Januar 2014

140113

ENERGIE-CHRONIK


Russen bauen Reaktoren in Finnland, Ungarn, Indien und Bangladesch

Die russische Atombehörde Rosatom positioniert sich weltweit als Billig-Anbieter von Reaktoren, dessen Geschäft dort beginnt, wo es für andere Anbieter von Nukleartechnik endet. So unterzeichnete Rosatom Ende Dezember eine Vereinbarung mit dem finnischen Konsortium Fennovoima Oy, das auf der Halbinsel Hanhikivi bei Pyhäjoki ein Kernkraftwerk errichten will (121002). Den Reaktor sollte zunächst die französische Areva (1.700 MW, Typ EPR) oder die japanische Toshiba (1.600 MW, Typ ABWR) liefern. Die beiden vorgesehenen Lieferanten kamen dem Konsortium aber ebenso abhanden wie der E.ON-Konzern, der ein Drittel der Finanzierung übernehmen sollte. Daraufhin griffen die Finnen auf das russische Angebot zurück. Eine Rosatom-Tochter soll nun bis 2024 einen Druckwasserreaktor mit einer Leistung von 1.200 MW errichten. Über den Preis wurde Stillschweigen vereinbart.

Ungarn läßt sich den größten Teil der Kosten vom Kreml vorfinanzieren

Am 14. Januar konnte Rosatom einen weiteren Auftrag aus einem EU-Land verbuchen: In Anwesenheit des russischen Präsidenten Putin und des ungarischen Ministerpräsidenten Orban wurde in Moskau der Vertrag über den Neubau von zwei 1.000-MW-Blöcken am Standort Paks (030505) unterzeichnet. Der Vertragsabschluß erfolgte nach monatelangen Geheimverhandlungen, ohne daß dem Projekt eine politische Debatte vorausging. Es gab zunächst auch keine Angaben zu den Kosten und anderen Details des Vorhabens.

Wie die deutschsprachige Internet-Tageszeitung "Pester Lloyd" berichtet, werden nach bisherigen Erkenntnissen die beiden neuen Blöcke in Paks zwischen zehn und zwölf Milliarden Euro kosten. Das entspräche mehr als zehn Prozent des ungarischen Bruttoinlandsprodukts. Der größte Teil dieser Summe bestehe aus einem Kredit über rund acht Milliarden Euro mit einer Laufzeit von dreißig Jahren, den der Kreml der ungarischen Regierung gewähren wird. Der Rest seien zwei bis drei Milliarden Euro, die aus dem chronisch klammen ungarischen Staatshaushalt abgezweigt werden. "Andeutungen aus der Regierungspartei legen außerdem nahe, daß man versuchen wird, EU-Gelder zur Finanzierung mit heranzuziehen, über Umleitungen aus anderen Projekten", schrieb das Blatt. "Brüssel sollte genau hinschauen. Einmal wenigstens!"

Das Kernkraftwerk Kudankulam entsteht direkt am Indischen Ozean

Am 22. Oktober 2013 ging in Indien der erste Block des neuen Kernkraftwerks Kudankulam ans Netz. Es handelt sich um einen 1000-MW-Reaktor des Typs WWER-1000, der mit russischer Hilfe errichtet wurde. Gegen den Bau gab es heftige Proteste, da das Kernkraftwerk direkt am Indischen Ozean in einer erdbebengefährdeten Region steht, die 2004 von einem Tsunami getroffen wurde. Ein zweiter Reaktor desselben Typs befindet sich im Bau. Außerdem ist die Errichtung von noch zwei weiteren Blöcken geplant. Eigentlich sollte Block 1 schon 2011 in Betrieb gehen. Die Fertigstellung verzögerte sich aber wegen des Widerstands aus der Bevölkerung. Nach der Katastrophe von Fukushima protestierten im September 2012 zigtausende von Menschen gegen das Projekt, wobei ein Demonstrant von der Polizei erschossen wurde.

In Bangladesch baut Rosatom seit Oktober 2013 an einem Kernkraftwerk, das 160 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Dhaka entsteht. Der erste Block mit einer Leistung von 1.000 MW soll bis 2018 ans Netz gehen und bis 2022 ein weiterer Reaktor desselben Typs folgen. Die Baukosten werden mit rund zwei Milliarden Dollar beziffert. Da das Land nicht über die notwendigen Mittel verfügt, wird das Projekt zu neunzig Prozent mit russischen Krediten vorfinanziert.

Weitere Abkommen über den Bau von russischen Kernkraftwerken gibt es für Belene in Bulgarien (110113), Akkuyu in der Türkei (100606), Chmelnizi in der Ukraine (100606), Belorusskaja in Weißrußland, Haripur in Indien und für einen Standort in Vietnam.

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