Juni 2010

100604

ENERGIE-CHRONIK


Gazprom stoppte Gaslieferungen an Weißrußland

Die russische Gazprom reduzierte ab 21. Juni ihre Gaslieferungen an Weißrußland, um die Bezahlung offener Gasrechnungen in Höhe von 192 Millionen Dollar durchzusetzen. Das Regime in Minsk reagierte mit einer Gegenrechnung über Transitgebühren in Höhe von 260 Millionen Dollar, die Gazprom schuldig geblieben sei. Am 22. Juni ließ der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko mitteilen, daß er sämtliche durch Weißrußland erfolgenden Gaslieferungen nach Westeuropa gestoppt habe. Der Streit wurde aber bereits am folgenden Tag im wesentlichen beigelegt.

Hauptursache des Streits war offenbar die Zahlungsunfähigkeit des Regimes in Minsk und dessen Versuch, höhere Transitgebühren zu verlangen. Mit der Ankündigung des Transitstopps wollte Lukaschenko mit Hilfe der EU-Staaten politischen Druck auf seine Gegenspieler im Kreml ausüben, denn Westeuropa bezieht über Weißrußland knapp zwanzig Prozent der russischen Gaslieferungen und etwa fünf Prozent seines gesamten Gasbedarfs.

Am 24. Juni ließen beide Seiten wissen, daß er jeweils andere Teil bezahlt habe. Ausgenommen blieb zunächst ein Teil der erhöhten Transitgebühren, die Lukaschenko verlangte. Gazprom überwies zunächst nur 228 Millionen anstelle der verlangten 260 Millionen Dollar. Nach Angaben eines Gazprom-Sprechers hat man sich aber bereits auf einen entsprechenden Zusatz zum Transitvertrag geeinigt. Um Druck zu machen, drohte Lukaschenko am 25. Juni erneut mit der Sperrung der Pipelines, falls Gazprom nicht innerhalb von 48 Stunden die restlichen 32 Millionen US-Dollar überweise.

Politische Differenzen überlagern den Streit um finanzielle Forderungen

Hinter dem rigiden Vorgehen des eng mit dem Kreml verbundenen Staatskonzerns Gazprom stecken auch politische Differenzen zwischen den autoritären Regimes in Moskau und Minsk. In der Vergangenheit genoß Weißrußland eher den Status eines privilegierten Partners. Trotz einer zweimaligen, mit Brachialgewalt durchgesetzten Erhöhung des ursprünglich sehr niedrigen Gaspreises (040117, 070104, 070809) mußte Weißrußland bisher deutlich weniger zahlen als die aus Moskauer Sicht unbotmäßige Ukraine (071210). Nach der nunmehr erfolgten politischen Wiedereinbindung der Ukraine (100402, 100606) braucht Moskau weniger Rücksicht auf Minsk zu nehmen, zumal Weißrußland als Gas-Transitland nur für Litauen und die russische Exklave Kaliningrad (ehemals Königsberg) von entscheidender Bedeutung ist. Die kurzfristige Sperrung der Gaslieferungen hatte deshalb vermutlich auch mit dem Widerstand Weißrußlands gegen eine mit Rußland und Kasachstan vereinbarte Zollunion zu tun, die zum 1. Juli in Kraft treten sollte.

Links (intern)