September 2025

250902

ENERGIE-CHRONIK


Reiche will Ausbau der Erneuerbaren bremsen und zugleich die Klimaziele einhalten

Die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat am 15. September den "Monitoringbericht zur Energiewende" vorgelegt, den Union und SPD Anfang April in ihrem Koalitionsvertrag vereinbarten und mit dessen Erstellung am 26. Juni die BET Consulting GmbH sowie das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) beauftragt wurden (PDF). "Darauf aufbauend", wie es in der Pressemitteilung des Ministeriums heißt, hat sie "zehn wirtschafts- und wettbewerbsfreundliche Schlüsselmaßnahmen" zu einer Neuausrichtung der Energiepolitik formuliert. Dabei handelt es sich allerdings lediglich um ihre bereits bekannten Absichtserklärungen (250801, 250803), die sie erstmals zusammenfassend und in sprachlich möglichst geschönter Form vorträgt (PDF).

Das Gutachten ist keine Auftragsarbeit in dem von Reiche gewünschten Sinn

Reiche hatte den Monitoringbericht schon vor der Auftragserteilung als dringend notwendigen "Realitätscheck" angekündigt. Das gab Anlass zu der Befürchtung, das Ergebnis werde eine Auftragsarbeit in ihrem Sinne sein. Dazu passte auch, dass die dem Auftrag beigefügte Leistungsbeschreibung die ausdrückliche Anweisung enthielt: "Die zu erarbeitenden Handlungsoptionen sind nicht an die bisherigen Zielszenarien der Bundesregierung gebunden. Es ist explizit eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Szenarien und deren Annahmen gewünscht."

Die Gutachter haben sich dem unüberhörbaren Ansinnen zu einer propagandistischen Unterstützung indessen verweigert, indem sie es bei einer Bestandsaufnahme aufgrund der untersuchten Studien sowie dem Aufzeigen von diversen Handlungsoptionen beließen. Einen parteilichen "Realitätscheck" in dem von Reiche gewünschten Sinne haben sie jedenfalls nicht abgeliefert. Vielmehr stellten sie fest: "Die Abwägung zwischen den genannten Handlungsoptionen ist eine politische Aufgabe, die in einem auf dieses Gutachten folgenden und erforderlichen Diskurs erfolgen sollte. Um diese Abwägung im politischen Raum treffen zu können, ist eine quantitative und ganzheitliche Betrachtung unentbehrlich."

Reiche will die gesetzlichen Vorgaben für Grünstrom und Klimaschutz angeblich nicht in Frage stellen

Wenn Reiche ihr nun vorgelegtes Zehn-Punkte-Programm angeblich auf dem Monitoringgutachten "aufbaut", verfolgt sie mit dieser Behauptung deshalb nur legitimatorische Zwecke. Soweit das Gutachten trotz der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit tatsächlich einen Einfluss gehabt haben sollte, war er allenfalls positiv. So fällt auf, dass Reiche den geplanten Gaskraftwerken nun doch wenigstens eine "Umstellungsperspektive auf Wasserstoff" zugestehen will. Außerdem versichert sie erneut, trotz der geplanten Abstriche an der Erneuerbaren-Förderung das im EEG festgelegte Ziel einhalten zu wollen, den Grünstrom-Anteil am Bruttostromverbrauch bis 2030 auf 80 Prozent zu erhöhen.

Ebensowenig will Reiche an den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes rütteln: Demnach müssen die deutschen Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent bzw. bis 2040 um mindestens 88 Prozent gesenkt werden (immer bezogen auf das Jahr 1990). Bis 2045 soll das Ziel der "Netto-Treibhausgasneutralität" erreicht sein. Diese Ziele sind allerdings ebenso hochgesteckt wie noch weit entfernt. Wenn Reiche angeblich ihre Einhaltung anstrebt, besagt das deshalb sehr wenig, da die gegenwärtige Bundesregierung bis dahin längst der Vergangenheit angehören wird.

Der normale Bericht zum Stand der Energiewende wurde bei der zusätzlichen Metastudie nicht einmal erwähnt

Mit dem von der Bundesregierung am 26. Juni in Auftrag gegebenen Monitoringbericht sollte gemäß dem Koalitionsvertrag "bis zur Sommerpause 2025 der zu erwartende Strombedarf sowie der Stand der Versorgungssicherheit, des Netzausbaus, des Ausbaus der Erneuerbaren Energien, der Digitalisierung und des Wasserstoffhochlaufs als eine Grundlage der weiteren Arbeit überprüft werden". Es geht also um denselben Themenbereich wie im Bericht zum Stand der Energiewende, den eine vierköpfige Expertenkommission seit 2011 jährlich ebenfalls im Auftrag der Bundesregierung erstellt (111015) und dessen zuletzt im Juni 2024 erschienene Fassung (PDF) im März dieses Jahres noch durch ein "Statusupdate" (PDF) ergänzt wurde. Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Bericht ist allerdings anders angelegt, da er als Metastudie ein gutes Dutzend anderer Studien auswertet, die sich mehr oder weniger intensiv mit den genannten Themen befassen. Die "Expertenkommission zum Monitoring der Energiewende" wird dabei lediglich unter den zwei Dutzend Institutionen genannt, mit deren Experten Gespräche stattgefunden hätten. Ihre Berichte werden sogar völlig ausgeblendet und nicht einmal im Literaturverzeichnis erwähnt.

Was sich die Koalitionäre von der zusätzlichen Metastudie versprochen haben, bleibt rätselhaft, da die jährlichen Berichte zum Stand der Energiewende durchaus eine sehr solide Informationsgrundlage bieten. Außerdem sind sie deutlich leichter zu lesen und gezielt nach Informationen zu durchsuchen als das nun veröffentlichte Ergänzungsprodukt. Dabei lassen die 259 Seiten mit dem sprachlich sehr saloppen Titel "Energiewende. Effizient. Machen." zunächst etwas anderes erwarten. Man wird den beiden beauftragten Instituten indessen zugute halten müssen, dass es binnen elf Wochen – als spätester Termin für die Abgabe des Endberichts war der 11. September vereinbart – gar nicht so einfach ist, einen derart umfangreichen Katalog an zusätzlichen kleineren Studien duchzuarbeiten und die dabei gesammelten Erkenntnisse zusammenzufassen.

 

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