Oktober 2013

131008

ENERGIE-CHRONIK


SPD und CDU beschließen Mini-Stadtwerk, um Berliner Volksentscheid scheitern zu lassen

In Berlin haben SPD und CDU am 24. Oktober schnell noch die Gründung eines Mini-Stadtwerks beschlossen, um den für den 3. November angesetzten Volksentscheid über die weitergehenden Forderungen des "Berliner Energietischs" scheitern zu lassen. Ein entsprechender Antrag war erst am Vortag außerhalb der Tagesordnung dem Umwelt- und Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses vorgelegt worden. Die Oppositionsparteien Linke, Grüne und Piraten sahen darin einen Affront und Verstoß gegen parlamentarische Regeln. Auf Antrag der Linken wurde am folgenden Tag die Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses kurz nach Beginn unterbrochen. Zur Verabschiedung des Antrags mit den Stimmen der rot-schwarzen Senatsmehrheit kam es erst, nachdem der Ältestenrat des Parlaments eineinhalb Stunden über die Zulässigkeit des Schnellverfahrens diskutiert hatte.

Ein Erfolg des Volksentscheids wie in Hamburg (130901) ist nach diesem Schachzug kaum noch zu erwarten, da vordergründig sowohl die Senatsparteien als auch der Berliner Energietisch dieselben Ziele zu verfolgen scheinen und es für den Bürger schwierig wird, die tatsächlich divergierenden Zielsetzungen auf beiden Seiten zu unterscheiden. Das dürfte die Wahlbeteiligung zusätzlich mindern, nachdem der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) entschieden hat, den Volksentscheid erst am 3. November stattfinden zu lassen, anstatt ihn – wie in Hamburg – mit der Bundestagswahl zu koppeln. Der Volksentscheid kann aber nur erfolgreich sein, wenn nicht nur die Mehrheit der Teilnehmer, sondern mindestens ein Viertel der insgesamt knapp 2,5 Millionen wahlberechtigten Berliner mit Ja stimmt.

Das Mini-Stadtwerk soll nur Strom aus eigener Produktion anbieten dürfen

Der Gesetzentwurf des Berliner Energietischs, über den die Bürger am 3. November abstimmen, sieht die Gründung von Stadtwerken und einer Netzgesellschaft als Anstalten des öffentlichen Rechts vor. Die Stadtwerke sollen Strom aus erneuerbaren Energien anbieten, den sie selber produzieren oder einkaufen. Daneben sind die Erzeugung von Wärme und andere Aktivitäten wie Energiesparberatung vorgesehen. Die Netzgesellschaft würde zwar zu spät kommen, um sich um die Ende 2014 auslaufende Konzession für das Berliner Stromnetz zu bewerben. Sie soll aber die im März 2012 gegründete "Berlin Energie" übernehmen, die sich um die Konzession bewirbt, falls die Bewerbung erfolgreich ist.

Das von SPD und CDU beschlossene Stadtwerk soll dagegen eine Tochter der Berliner Wasserbetriebe (130908) sein und sich auf den Vertrieb von Strom aus erneuerbaren Energien beschränken, der mit eigenen Anlagen erzeugt wird. Diese Beschränkung würde die Neugründung von vornherein zu einem Mini-Stadtwerk ohne größere Bedeutung machen. Dessen Chefin wäre die Wirtschaftssenatorin und frühere Pharma-Lobbyistin Cornelia Yzer (CDU), die als entschiedene Gegnerin einer Rekommunalisierung der Stromversorgung gilt. – Das sei ungefähr so, als würde man "die NSA zum Datenschutzbeauftragten machen", meinte der energiepolitische Sprecher der Grünen, Michael Schäfer.

Die Gründung einer neuen Netzgesellschaft ist in dem Beschluß des Abgeordnetenhauses, der weniger die Handschrift der regierenden SPD als die ihres Koalitionspartners CDU trägt, nicht vorgesehen. Stattdessen bleibt es bei der landeseigenen "Berlin Energie", die auf Betreiben der vormaligen Senatskoalition aus SPD und Linken gegründet wurde, "um die Teilnahme des Landes Berlin am Interessebekundungsverfahren für die Gas- und Stromkonzessionen zu ermöglichen". Juristisch handelt es sich bei der "Berlin Energie" um eine Abteilung der Senatsverwaltung, in der neben dem im Mai 2013 berufenen hauptamtlichen Geschäftsführer Wolfgang Neldner bisher nur eine einstellige Zahl von Mitarbeitern tätig ist.

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