwerk oder später ein neues Kernkraftwerk zu errichten. Bundesumweltminister Töpfer ließ dazu verlauten, daß er den Bau eines Zwischenlagers auf dem Gelände des stillgelegten KKW befürworte, da die dort vorhandenen rund 700 Tonnen Brennstäbe nicht mehr in die Sowjetunion zurückgebracht werden könnten (dpa, 22.9.; Hamburger Abendblatt, 23.9.; SZ, 25.9.).

In der betroffenen Region haben die Pläne Aufregung und Empörung ausgelöst. Die Stadt Greifswald wertete das Vorhaben als absolut negativen Faktor für die Entwicklung der gesamten Region Vorpommern (Ostsee-Zeitung, 24.9.; Norddeutsche Neueste Nachrichten, 24.9.).

PreussenElektra engagiert sich in Schweden

Für die unterirdische Endlagerung sieht PreussenElektra-Chef Hermann Krämer verbesserte Möglichkeiten, seit sein Unternehmen vor einigen Monaten ein Aktienpaket des schwedischen Energiekonzerns Sydkraft erworben hat, der Miteigentümer des bereits bestehenden Endlagers Forsmark bei Uppsala ist. PreussenElektra beabsichtige, weitere Anteile an Sydkraft zu erwerben (FR, 23.9.).

Töpfer erteilt Griefahn Generalanweisung

Bundesumweltminister Töpfer hat seine niedersächsische Kollegin Monika Griefahn per Generalanweisung verpflichtet, alle Einlagerungen von nuklearen Abfällen aus dem belgischen Mol zuzulassen, die "deutschen Abfallverursachern" zugeordnet werden. Die Ministerin hatte sich geweigert, die Abfälle aus Mol in Gorleben einzulagern, solange Zweifel daran bestehen, daß es sich dabei um deutsche Abfälle bzw. dieselben handelt, die von der ehemaligen Firma Transnuklear nach Mol geschickt wurden. Töpfer räumte vor der Presse ein, daß es in Mol zu "Vermischungen" gekommen sei. Es sei jedoch sichergestellt, daß in Gorleben nur solche Nuklearabfälle zwischengelagert werden sollen, die "nach Art und Menge den in der BRD entstandenen Abfällen entsprechen" (SZ, 11.9.).

"Töpfer macht Nägel mit Köpfen bei der Nutzung der Kernenergie", kommentierte die Elbe-Jeetzel-Zeitung (11.9.). "Die Stichworte Greifswald und Gorleben verdeutlichen sein Konzept. Mit der Entscheidung, das Atomkraftwerk Greifswald komplett stillzulegen, macht er deutlich, daß Sicherheit Vorrang vor einer Nutzung der Kernenergie behält. Mit der Auflage an Gorleben, radioaktives Material einzulagern, unterstreicht Töpfer, daß die Bundesregierung zu ihrem Entsorgungskonzept steht und damit auf die weitere Nutzung der Kernenergie mit hohem Sicherheitsstandard setzt."

Streit um Endlager Morsleben

Bundesumweltminister Töpfer will die Sicherheit im bislang einzigen deutschen Endlager für nukleare Abfälle bei Morsleben (Sachsen-Anhalt) mit bergbautechnischen Maßnahmen verbessern lassen. Er reagierte damit auf Vorwürfe von Mitarbeitern des Darmstädter Öko-Instituts, die das Lager als unsicher und einsturzgefährdet bezeichneten und der Reaktorsicherheitskommission vorhielten, mit der Empfehlung zur Weiterbenutzung des ehemaligen DDR-Endlagers gegen ihre eigenen, 1982 formulierten Sicherheitskriterien verstoßen zu haben. Auch Prof. Albert Günter Herrmann, Mineraloge an der Technischen Universität Clausthal, hat von einer weiteren Nutzung des Lagers Morsleben abgeraten, da es "mögliche Verbindungen zwischen Oberflächenwässern und den Sickerwässern in der Grube" gebe, d.h. der Salzstock undicht sei.

Der deutsche Einigungsvertrag sieht vor, daß das Endlager Morsleben aufgrund der alten, von DDR-Behörden ausgestellten Genehmigung bis 30. Juni 2000 weiterbetrieben werden darf. Wegen formaljuristischer Fehler bei der Übertragung der Anlage in bundesdeutsche Zuständigkeit hat jedoch das Bezirksgericht Magdeburg die Einlagerung bis auf weiteres gestoppt. Bei der noch ausstehenden Hauptverhandlung wird auch die Sicherheit des Lagers eine wichtige Rolle spielen (Ökologische Briefe, 4.9.; dpa, 9.9.; FR, 9.9.).