Mai 2019

190507

ENERGIE-CHRONIK


RWE beerdigt das letzte Projekt eines Kohle-Kraftwerks

RWE hat die geplante Errichtung eines Braunkohle-Kraftwerks mit "BoA-Plus"-Technik am Standort Niederaußem nun auch offiziell beerdigt. "Der künftige Fokus von RWE liegt auf der Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien", hieß es in einer Pressemitteilung vom 26. April. Folgerichtig werde das Unternehmen nicht mehr in neue Kohlekraftwerke investieren. Auch die Planungen für das Projekt BoA Plus würden nun endgültig eingestellt. Das Vorhaben sei eine Option gewesen, um bestehende Kraftwerke durch eine neue Anlage mit höheren Wirkungsgraden zu ersetzen. Seine Realisierung habe schon bisher unter dem Vorbehalt der Wirtschaftlichkeit gestanden.

"Boa Plus" sollte Wirkungsgrad der Braunkohleverstromung auf bis zu 50 Prozent erhöhen

Das BoA-Plus-Konzept war eine Weiterentwicklung des "Braunkohlenkraftwerks mit optimierter Anlagetechnik" (BoA), das 2002 am Standort Niederaußem in Betrieb ging (020911). Mit einer Nettoleistung von 965 MW und einem Wirkungsgrad von über 43 Prozent ergänzte der BoA-Block neun ältere Braunkohle-Blöcke, die zwischen 1963 und 1974 ans Netz gingen und lediglich Wirkungsgrade zwischen 31 und 37 Prozent erreichten. Später baute RWE am benachbarten Standort Neurath zwei weitere BoA-Blöcke, die über eine Leistung von jeweils 1100 MW verfügen (120807). Alle drei BoA-Blöcke sind bis heute in Betrieb. Sie werden voraussichtlich auch die letzten sein, die RWE im Zuge des geplanten Kohleausstiegs abschaltet (190101).

Durch Vorschalten einer Trocknungsanlage sollte "Boa Plus" den Wirkungsgrad der BoA-Braunkohleverstromung auf 48 bis 50 Prozent erhöhen. Der Energiekonzern verfolgte dieses Konzept seit 1998. Zugleich verabschiedete er sich damit von älteren Plänen für ein "Kombikraftwerk mit integrierter Kohlevergasung" (Kobra), das den Wirkungsgrad auf etwa 45 Prozent gesteigert hätte (980311).

Projekt war vom Baustopp für neue Großkraftwerke ausgenommen

Im August 2012 verkündete RWE sowohl den Verzicht auf den Bau neuer Kernkraftwerke im In- und Ausland als auch die Absicht, bis auf weiteres keine neuen Großkraftwerke auf Basis von Kohle und Gas zu errichten. Die Pläne für die Boa-Plus-Anlage in Niederaußem wurden davon aber ausdrücklich ausgenommen. Auf ihre Realisierung wurde lediglich aus Opportunitätgründen verzichtet. "Grundsätzlich halten wir die Braunkohleverstromung im rheinischen Revier auch auf lange Sicht für sinnvoll und notwendig", erklärte der damalige Vorstandsvorsitzende Peter Terium. "Eine Bauentscheidung werden wir jedoch erst dann treffen, wenn rechtssichere Genehmigungen vorliegen und die Wirtschaftlichkeit gegeben ist." (120812)

RWE will künftig vor allem als regenerativer Stromerzeuger gesehen werden

Seitdem sind die BoA-Plus-Pläne infolge der energiepolitischen Entwicklung noch unrealistischer geworden (170411). Den Anstoß zur längst überfälligen Verabschiedung von dem Projekt gab offenbar das geplante Tauschgeschäft mit E.ON, mit dem RWE sich auf den Kraftwerksbereich konzentrieren und dabei vor allem als Betreiber regenerativer Stromerzeugungsanlagen gesehen werden möchte (190202). "Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und treiben die Energiewende konsequent voran", liess sich RWE-Chef Rolf Martin Schmitz in der Pressemitteilung zitieren. "Neue Kohlekraftwerke haben in unserer Zukunftsstrategie keinen Platz mehr. RWE wird nach Abschluss der Transaktion mit E.ON einer der global führenden Erzeuger im Bereich Erneuerbare Energien sein." Allerdings würden "bestehende Kohlekraftwerke noch als Backup-Kapazität benötigt, auch wenn ihr Anteil immer weiter zurückgehen wird".

 

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