Februar 2022

220210

ENERGIE-CHRONIK


Einstweilige Verfügung gegen Aufspaltung der Grundversorgung abgelehnt

Das Landgericht Köln hält es für zulässig, wenn ein Grundversorger den gesetzlich vorgeschriebenen Tarif für die Strom- oder Gasversorgung so differenziert, dass ab einem bestimmten Datum neu hinzukommende Strom- oder Gaskunden mehr bezahlen müssen als die Bestandskunden. Am 8. Februar lehnte es den Antrag der Verbraucherzentrale NRW, der Rheinenergie AG (Stadtwerke Köln) eine derartige Aufspaltung zu untersagen, als "unbegründet" ab (220103). Die Verbraucherzentrale will nun Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegen. Sie hatte solche einstweiligen Verfügungen auch gegen die Stadtwerke Wuppertal und Gütersloh beantragt, nachdem diese wie die Rheinenergie nicht auf eine entsprechende Abmahnung reagierten. Hier gab es noch keine Entscheidungen. Die Klage gegen die Rheinenergie dürft sich damit zum Pilotverfahren in einer Streitfrage entwickeln, die früher keine Rolle spielte, aber seit Jahresende 2021 große Bedeutung erlangte. Seitdem haben nämlich Hunderte von Grundversorgern spezielle Tarife für Neukunden der Grund- und Erstversorgung eingeführt, um sich vor den Folgen der Preisexplosion an den Spotmärkten für Strom und Gas zu schützen (211202).

Rheinenergie macht Mehrkosten für 25.000 Ersatzversorgte geltend

Zum Beispiel begründete die Rheinenergie ihre Tarif-Spaltung damit, dass sie als Grund- und Ersatzversorger innerhalb weniger Tage mehr als 25.000 neue Kunden aufnehmen musste, die von den bisherigen Lieferanten im Stich gelassen wurden. Sie habe aber nur für die vielen Hunderttausende an Bestandskunden im voraus entsprechende Energiemengen beschaffen und auf dieser Basis die Preise stabil halten können. Die zusätzlich benötigte Energie habe sie deshalb zu den aktuellen Börsen-Höchstpreisen nachbeschaffen und die Mehrkosten an die neuen Kunden weitergeben müssen. Ursache des Problems seien die "Energiediscounter" gewesen, deren Geschäftsmodell bei steigenden Energiebeschaffungskosten nicht mehr funktionierte.

Gebot der Gleichpreisigkeit schliesst Differenzierung nicht aus

Das Landgericht zeigt für diese Argumentation viel Verständnis. Es kann auch im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) keine Anhaltspunkte dafür finden, dass eine derartige Aufspaltung in Neu- und Bestandskunden unzulässig sei. Zwar schreibe § 36 Abs. 1 EnWG im Grundsatz eine Gleichpreisigkeit im Bereich der Grundversorgung von Haushaltskunden vor, weil hier das Wettbewerbsprinzip in Anbetracht der Versorgungspflicht im selben Paragrafen nicht greife. Dieser Grundsatz gelte auch im Bereich der Ersatzversorgung, Indessen werde das Gebot der Gleichpreisigkeit nicht verletzt, wenn Grund- bzw. Ersatzversorger mehrere Preise und Tarife anbieten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehe es Energieversorgungsunternehmen auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene – etwa verbrauchsabhängige - Tarife anzubieten. Dasselbe gelte, wenn lediglich das Datum des Vertragsschlusses maßgeblich ist, ohne dass der jeweilige Haushaltskunde zwischen verschiedenen Tarifen wählen kann.

Zustimmend zitiert das Gericht in seinem Beschluss aus der Stellungnahme der Landeskartellbehörde Nordrhein-Wesfalen, die auf Anfrage eines Stadtwerks zustande kam (211202). Darin wird die Preisspaltung für rechtlich zulässig und sogar für geboten gehalten, weil andernfalls "eine verfassungswidrige Ausgestaltung der Grundversorgungspflicht" zu befürchten sei. "Diese Ausführungen entsprechen der Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die Kammer", heisst es am Ende des Zitats.

Lichtblick erwirkt einstweilige Verfügung gegen Preisspaltung der Mainova

Dagegen hat das Landgericht Frankfurt am Main dem Stromanbieter Mainova (Stadtwerke Frankfurt) untersagt, von Neukunden in der Grund- und Ersatzversorgung höhere Preise zu verlangen. Wie der Stromvertrieb Lichtblick am 20. Februar mitteilte, hält das Gericht die Preisspaltung für wettbewerbswidrig und auch für unvereinbar mit dem Energiewirtschaftsgesetz. Die Mainova bestätigte zwei Tage später, dass sie zum 3. Januar 2022 gesonderte Preise für Neukunden in der Grund- und Ersatzversorgung eingeführt hat, "wie auch über 400 andere Energieversorger", die sich für die plötzliche Flut von Ersatzversorgten zusätzliche Mengen zu einem hohen Marktpreisniveau nachbeschaffen müssten. Nachdem das Landgericht dem Lichtblick-Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stattgegeben habe, werde sie diese gesonderten Preise wieder "auf das Niveau der grundversorgten Bestandskundschaft anpassen". Dessen ungeachtet halte sie die Entscheidung für falsch und werde gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch einlegen. Dabei rechne sie mit guten Erfolgsaussichten, da die Landgerichte Berlin, Leipzig und Köln in gleicher Sache eine andere Auffassung vertreten würden.

 

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