Februar 2015

150214

ENERGIE-CHRONIK


 

Dumm gelaufen: In einem angeblich unveränderten Original-Dokument aus dem Jahr 2004, mit dem Moncrief vor Gericht seine Schadenersatzansprüche belegen wollte, befand sich diese "Figure 11" mit einer Darstellung der LNG-Kette und ihrer Kosten. Als Quelle diente eine aus dem Jahr 2003 stammende Publikation. Die Bildleiste war aber nachweislich erst in einer späteren Bearbeitung aus dem Jahr 2012 enthalten.

Dokument war gefälscht: Moncrief scheitert endgültig mit Schadenersatzklagen

Der US-amerikanische Öl- und Gasförderer Moncrief ist auch in den USA mit seinem Versuch gescheitert, unter Berufung auf angebliche Abmachungen mit den früheren Machthabern in Moskau, die in der Putin-Ära nicht eingehalten worden seien, riesige Summen an Schadenersatz zu verlangen. Ein Gericht in Fort Worth (Texas), vor dem Moncrief den russischen Staatsmonopolisten Gazprom auf 1,38 Milliarden US-Dollar Schadenersatz verklagt hatte, beschloß am 2. Februar die Einstellung des Verfahrens. Zuvor hatte sich herausgestellt, daß ein wichtiges Dokument gefälscht war, mit dem Moncrief seine Ansprüche belegen wollte. Das US-Unternehmen stimmte nicht nur der Einstellung des Verfahrens zu, sondern verpflichtete sich auch, künftig keine weiteren Klagen in dieser Angelegenheit anzustrengen.

Moncrief will mit der Gazprom seit 1997 – also noch in der chaotischen Ära unter Boris Jelzin – mehrere Vereinbarungen getroffen haben, die dem in Texas ansässigen Unternehmen einen Anteil von vierzig Prozent an der Ausbeutung des sibirischen Erdgasfelds Juschno-Russkoje zusicherten. Die Vereinbarungen wären demnach in einer Zeit zustande zustande gekommen, als der Staatsmonopolist so tief im Sumpf von Korruption und Nepotismus steckte, daß er vom eigenen Management ausgeplündert wurde und seine Rolle als wichtigster Devisenbringer des russischen Staates nicht mehr erfüllen konnte. Möglicherweise handelt es sich deshalb bei den beträchtlichen Summen, die Moncrief aufgrund dieser Vereinbarungen investiert haben will, schlicht um Schmiergelder.

Allerdings soll auch der neue Gazprom-Chef Alexej Miller, der im Juni 2001 von Putin eingesetzt wurde (010615), die Vereinbarungen mit Moncrief nicht widerrufen haben. Vielmehr soll sich Miller noch im Juli 2004 mit dem Unternehmenschef Richard Moncrief getroffen und anschließend um eine Ergänzung von dessen Vorschlägen für die Zusammenarbeit gebeten haben.

BASF/Wintershall und E.ON/Ruhrgas sollen Gazprom zum Vertragsbruch verleitet haben

Damals verhandelte Gazprom allerdings bereits mit E.ON und Wintershall über die Beteiligung an Juschno-Russkoje. Zunächst sah es so aus, als ob E.ON der Favorit wäre (040808). Im April 2005 kam dann aber - im Beisein von Kremlchef Putin und Bundeskanzler Gerhard Schröder - eine neue Vereinbarung mit der BASF-Tochter Wintershall zustande (050404), die ein Jahr später im Beisein von Putin und der neuen Bundeskanzlerin Angela Merkel abschließend besiegelt wurde (060403). Unterdessen verhandelten die Russen mit dem E.ON-Konzern weiter, und im Juli 2006 bekam dieser ebenfalls 25 Prozent minus eine Aktie an dem sibirischen Erdgasfeld (060703).

Bereits nach der Unterzeichnung der Grundsatzvereinbarung zwischen Gazprom und Wintershall im April 2005 verwies das US-Unternehmen auf seine angeblich bestehenden Ansprüche. Als keine Antwort kam, verklagte es Gazprom, BASF/Wintershall und E.ON/Ruhrgas vor einem Gericht in Texas auf Schadenersatz. Das amerikanische Gericht erklärte sich aber für unzuständig.

Nun versuchten die Amerikaner es mit der deutschen Justiz. Sie argumentierten damit, daß eine Klage vor russischen Gerichten von vornherein keine Aussichten hätte, da in Rußland keine rechtsstaatlichen Verhältnisse herrschen. Ersatzweise sei deshalb die deutsche Justiz zuständig. Zunächst verlangten sie vom BASF-Konzern Schadenersatz in Höhe von mehreren Milliarden Dollar, weil er den russischen Gasmonopolisten zum Vertragsbruch verleitet habe (060506). Das Landgericht Frankenthal fand indessen keine Belege für diese Behauptung (070813).

Daraufhin gründeten die Amerikaner die Moncrief Oil International (Deutschland) GmbH, die im September 2007 ins Frankfurter Handelsregister eingetragen wurde. Offenbar verfolgte diese Gründung den Zweck, die angeblichen Ansprüche des Mutterkonzerns auf ein in Deutschland ansässiges Unternehmen zu übertragen, denn die Moncrief Oil International (Deutschland) GmbH verklagte nun die russische Gazprom in Berlin, am Sitz der Gazprom Germania (071209). Das Landgericht Berlin verlangte allerdings von der deutschen Moncrief-Tochter, die mit einem Stammkapital von 25.000 Euro überaus schwach auf der Brust war, vorsichtshalber die Hinterlegung einer Prozeßkosten-Sicherheit von 1,8 Millionen Euro. Im April 2010 wies es die Klage ab, weil eine örtliche, sachliche oder internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht gegeben sei. Die deutsche Moncrief-Tochter verschwand daraufhin wieder aus dem Handelsregister.

Eine kurze Suche mit Google genügte

Die jetzige Niederlage mit der Verpflichtung, weitere Klagen zu unterlassen, verdankte das US-Unternehmen seiner Sorglosigkeit beim Umgang mit einem Dokument, das vor Gericht belegen sollte, wie intensiv man sich seinerzeit bereits mit Gazprom eingelassen habe. Es handelte sich um ein Finanzierungsmodell, das der frühere Moncrief-Finanzchef schon 2004 ausgearbeitet haben will, um mit Gazprom-Chef Alexej Miller besprochene Pläne zum Export von verflüssigtem Erdgas umzusetzen. In diesem Dokument, das dem Gericht angeblich in unveränderter Form vorgelegt wurde, befand sich eine Abbildung aus der LNG-Studie eines Wissenschaftlers der Universität von Texas, die im Januar 2003 erstmals erschienen und im Internet als PDF-Datei allgemein zugänglich war. Allerdings hatte es mittlerweile Bearbeitungen dieser Studie gegeben, und die daraus übernommene "Abbildung 11" entstammte nachweislich einer Version, die erst 2012 publiziert worden war. Einer der Gazprom-Anwälte fand dies mit Leichtigkeit heraus, als er bei "Google" die entsprechenden Suchbegriffe eingab...

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