Februar 2020

200212

ENERGIE-CHRONIK


Aus für Stadtwerke Aurich

Die Stadtwerke Aurich wollen ihren Strom- und Gasvertrieb noch in diesem Jahr aufgeben. Am 20. Februar beschloss der Rat der Stadt einstimmig, die Geschäftsführung zu Kaufpreisverhandlungen mit möglichen Interessenten zu ermächtigen. Faktisch bedeutet dies das Ende der Stadtwerke, an denen der in Aurich ansässige Windkraftanlagen-Hersteller Enercon mit 40 Prozent beteiligt ist.

Die Stadtwerke Aurich GmbH blieben seit ihrer Gründung vor zehn Jahren ein schwachbrüstiges Unternehmen. Die 2013 vom Stadtrat beschlossene Übernahme des örtlichen Strom- und Gasnetzes (131112) scheiterte bisher auch im zweiten Anlauf am Widerstand des alten Konzessionsinhabers EWE. Eine mit der Veolia-Tochter BSEnergy geschlossene Vereinbarung zur technischen Unterstützung beim Netzbetrieb kam dadurch nicht zum Tragen. Der 2016 gestartete Energievertrieb mit "Ostfriesenstrom" und "Ostfriesengas" – der eigentliche Lieferant war die Gelsenwasser AG – kam ebenfalls auf keinen grünen Zweig, da die EWE als Grundversorger eine weitaus stärkere Position besaß und diese behaupten konnte (161114).

Enercon wollte am Unternehmenssitz ein "Modellprojekt" realisieren

Dabei verfolgten die Stadt und ihr privater Geschäftspartner einst sehr hochfliegende Pläne. Laut Enercon-Magazin "Windblatt" (01/2017) wollte der WKA-Hersteller "an seinem Unternehmenssitz ein Modellprojekt für die dezentrale, regionale Energiewende realisieren". Es sei ihm darum gegangen, die Vision des Firmengründers Aloys Wobben zu verwirklichen, "in Ostfriesland erzeugten Windstrom möglichst vollständig in der Region zu verbrauchen beziehungsweise zu speichern". Da Enercon zahlreiche Windkraftanlagen selber betreibt, hätte diese angestrebte Verflechtung von Erzeugung, Netz und Vertrieb wohl etliche Fragen aufgeworfen. Zum Zugriff der Stadtwerke auf das örtliche Stromnetz kam es aber erst gar nicht.

Stattdessen musste Enercon regelmäßig 40 Prozent der Verluste ausgleichen, die durch das magere Vertriebsgeschäft entstanden. Unter diesen Umständen verschwand das Interesse an der Beteiligung, zumal das Unternehmen mittlerweile mehr mit Produktionsverlagerungen ins Ausland als mit dem Ausbau inländischerr Standorte beschäftigt ist (191105). Als Hauptinteressent für die Übernahme der nicht gerade umfangreichen Kundenkartei gilt die EWE, gegen die sich die Gründung der Stadtwerke einst richtete. Der Oldenburger Kommunalkonzern soll auch bereits ein Angebot vorgelegt haben, das bis Ende Juni befristet ist.

Falls EWE nicht zugreift, gibt es noch drei weitere Optionen

Der jetzt gefasste Beschluss des Stadtrats sieht außer dem Verkauf des Vertriebs aber noch drei weitere Optionen vor. Bei der "stillen Liquidation" würde der Vertrieb Ende März sang- und klanglos eingestellt und die Stadtwerke Aurich GmbH nach Ablauf der gewerblichen Lieferverträge zum Jahresende 2022 aufgelöst. Die zwölf Mitarbeiter würden mit jeweils einem Monatsgehalt abgefunden. Bei der "Fortführung mit reduziertem Umfang" würde der Vertrieb unter Anlehnung an Kooperationspartner mit verminderter Mitarbeiterzahl fortgesetzt und vor allem auf das Online-Geschäft konzentriert. Hinzu gibt es eine vierte Option: Falls es mit EWE zu keiner Einigung kommt, könnte ein anderer Käufer nicht nur das Vertriebsgeschäft, sondern den gesamten Firmenmantel einschließlich der Rechtsposition der Stadtwerke in dem noch nicht abgeschlossenen Streit um die Vergabe der Strom- und Gasnetzkonzessionen erwerben.

 

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