Februar 2018

180206

ENERGIE-CHRONIK


Koalitionsvertrag muß erst noch von SPD-Mitgliedern gebilligt werden

CDU, CSU und SPD haben am 7. Februar ihre Verhandlungen über eine Fortsetzung der Großen Koalition mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin abgeschlossen. Ihre gemeinsamen politischen Ziele für die 18. Legislaturperiode formulierten sie in einem 177 Seiten umfassenden Koalitionsvertrag. Dieser wird allerdings erst dann wirksam, wenn ihm eine Mehrheit der SPD-Mitglieder zustimmt. Das Ergebnis der Mitgliederbefragung soll am 4. März bekanntgegeben werden. Der Unmut innerhalb der Partei erreichte zuletzt einen neuen Höhepunkt, weil der einst mit hundertprozentiger Zustimmung gewählte Parteivorsitzende Martin Schulz, der im und nach dem Bundestagswahlkampf kläglich versagt hat (170802), für seinen erzwungenen Rückzug von der Parteispitze mit dem prestigeträchtigen Amt des Außenministers entschädigt werden sollte. Schulz hätte damit den derzeitigen Amtsinhaber Sigmar Gabriel verdrängt, der in der Öffentlichkeit ungleich beliebter ist und auch als Politiker über ein beachtlicheres Format verfügt. Schon am 9. Februar blieb Schulz nichts anderes übrig, als auf das Amt des Außenministers zu verzichten, um die ohnehin ungewisse Billigung des Koalitionsvertrags durch die Mitglieder nicht noch zusätzlich zu gefährden. Gabriel ging aus dem Streit allerdings auch ramponiert hervor. Es ist deshalb fraglich, ob er weiterhin Außenminister bleiben wird.

Altmaier wird voraussichtlich neuer Wirtschaftsminister

Gemäß Koalitionsvertrag bekommen die drei Parteien jeweils soviel Ministerien wie bisher, nämlich die CDU sechs, die CSU drei und die SPD sechs. Die Ressortverteilung ändert sich jedoch: Die SPD übernimmt nun das Finanzministerium, das sie in der zweiten Großen Koalition (2005 bis 2009) schon einmal besaß. Als aussichtsreichster Anwärter gilt hier der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz. Dafür bekommt die CDU das Ministerium für Wirtschaft und Energie und wird es voraussichtlich mit dem bisherigen Kanzleramtsminister Peter Altmaier besetzen. Dabei ändert sich nichts an der erweiterten Zuständigkeit des Ministeriums, mit der sich einst der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel als Kanzlerkandidat seiner Partei profilieren wollte. Es umfaßt also weiterhin auch die Erneuerbaren Energien , die bis 2013 zum Bundesumweltministerium gehörten (131201). Im übrigen behält die SPD die Zuständigkeit für die Ressorts Auswärtiges, Arbeit/Soziales, Justiz, Familie und Umwelt, wobei letzteres höchstwahrscheinlich wieder von Barbara Hendricks geführt wird.

Das neue Klima-Fernziel ist noch ambitionierter als das alte

Die wichtigsten energiepolitischen Zielsetzungen der künftigen Regierung sind im Abschnitt Energie des Koalitionsvertrags enthalten. Weitere Absichtserklärungen zu diesem Thema findet man unter Klima sowie Mobilität und Umwelt und Innovation und Wirtschaftlichkeit beim Bauen. Inbegriffen sind dabei die beiden Punkte, über die sich die Verhandlungspartner schon bei ihren Sondierungsgesprächen verständigt hatten: Zum einen wird das bisherige Klimaziel für 2020 nun auch offiziell beerdigt, weil es offensichtlich nicht zu erreichen ist. Zum anderen sind Sonderausschreibungen für Wind- und Photovoltaikanlagen geplant, um den eher bescheidenen Zubau zu vergrößern, wie er bisher durch das EEG vorgegeben wird (180104).

Als neue Zielmarke gilt nun ein "Anteil von etwa 65 Prozent Erneuerbarer Energien bis 2030", während im alten Koalitionsvertrags von "55 bis 60 Prozent im Jahr 2035" die Rede war. Das neue Fernziel ist also noch ein bißchen ambitionierter. "Das Minderungsziel 2030 wollen wir auf jeden Fall erreichen", versichern die drei Parteien in ihrem Koalitionsvertrag. Gewiß ist bisher allerdings nur, daß sie das ursprüngliche Zwischenziel für 2020 weit verfehlen werden, obwohl sie insgesamt zwei Legislaturperioden hintereinander an der Regierung waren.

Geheimnisschutz soll atomrechtliche Verfahren nicht mehr behindern

In einem relativ umfangreichen Unterabschnitt zur Atompolitik kündigen die Koalitionäre an, "den beschlossenen Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie bis Ende 2022 zielgerichtet vorantreiben" zu wollen. Dazu gehört die Einführung eines "In-camera-Verfahrens im Hauptsacheverfahren", das es ermöglicht, in atomrechtlichen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten auch geheimhaltungsbedürftige Unterlagen einzubringen, ohne daß diese deshalb publik werden. Man will so offenbar verhindern, dass es nochmals zu einer Prozeßniederlage wie bei der Annullierung der Genehmigung für das Zwischenlager Brunsbüttel kommt (130602). Der EURATOM-Vertrag soll so angepasst werden, dass er nicht mehr auf die Förderung der Kernkraft durch die EU ausgerichtet ist. Auch will man verhindern, "dass Kernbrennstoffe aus deutscher Produktion in Anlagen im Ausland, deren Sicherheit aus deutscher Sicht zweifelhaft ist, zum Einsatz kommen". Dabei geht es um die fortdauernde Produktion des Areva-Brennelementewerks in Lingen. Im weiteren Sinne zählt dazu aber auch die UrananreicherungStillegung in Gronau, die unter anderem das Werk in Lingen beliefert (170103).

Keine Vereinbarung zur kurzfristig fälligen Änderung des Atomgesetzes

Dagegen scheint sich die Koalition noch keine Gedanken gemacht zu haben, wie sie dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember 2016 nachkommen will, das die Regierung bis spätestens 30. Juni 2018 zur Änderung des Atomgesetzes verpflichtet. Die Karlsruher Richter hatten beanstandet, daß die gesetzlichen Schlußtermine für die einzelnen Kernkraftwerke nicht in allen Fällen die Abarbeitung der zugesicherten Reststrommengen ermöglichen, die höherrangig zu bewerten sind (161201). Wie ein Damoklesschwert hängt über der Koalition außerdem der in Kürze zu erwartende Spruch des ICSID-Schiedsgerichts in Washington, vor dem der Vattenfall-Konzern 4,8 Milliarden Euro plus Zinsen für die Stillegung der Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel verlangt hat (161007). Das wäre ungefähr soviel, wie den Verbrauchern zugute käme, wenn die Stromsteuer auf EU-Mindestmaß gesenkt würde. – Eine Forderung, die bei den vorangegangenen Verhandlungen über eine "Jamaika-Koalition zunächst gute Chancen zu haben schien (170906). Im schwarz-roten Koalitionspapier ist dagegen – abgesehen vom teilweisen Abbau des "Solidaritätszuschlags" – nirgendwo die Rede von Steuersenkungen. Es wird lediglich "keine Erhöhung der Steuerbelastung der Bürger" versprochen.

 

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