Februar 2011

110206

ENERGIE-CHRONIK


 

Vor zehn Jahren verkündete die EU-Kommission das Ziel, den Erneuerbaren-Anteil am Stromverbrauch der EU bis zum Jahr 2010 auf 21 Prozent zu steigern. Das Nichterreichen dieses Ziels, das sich bereits seit Jahren abzeichnet (070111), nimmt sie nun zum Anlaß, auch auf diesem Gebiet weitergehende Vollmachten zu fordern.

Die blauen Balken zeigen, wieweit die einzelnen EU-Staaten bis 2008 den jeweils für 2010 angestrebten Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch erreicht hatten (Prozentangaben links). Deutschland rangiert dabei an erster Stelle, weil hier die Zielmarke mit 12,5 % weit höher lag als in Ungarn (3,6 %) und mit 17,4 Prozent voraussichtlich weit übertroffen wird. Von den anderen Staaten hätten allenfalls fünf bis zehn die Chance, ihre Ziele noch zu erreichen, heißt es in einem vom 31. Januar 2011 datierten Papier der Kommission, dem diese Grafik entnommen ist.

Die schwarzen Punkte über den Balken zeigen, wieweit sich der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch der einzelnen Staaten bis 2008 erhöht oder verringert hat (Prozentangaben rechts).

Brüssel will über die Förderung der erneuerbaren Energien bestimmen

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben bei ihrem Energiegipfel am 4. Februar (110204) vorläufig davon abgesehen, dem Wunsch der Kommission nach einer weitergehenden "Harmonisierung" der Erneuerbaren-Förderung zu entsprechen. Die Kommission verfolgt aber weiter das Ziel, nationale Gesetze zur Förderung der erneuerbaren Energien wie das deutsche EEG durch eine EU-weite Regelung abzulösen.

In den "Schlußfolgerungen" des Energiegipfels heißt es zu diesem Punkt lediglich: "Die Kommission wird ersucht, intensiver mit den Mitgliedstaaten an der Umsetzung der Richtlinie über erneuerbare Energiequellen zu arbeiten, insbesondere hinsichtlich kohärenter nationaler Förderregelungen und Kooperationsmechanismen". Der Rat beschränkt sich also auf die Aufforderung, die freiwilligen "Kooperationsmechanismen" der geltenden Erneuerbaren-Richtlinie intensiver zu nutzen (siehe unten). Die Staats- und Regierungschefs berücksichtigen damit den Widerstand, der sich neuerdings im Europäischen Parlament gegen die forsche Gangart der Kommission bei der Demontage der nationalen Fördersysteme regt (110102).

Förderung soll auf besonders günstige Standorte und Technologien konzentriert werden

In dem vom 31. Januar datierten Papier "Erneuerbare Energien: Fortschritte auf dem Weg zum Ziel 2020" macht die Kommission dagegen deutlich, daß sie in solchen freiwilligen Kooperationsmechanismen nur einen Zwischenschritt sieht. Das Papier ist als "Mitteilung" an den Rat und das Europäische Parlament adressiert. Zu Beginn lobt sich die Kommission zunächst selber dafür, mit der seit Juni 2009 geltenden Erneuerbaren-Richtlinie (090614) "die Grundlagen für ein entschlossenes Handeln der EU im Bereich der erneuerbaren Energien gelegt" zu haben. Bis dahin habe nur ein "loser Rechtsrahmen" mit nichtverbindlichen Zielen gegolten, dessen unzureichenden Ergebnisse die "Änderung der politischen Vorgehensweise" erforderlich gemacht hätten.

Dennoch - so heißt es weiter - würden sich die meisten Mitgliedstaaten "weiterhin auf nationale Ressourcen konzentrieren, um ihre Ziele für 2020 allein zu erreichen". Sie hätten nicht versucht, "durch billigere Ressourcen in anderen Teilen des Binnenmarktes Kosten zu senken". Damit plädiert die Kommission für eine zentrale Steuerung und Konzentration der Erneuerbaren-Förderung auf besonders günstige Standorte und Technologien - etwa Offshore-Windparks im Norden oder solarthermische Kraftwerke im Süden -, wie dies auch die europaweit tätigen Energiekonzerne fordern (100408). Und wie die Energiekonzerne rechnet sie mit Einsparungsgewinnen von bis zu 10 Milliarden Euro jährlich, "wenn die Mitgliedstaaten die erneuerbaren Energien als Waren in einem Binnenmarkt statt auf nationalen Märkten behandeln würden".

Bisher sind die "Mechanismen der Zusammenarbeit" freiwillig

Die Kommission verweist darauf, daß bereits die geltende Erneuerbaren-Richtlinie solche "Mechanismen der Zusammenarbeit" enthält, die in die angestrebte Richtung weisen, bisher aber freiwillig sind. Es handelt sich dabei um:

Die Kommission will solche Instrumente ausbauen und verbindlich machen. "Die Fördersysteme sollten auf alle Fälle im Laufe der Zeit dahingehend angepasst werden, daß sie die beste Praxis anwenden, damit unangemessene Marktverzerrungen und übertrieben hohe Kosten vermieden werden", heißt es in dem Papier.

Plötzlich kostet die Energie-Infrastruktur sogar tausend Billionen Euro...

Die jährlichen Kapitalinvestitionen in erneuerbare Energien beziffert die Kommission mit derzeit 35 Milliarden Euro. Diese Summe müsse "rasch auf 70 Milliarden Euro verdoppelt werden, um sicherzustellen, daß die EU ihre Ziele erreicht". Die Umstellung der Fördersysteme sei auch notwendig, um diese Verdoppelung zu erreichen, denn bisher würden die Investitionen "im wesentlichen durch Investitionen des privaten Sektors getragen". Ferner könne eine Reihe von Finanzinstrumenten die Förderung "kosteneffizienter" gestalten. Im einzelnen nennt die Kommission Finanzhilfen, Darlehen, Bürgschaften, Equity-Fonds, Einspeisetarife, Prämien, Quoten-/Zertifikateregelungen, steuerliche Anreize, Ausschreibungen und "öffentlich-private Partnerschaften".

In diesem Zusammenhang beziffert die Kommission den gesamten Finanzbedarf für den Ausbau der Energie-Infrastrukturen in Europa bis 2020 mit "mehr als einer Billiarde Euro". Das wäre das tausendfache der Summe von einer Billion Euro, die sie im November nannte (101104). Es handelt sich aber offenbar um einen Übersetzungsfehler. In der englischsprachigen Fassung ist nach wie vor von "trillion" und in der französischen von "mille millards" die Rede. Der allgemeine Eindruck, daß die Kommission ziemlich willkürlich über das Geld der EU-Bürger verfügt, wird dadurch allerdings nicht entkräftet...

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