Juli 2015

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ENERGIE-CHRONIK


Eckpunkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende

Politische Vereinbarungen der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 1. Juli 2015


Die Energiewende ist eines der zentralen Vorhaben der Bundesregierung. Wir wollen aus ihr eine ökologische und ökonomische Erfolgsgeschichte machen. Im vergangenen Jahr haben wir mit einer grundlegenden Reform des EEG die Kostendynamik der letzten Jahre durchbrochen und mehr Planungssicherheit für alle Akteure geschaffen.

Es geht jetzt um die konkreten Weichenstellungen für die Weiterentwicklung des Strommarkts. Ziel ist eine optimale Verzahnung (Systemintegration) der verschiedenen Bereiche. Damit wollen wir verlässliche und kostengünstige Lösungen erreichen, die den zukünftigen Anforderungen der Energiewende gerecht werden und den Anstieg der Strom- und Energiepreise dämpfen. Dazu gehört auch die weitere Integration in den europäischen Binnenmarkt.

Die Themen Strommarkt, KWK-Förderung, CO2-Minderungsbeitrag des Stromsektors und der Netzausbau sind fachlich eng miteinander verknüpft. Deshalb sollen die Grundsatzentscheidungen zu diesen Vorhaben im Zusammenhang getroffen werden. Die noch offenen Fragen zur Realisierung und Finanzierung des Rückbaus der Kernkraftwerke und der Entsorgung der radioaktiven Abfälle sollen ebenfalls gelöst werden. Auf der Basis der heutigen Beschlüsse sollen nach der Sommerpause die legislativen und sonstigen notwendigen Maßnahmen umgesetzt werden.

1. Die Grundsatzentscheidung: Strommarkt 2.0. - Mehr Wettbewerb und mehr Verantwortung

Der Strommarkt soll zu einem Strommarkt 2.0 weiterentwickelt und mit einer Kapazitätsreserve abgesichert werden. Auf der Basis einer breit angelegten Diskussion, zahlreicher wissenschaftlicher Gutachten, einem breit konsultierten Grünbuch werden wir die Weichen für einen zukunftsfähigen „Strommarkt 2.0“ stellen. Dieser soll ergänzt werden um eine Kapazitätsreserve außerhalb des Strommarktes. Der Strommarkt 2.0 ist ein weiterer wichtiger Schritt hin zu einer sicheren und wirtschaftlichen Stromversorgung in einem zunehmend von erneuerbaren Energien geprägten europäischen Markt.

Dabei geht es vorrangig um die folgenden Themen:

Mit einer Kapazitätsreserve stellen wir dem Strommarkt 2.0 eine zusätzliche Absicherung zur Seite. Im Unterschied zum „Kapazitätsmarkt“ umfasst die Kapazitätsreserve nur Kraftwerke, die nicht am Strommarkt teilnehmen und den Wettbewerb und die Preisbildung nicht verzerren. Diese Kraftwerke kommen nur dann zum Einsatz, wenn es trotz freier Preisbildung am Großhandelsmarkt wider Erwarten einmal nicht zur Deckung von Angebot und Nachfrage kommen sollte. Mit der Kapazitätsreserve wird gewährleistet, dass auch in einer solchen Situation alle Verbraucher Strom beziehen können.

Bis die Übertragungsnetze ausgebaut und Netzengpässe beseitigt sind, ergänzen sich in Süddeutschland Kapazitäts- und Netzreserve. Mit einer Novelle der Reservekraftwerksverordnung wird eine verlässliche Grundlage für die Vergütung von Kraftwerken in der Netzreserve geschaffen.

