November 2011

111114

ENERGIE-CHRONIK


Bezug von "Ökostrom" bringt Erneuerbare nicht voran

Wenn Stromverbraucher sogenannten "Ökostrom" kaufen, leisten sie damit keinen nennenswerten Beitrag zur Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung. Das gilt nicht nur für die bekannte Augenwischerei mit RECS-Zertifikaten (080102), sondern auch für solche Angebote, die ein vermeintliches Gütesiegel wie "ok-power" tragen. Mit dieser für Fachleute nicht überraschenden, ein breites Publikum aber doch verblüffenden Feststellung hat die ZDF-Wirtschaftssendung WISO am 31. Oktober die Ökostrom-Anbieter schwer verärgert.

Die Branche war es bisher gewohnt, daß allenfalls am Nutzen der RECS-Zertifikate gezweifelt wird. So hatte auch WISO nach der Reaktorkatastrophe in Japan in einem sehr unkritischen Beitrag am 21. März lediglich vor RECS-Zertifikaten gewarnt, aber im übrigen den Wechsel zu einem Ökostromanbieter als probates Mittel für umweltbewußte Bürger empfohlen, die den Ausstieg aus der Kernenergie und den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben möchten. Als vermeintlich neutraler Experte fungierte dabei ein Vertreter des "Öko-Instituts", das an der Ausgabe des "ok-power Label" beteiligt ist, mit dem beispielsweise die Einzelhandelskette Tchibo ihren "grünen Strom" bewirbt (101013). Ähnlich unkritisch waren bisher die Aussagen der "Stiftung Warentest" zu diesem Thema.

Der größte Teil des Stroms kommt aus alten Wasserkraftanlagen

In der neuesten Sendung hat WISO dagegen nachgefragt, wie sich bei den vermeintlich über jeden Zweifel erhabenen Ökostrom-Anbietern deren Portfolio im Jahre 2010 zusammensetzte. Demnach stammte der weitaus größte Teil des zertifizierten Stroms aus Wasserkraftwerken in Österreich, Norwegen und Deutschland, die überwiegend zum Altbestand gehören. Bei Greenpeace Energy erreichte der Wasserkraft-Anteil 99 Prozent, bei Lichtblick 98 Prozent und bei Naturstrom 72 Prozent. Der Rest waren Windstrom und Biomasse. Naturstrom bezog zu 60 Prozent aus deutschen Anlagen, die eigentlich Anspruch auf EEG-Vergütung hätten, bei denen aber die Vermarktung als Ökostrom lukrativer ist.

Dennoch lockt Greenpeace Energy die Kunden mit der Parole: "Bei anderen ist der Kunde nur König – bei uns ist er ein Kämpfer". Die Naturstrom behauptet in ihrer Werbung sogar, sie sei "Motor der Energiewende".

"Energiewende braucht die Ökostrom-Anbieter nicht"

"Die Masse des Ökostroms in Deutschland wird unter dem EEG produziert", erklärte zum Schluß der Sendung Sven Bode vom Hamburger arrhenius Institut für Energie- und Klimapolitik, das soeben im Auftrag der "Klima-Allianz" eine Studie zur künftigen Rolle von Gaskraftwerken in Deutschland vorgelegt hat (111104). "Das hat mit privaten Ökostrom-Anbietern nichts zu tun. Diese beziehen den Großteil ihres Stroms aus Altanlagen aus dem Ausland, das leistet keinen Beitrag für die Energiewende in Deutschland. Die wenigen Anlagen in Deutschland, mit denen Ökostrom-Anbieter werben, wurden in der Regel unter dem EEG-Anschub finanziert, das heißt, es haben die privaten Verbraucher schon ihren Beitrag geleistet, und jetzt, wo es wirtschaftlich wird, springen die privaten Anbieter auf diesen Zug mit auf. Für die Energiewende in Deutschland leisten Ökostrom-Anbieter, wenn überhaupt, einen vernachlässigbaren Beitrag. Die Energiewende braucht die Ökostrom-Anbieter nicht."

Das Geschäft floriert: In einem Jahr ein Zuwachs um 57 Prozent

Nach neuesten Angaben der Bundesnetzagentur bezogen im vergangenen Jahr 3,7 Millionen Haushaltskunden sowie 0,8 Millionen Gewerbe- und Industriekunden sogenannten Ökostrom. Das waren gut acht Prozent aller Haushaltskunden und fast zwanzig Prozent aller weiteren Letztverbraucher. Gegenüber 2009 stiegen die Ökostrom-Lieferungen um 57 Prozent auf 27,3 Terawattstunden (TWh). Die als Ökostrom deklarierte Strommenge betrug sogar 40,3 TWh, so daß in diesem Geschäftsbereich ein deutliches Überangebot besteht. Von dem tatsächlich vertriebenen Ökostrom waren 37 Prozent "nicht gelabelt", basierten also wohl in der Regel nur auf RECS-Zertifikaten. Von den sogenannten Label, die ein besonderes Gütesiegel darstellen sollen, entfielen 42 Prozent auf TÜV-Bescheinigungen (vor allem TÜV Nord und TÜV Süd), zu 11,5 Prozent auf "ok Power", zu 0,7 Prozent auf "Grüner Strom Label" und zu 8,7 Prozent auf andere Anbieter.

Wie die Bundesnetzagentur in ihrem "Monitoringbericht 2011" (111116) weiter feststellt, stehen für alle Arten von Ökostrom "deutlich zu große Elektrizitätsmengen aus Altanlagen zur Verfügung", als daß damit ein Nutzen für den Ausbau der erneuerbaren Energien verbunden sein müßte. Ein solcher Nutzen sei lediglich dann gegeben, wenn der Mehrpreis für Ökostrom tatsächlich einem Neubau von Anlagen außerhalb des EEG zugutekomme oder zumindest sichergestellt sei, daß der Strom aus neueren Anlagen stammt.