Oktober 2012

121012

ENERGIE-CHRONIK


 


Vom Einstieg in die Solarthermie versprach sich Siemens erhebliche Synergie-Effekte, denn das Unternehmen ist Marktführer bei Dampfturbinen für solarthermische Kraftwerke. Das Bild zeigt die Anlage Nevada Solar One bei Boulder City in Colorado, für die Siemens eine Dampfturbine mit 64 Megawatt Leistung lieferte.
Siemens-Pressebild

Siemens zieht sich aus dem Solargeschäft und "Desertec" zurück

Der Siemens-Konzern will sein Solargeschäft, mit dessen Wiederbelebung er erst vor drei Jahren begonnen hat, schon wieder abstoßen. Wie er am 22. Oktober mitteilte, führt er Gespräche mit Kaufinteressenten. Aufgrund veränderter Rahmenbedingungen, geringeren Wachstums und starken Preisdrucks hätten sich die in den Bereich Solarenergie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Der Unternehmensbereich Siemens Energy will sich künftig bei den erneuerbaren Energien auf Wind- und Wasserkraft beschränken. Die bisherige Abteilung Solar & Hydro wird aufgelöst.

Außerdem läßt Siemens seine Mitgliedschaft in der Desertec-Industrie-Initiative DII (100806) zum Jahresende auslaufen. Einer der Gründe dafür dürfte sein, daß das Wüstenstrom-Projekt auf Solarenergie und insbesondere solarthermische Kraftwerke ausgerichtet ist, die Siemens nach dem Verkauf dieser Sparte nicht mehr anbieten kann. "Wir werden unsere Mitgliedschaft in der DII nicht verlängern, aber den Desertec-Gedanken weiterhin unterstützen und in engem Kontakt mit der DII bleiben", hieß es dazu seitens der Siemens-Pressestelle. Die DII verfolge derzeit keine konkreten Projekte. Falls sich dies ändere, könne Siemens auch ohne Solarbereich als Technologiepartner zur Verwirklichung beitragen, etwa durch HGÜ-Technik, Netzsteuerung oder Windkraftanlagen.

Siemens setzte hauptsächlich auf Stromerzeugung mit solarthermischen Anlagen

Die Entscheidung hat weniger mit der anhaltenden Krise der Photovoltaik-Industrie (120405) als mit Ungewißheiten der Solarthermie zu tun, auf die Siemens in besonderem Maße gesetzt hat. "Der globale Markt für Solarthermie ist von vier Gigawatt auf zuletzt etwas über ein Gigawatt zurückgegangen" , sagte das zuständige Siemens-Vorstandsmitglied Michael Süß. In dem geschrumpften Sektor würden "künftig Spezialanbieter ihre Stärken ausspielen können“

Der Verkauf des Solargeschäfts betrifft einen Umsatz von rund 200 Millionen Euro und weltweit 680 Beschäftigte, von denen 160 im Bereich Photovoltaik tätig sind. Im Gegensatz zur Windsparte, die mit 9000 Beschäftigten inzwischen Milliarden umsetzt, blieb das Solargeschäft insgesamt ziemlich unbedeutend. Vor einem Jahr wurde deshalb die beiden Teile des Geschäftsbereichs erneuerbare Energien, die sich so ungleich entwickelten, in eigenständigen Abteilungen untergebracht. "Wir trennen Solar- und Windenergie, da sich diese beiden Märkte in sehr unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden", begründete damals Vorstandsmitglied Michael Süß die Neugliederung in "Solar & Hydro" und "Wind Power".

Der Solarbereich blieb für Siemens vor allem perspektivisch interessant, auch mit Blick auf die "Desertec"-Initiative, die die Wüsten Nordafrikas mittels solarthermischer Parabolrinnen-Anlagen für die Stromerzeugung nutzen will. Noch im September dieses Jahres stellte Siemens in Marrakesch einen neuen Solarreceiver vor, der dank verbesserter Effizienz einen höheren Anteil der Sonnenstrahlung nutzen kann. Die Solarthermie ist allerdings aufwendiger und teuerer als Windkraftanlagen, die beispielsweise in Marokko noch höhere Erträge als im windreichen Norddeutschland versprechen. Das zeigte auch die Insolvenz der Solar Millennium AG, die ihre Geldgeber über ein Jahrzehnt lang mit angeblich lukrativen solarthermischen Projekten geködert hat (111213). Die Krise der Photovoltaik dürfte für Siemens lediglich den letzten Anstoß gegeben haben, sich vom Solargeschäft komplett zu verabschieden.

Der erste Ausstieg aus dem Solargeschäft erfolgte vor zehn Jahren

Siemens galt einst als Weltmarktführer bei der Errichtung von Photovoltaik-Anlagen. Beispielsweise hat die Siemens Solar GmbH, an der das Bayernwerk bzw. E.ON 49 Prozent besaßen, 1997 in München die damals weltweit größte Dachanlage installiert (971112). Geschäftlich war die Siemens Solar allerdings kein Erfolg. Sie wurde deshalb 2001 in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Shell eingebracht (010321), kurz darauf ganz von Shell übernommen (020112) und schließlich an SolarWorld verkauft (060415).

Interesse am Solarbereich bekundete der Siemens-Konzern erst wieder, als er im März 2009 beim italienischen Unternehmen Archimede Solar Energy einstieg, das Solarreceiver für Parabolrinnen-Anlagen herstellt. Kurz darauf beteiligte er sich mit elf anderen Unternehmen an der Desertec-Industrie-Initiative (090702). Ende 2009 folgte die Übernahme des israelischen Unternehmens Solel Solar Systems, das als Solarthermie-Spezialist ebenfalls die Siemens-Produktpalette bei Dampfkraftwerken ergänzte. Parallel dazu errichtete Siemens kleinere Photovoltaik-Parks in Italien, Spanien und Frankreich, deren Nennleistung meistens im einstelligen Megawatt-Bereich lag. Die dafür erforderliche Photovoltaik wurde eingekauft – zum Beispiel beim chinesischen Unternehmen Suntech, mit dem Siemens Energy Anfang 2011 ein Rahmenabkommen über die Lieferung von Solarmodulen schloß.

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