Wir werden die Reservekraftwerks-Verordnung anpassen. Ein Kraftwerk, das vorübergehend stillgelegt wird, erhält seine Betriebsbereitschaftsauslagen nicht erst ab seiner Stilllegung, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem die Bundesnetzagentur die Systemrelevanz des Kraftwerks feststellt. Kraftwerke, die noch nicht abgeschrieben sind, erhalten darüber hinaus in Zukunft als Ausgleich für ihren Werteverbrauch auch die anteilige Jahresabschreibung. Außerdem werden die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, damit Kraftwerke, die nur vorübergehend stillgelegt werden, in Zukunft bereits nach vier (anstelle von bislang fünf) Jahren wirtschaftlich an den Markt zurückkehren können. Damit wird auch der Fortbetrieb eines modernen Gaskraftwerkes wie Irsching erreicht.

Darüber hinaus wird ab 2021 als Teil einer Reservelösung für Süddeutschland ein Segment von bis zu 2 GW für neue, schnell startfähige Kraftwerke vorgesehen, die schwarzstartfähig (d.h. ohne Unterstützung durch das Stromnetz hochfahrbar) und hoch flexibel regelbar sind.

Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie wird die o.g. Maßnahmen in einem Weißbuch näher beschreiben und öffentlich konsultieren. Die Bundesregierung wird noch in diesem Jahr den Entwurf für ein Strommarktgesetz und eine Novelle der Reservekraftwerksverordnung vorlegen.

2. Förderung der Kraft-Wärme-Koppelung

Auch in Zukunft wird die effiziente und klimafreundliche Kraft-Wärme-Kopplung eine wichtige Rolle im Rahmen der Energiewende spielen. Allerdings muss die künftige Förderung der KWK so ausgestaltet werden, dass sie mit den anderen Zielen der Energiewende kompatibel ist. So macht es bei einem stetig steigenden Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien keinen Sinn, das Ausbauziel von 25 Prozent bis 2020 auf die gesamte Stromerzeugung zu beziehen. Das KWK-Gesetz wird anhand folgender Eckpunkte novelliert:

Damit die gestiegenen Kosten nicht alleine von den Haushaltskunden und dem Mittelstand zu tragen sind, werden wir auf eine faire und gerechte Verteilung hinwirken ohne die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie zu gefährden.

3. CO2-Minderungsbeitrag des Stromsektors

Wir stehen zu den nationalen und europäischen Klimaschutzzielen, die wir mit dem Kabinettsbeschluss zum Aktionsprogramm Klimaschutz am 3. Dezember 2014 erneut bekräftigt haben.

Im Projektionsbericht 2015 wird deutlich, dass wir das nationale Klimaschutzziel von 40% CO2-Minderung in 2020 gegenüber 1990 ohne zusätzliche Maßnahmen verfehlen würden. Daher werden die Maßnahmen im Aktionsprogramm Klimaschutz (u.a. in den Bereichen Energieeffizienz, Gebäude und Verkehr) umgesetzt. Außerdem sollen im Rahmen dieses Maßnahmenpakets 22 Mio. Tonnen CO2 unter besonderer Berücksichtigung des Stromsektors und des europäischen Zertifikatehandels zusätzlich eingespart werden.

Wir haben die unterschiedlichen Handlungsoptionen und ihre Auswirkungen auf die Unternehmen und ihre Beschäftigten ausgiebig konsultiert. Nach der Prüfung des Klimabeitrags sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass der Minderungsbeitrag von 22 Mio. Tonnen CO2 auch durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen erbracht werden kann. Die Alternative zur Einführung des Klimabeitrags sieht vor:

Maßnahmen Zusätzlicher CO2-Minderungsbeitrag pro Jahr Kosten
Kapazitätsreserve mit 2,7 GW Braunkohlekraftwerken 11,0 bis 12,5 Mio. t CO2 Umlage
Ggf. zusätzliche Minderung der Braunkohlewirtschaft
1,5 Mio. t CO2
1,5 Mio. t CO2 Zu klären
Zusätzliche KWK-Förderung 4 Mio. t CO2 500 Mio. Euro/Jahr über KWK-Umlage umzulegen
Effizienz im Gebäudebereich 2,5 Mio. t CO2 Öffentliche Mittel
Effizienz in den Kommunen 1,0 Mio. t CO2 Öffentliche Mittel
Effizienz in der Industrie 1,0 Mio. t CO2 Öffentliche Mittel
Effizienz bei der DB AG 1,0 Mio. t CO2 Öffentliche Mittel
Gesamt 22 Mio. t CO2  


Das vollständige Maßnahmenpaket und den Überprüfungsauftrag für das Jahr 2018 werden wir im Herbst 2015 im Bundeskabinett beschließen.

