Januar 2011

110112

ENERGIE-CHRONIK


Nicht profitabel genug: Tognum gibt die Brennstoffzelle auf

Die Tognum AG hat die Beendigung aller Aktivitäten auf dem Gebiet der stationären Energieerzeugung durch Brennstoffzellen beschlossen. Sie stoppt und entwertet damit die langjährigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten an der Schmelzkarbonat-Brennstoffzelle vom Typ "Hot module", die von der MTU Friedrichshafen bzw. deren Tochter CFC Solutions GmbH im bayerischen Ottobrunn seit den neunziger Jahren geleistet wurden. Grund der Entscheidung sind offenbar kurzfristige Profitziele, die sich mit Brennstoffzellen nicht erreichen lassen, weil auf diesem Gebiet nach wie vor ein langer Atem erforderlich ist. Die MTU war vor fünf Jahren von einem jener "Private Equity"-Unternehmen übernommen worden, die es vorzugsweise auf nicht börsennotierte Unternehmen abgesehen haben, um sie dann an die Börse zu bringen oder in anderer Weise unter rein finanztechnischen Gesichtspunkten zu vermarkten.

Statt Serienfertigung das Aus: Eine der Schmelzkarbonat-Brennstoffzellen vom Typ "Hot module", wie sie bisher in Einzelexemplaren hergestellt wurden. Mit einer Leistung von 245 Kilowatt elektrisch und 180 Kilowatt thermisch können diese Aggregate für die dezentrale Strom- und Wärmeversorgung in Verwaltungsgebäuden, Krankenhäusern oder Industriebetrieben verwendet werden.
Pressefoto Tognum

In einer Ad-hoc-Meldung vom 29. Dezember begründete der Tognum-Vorstand die Beendigung der Brennstoffzellen-Aktivitäten mit "neuesten Absatzprognosen und einer sorgfältigen Abwägung von Chancen und Risiken". Man sei zu dem Ergebnis gelangt, daß sich dieses Geschäft "mittelfristig unter den zur Zeit weltweit erkennbaren Markt- und Förderbedingungen nicht kommerziell gestalten läßt". Am 28. Dezember seien auch Verhandlungen über eine Kooperation bei der Serienfertigung mit einem asiatischen Partner gescheitert. Dies habe den Ausschlag für die jetzt getroffene Entscheidung gegeben.

Scharf kritisiert wurde die Entscheidung von der IG Metall. Noch im Sommer habe die Gewerkschaft mit der Tognum AG einen Zusatz-Tarifvertrag geschlossen, um mit Mehrarbeit Entwicklungsrückstände in Ottobrunn aufzuholen, sagte die Friedrichshafener IGM-Bevollmächtigte Lilo Rademacher. Außerdem habe die Bundesregierung Anfang Dezember einen hohen einstelligen Millionenbetrag an Forschungsgeldern für die Weiterentwicklung dieser Technologie bewilligt. Wenn der Tognum-Vorstand nun diese Eigenentwicklung nicht zur Serienreife bringe, sondern eine Zukunftstechnologie einfach aufgebe, lasse er sich wohl eher von kurzfristigen Aktionärsinteressen leiten als von langfristigen Perspektiven für das Unternehmen. Von der Schließung des Brennstoffzellen-Bereichs seien 93 Arbeitsplätze betroffen. Zumeist handele es sich um hochqualifizierte Ingenieure, Techniker und Facharbeiter.

Die Serienfertigung hätte eigentlich schon beginnen sollen

Die von MTU entwickelte Schmelzkarbonat-Brennstoffzelle (MCFC) erbringt rund 245 Kilowatt elektrische und etwa 180 Kilowatt thermische Leistung. Sie eignet sich damit für die Energieversorgung von Industrie- und Gewerbebetrieben. Der elektrische Wirkungsgrad erreicht knapp 50 Prozent, die Abwärme eine Temperatur von 400 Grad Celsius. Beispielsweise wird seit Juli 2007 das Münchener Rechenzentrum von T-Systems von einer solchen MCFC-Brennstoffzelle mit Strom und Kälte versorgt. Bisher wurde das "Hot module" nur in Einzelexemplaren gefertigt und verkauft. Die Serienfertigung war aber geplant und sollte eigentlich schon 2010 beginnen.

RWE zog sich bald wieder zurück

Zeitweilig war auch der RWE-Konzern am "Hot module" interessiert. Die im März 2002 gegründete RWE Fuel Cells GmbH beteiligte sich im Juli 2003 mit 25,1 Prozent an der CFC Solutions GmbH, die bis dahin eine hundertprozentige MTU-Tochter war (030717). Der Energiekonzern gab diese Beteiligung aber schon nach dreieinhalb Jahren wieder an MTU zurück. "Einer strategischen Konzernentscheidung folgend, versteht sich RWE als Betreiber von Energieerzeugungsanlagen und nicht als deren Produzent", hieß es damals zur Begründung (070119).

Hinter dem Kunstnamen Tognum verbirgt sich ein Private-Equity-Geschäft

Die rund hundert Jahre alte MTU Friedrichshafen ist vor allem ein führender Hersteller von Großdieselmotoren und Antriebsaggregaten. Die Schmelzkarbonat-Brennstoffzelle gehörte nur zum Nebengeschäft. Seit 1960 war die MTU eine Tochter der Daimler-Benz AG. Ende 2005 wurde sie dann von der damaligen DaimlerChrysler AG für 1,6 Milliarden Euro an das schwedische Private-Equity-Unternehmen EQT verkauft. Den Erlös verwendete Daimler zur Stopfung der Milliardenlöcher, die durch den Kauf des maroden US-Konzerns Chrysler entstanden waren. Mit der MTU gelangte so auch die Brennstoffzellen-Tochter CFC Solutions unter das Dach der neugegründeten Konzernholding mit dem Kunstnamen Tognum, die neben der MTU noch ein paar kleinere Unternehmen umfaßt. Die neuen Private-Equity-Eigentümer brachten die Tognum AG 2007 an die Börse.

Inzwischen hat sich Daimler wieder in das Unternehmen eingekauft und ist mit 22,3 Prozent der größte Einzelaktionär der Tognum AG. Den Hintergrund bildet, daß der Automobilkonzern seine langfristigen Lieferbeziehungen mit MTU absichern möchte. Er ließ sich diese Sicherheit 585 Millionen Euro kosten. Er hat also mehr als ein Drittel der Summe, die ihm damals der Verkauf einbrachte, für den Rückerwerb einer schwachen Viertelbeteiligung bezahlt.

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