März 2023

230309

ENERGIE-CHRONIK


Neue Erkenntnisse zu Sprengstoff-Anschlägen auf Ostsee-Pipelines?

Zu den Sabotage-Anschlägen auf die beiden Ostsee-Pipelines, die am 26. September vorigen Jahres durch Unterwasser-Sprengsätze schwer beschädigt wurden (220902), liegen inzwischen neue Erkenntnisse vor, die freilich alles andere als überzeugend sind. Sie basieren auf den Ermittlungen, die von der Staatsschutz-Abteilung des Bundeskriminalamts im Auftrag der Bundesanwaltschaft eingeleitet wurden und über deren Stand ein Recherchenetzwerk von ARD, SWR und der Wochenzeitung "Die Zeit" am 7. März berichtete. Demnach haben fünf Männer und eine Frau am 6. September den Hafen Rostock in einer gemieteten Jacht verlassen, in deren Kabine bei einer nachträglichen Untersuchung im Januar 2023 Spuren von Sprengstoff gefunden werden konnten. Außerdem lasse sich feststellen, dass die Jacht später im Ostseehäfen Wieck bei Greifswald und auf der dänischen Insel Christiansø nordöstlich von Bornholm angelegt habe. Dies stütze den Verdacht, dass diese Gruppe im Gebiet um die Insel Bornholm jene Sprengsätze gelegt haben könnte, die zwanzig Tage später explodierten. Vermieter der Jacht sei eine in Polen ansässige Firma, die zwei Ukrainern gehört. Zur Zusammensetzung der sechsköpfigen Gruppe lägen keine weiteren Angaben vor, da die bei der Anmietung vorgelegten Reisepässe offenbar gefälscht waren.

"New York Times" sieht Ukrainer am Werk – Kreml bezichtigt weiterhin die USA der Täterschaft

Laut der "New York Times" und anderen amerikanischen Medien vermuten US-Geheimdienste hinter dem Sextett eine pro-ukrainische Gruppe, die mit oder ohne Wissen der Regierung in Kiew die Anschläge ausgeführt haben könnte. Dass in der Kabine Spuren von Sprengstoff gefunden wurden und das Schiff ungereinigt zurückgegeben wurde, spricht allerdings eher dafür, dass absichtlich eine falsche Spur gelegt wurde. Der Transport, das Versenken und die Anbringung der großen Mengen Sprengstoff in einer Tiefe von 70 bis 80 Meter dürfte auch nicht so einfach zu bewerkstelligen gewesen sein. Der ukrainische Verteidigungsminister Resnikow empfand diese Berichte deshalb "wie ein Kompliment für unsere Spezialkräfte", bestritt aber jede Beteiligung.

In Moskau unterstellte der Putin-Sprecher Peskow den USA, sie wollten mit der Verdächtigung von Ukrainern von der eigenen Täterschaft ablenken. Er hielt damit strikt an der propagandistischen Marschroute fest, die er schon unmittelbar nach den Anschlägen verkündet hatte (220901). Der Hauptverdächtige in diesem Verwirrspiel bleibt indessen noch immer der Kreml.

Wurden die Sprengsätze unter dem Deckmantel eines russsischen Manövers gelegt?

Plausibler klingt unter diesen Umständen ein knapper Bericht, den das Nachrichtenportal "t-online" am 26. März aufgrund eigener Recherchen veröffentlichte, die sich auf "Informationen aus Sicherheitskreisen und öffentlich einsehbare Daten" stützen. Demnach hatte die russische Ostseeflotte am 19. September große Manöver begonnen, die zur Vorbereitung des am 26. September verübten Anschlags gedient haben könnten. Satellitenbilder würden belegen, dass in der Nacht zum 21. September mindestens drei verdächtige Schiffe den russischen Flottenstützpunkt Kaliningrad verließen: Die "SS-750", die über ein Mini-U-Boot mit Greifarmen verfüge, sowie die Schlepper "SB-123" und "Alexander Frolow", die mit Lastkränen ausgestattet seien. Auf ihrem Weg Richtung Westen hätten die beiden Schlepper am Nachmittag des 21. September einmalig Positionsdaten gesendet. Drei weitere Schiffe der russischen Marine könnten dem Verband angehört haben, um die Operation militärisch abzuschirmen: das Spionageschiff "Syzran", die Korvette "Soobrazitelny" und die Fregatte "Yaroslav Mudry".

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