4. Bürgerfreundlicher Netzausbau

Mit der Energiewende ändern sich die Standorte der Stromerzeugung. Windkraft wird schwerpunktmäßig im Norden, Solarenergie schwerpunktmäßig im Süden ausgebaut. Das Stromnetz muss in die Lage versetzt werden, den vermarkteten Strom zu den Kunden zu transportieren. Daher wollen wir bestehende Netzengpässe beseitigen und die einheitliche Preiszone am Großhandelsmarkt in Deutschland dauerhaft erhalten. Moderne Gleichstromtechnik (HGÜ) ist in der Lage große Strommengen verlustarm über große Entfernungen zu transportieren; sie reduziert den Netzausbaubedarf.
Der geplante Netzausbau hat in den betroffenen Regionen zu erheblichen Sorgen geführt. Die Energiewende wie auch der Netzausbau sind nur realisierbar, wenn sie von den Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen werden. In den vergangenen Jahren ist deutlich geworden, dass Netzausbauvorhaben in manchen betroffenen Regionen auf Widerstand stoßen. Wir nehmen die damit einhergehenden Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst und werden gesetzgeberische Anpassungen an der Netzplanung und am Netzausbau vornehmen:

Die Koalition verfolgt beim SuedLink die folgenden Ziele:

Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie und die Bundesnetzagentur werden die dafür notwendigen Gespräche führen.

Dabei wird der zukünftige Vorrang von Erdverkabelung und – wo dies nicht möglich oder sinnvoll ist – auch die Nutzung vorhandener Trassen und Infrastrukturen helfen, eine verträgliche Gesamtlösung bei SuedLink zu erreichen.

Bei der Gleichstromleitung Südost verfolgt die Koalition die folgenden politischen Ziele:

5. Sicherer Ausstieg aus der Kernenergie

Es ist erklärtes Ziel, in Deutschland die Sicherheit des Restbetriebes der Kernkraftwerke, ihre Stilllegung und ihren Rückbau sowie die Zwischen- und Endlagerung der radioaktiven Abfälle technisch und finanziell zu gewährleisten. Die finanzielle und in weiten Teilen auch die operative Verantwortung liegt bei den kernkraftwerkebetreibenden Energieversorgungsunternehmen (EVU).

In einem Stresstest lassen wir durch einen Wirtschaftsprüfer die Vollständigkeit der zugrunde gelegten Kostenannahmen, die korrekte Bildung der Rückstellungen auf Grundlage der vorhandenen Kostenschätzungen und die den Rückstellungen gegenüberstehenden Aktiv-Vermögen der Unternehmen untersuchen. Ergebnisse erwarten wir bis Ende September 2015.

Unser Ziel ist die Gewährleistung der Sicherung der langfristigen Verfügbarkeit der finanziellen Mittel (keine Verkleinerung des Haftungsvermögens). Es ist darüber hinaus zu prüfen, wie die Anforderungen an Stilllegung, Rückbau, Zwischen- und Endlagerung unter Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der EVU langfristig gesichert werden können. Dabei gehen wir von dem Grundsatz aus, dass die Kosten für Stilllegung, Rückbau, Zwischen- und Endlagerung von den Verursachern getragen werden. Wir werden in Zusammenarbeit mit den Koalitionsfraktionen eine Kommission einsetzen, die unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Stresstests bis Ende November dieses Jahres entsprechende Empfehlungen entwickeln wird.

Betreffend der Zwischenlagerung von Castor-Behältern werden entsprechend dem Beschluss der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und -chefs der Länder vom 13.6.2013 Gespräche mit den Ländern geführt und Vereinbarungen getroffen.