Mai 2010

100516

ENERGIE-CHRONIK


Personalia

Johannes Teyssen (50) hat Anfang Mai die Nachfolge des bisherigen E.ON-Chefs Wulf Bernotat angetreten (100316) und gleich den Vorstand des größten deutschen Energiekonzerns umgekrempelt: Von der alten fünfköpfigen Mannschaft ist außer Teyssen nur noch Finanzchef Marcus Schenk (44) übrig geblieben. Der Norweger Jorgen Kildahl (47), der bisher bei Statkraft für Handel und Erzeugung verantwortlich war, übernimmt nun eine sehr breit angelegte Zuständigkeit für das gesamte Strom- und Gasgeschäft. Von außen kommt auch die neue Arbeitsdirektorin Regine Stachelhaus (55), die zuletzt Geschäftsführerin bei Hewlett Packard und Unicef Deutschland war. Sie ist die erste Frau, die in den E.ON-Vorstand gelangt, und löst Christoph Dänzer-Vanotti ab. Nicht mehr im Vorstand vertreten ist ferner Lutz Feldmann, der unter Bernotat eine umstrittene Akquisitionspolitik (Endesa usw.) betrieben hat und dessen Aufgabenbereich künftig der Finanzvorstand Schenk mitübernimmt.

Um hauseigenen Nachwuchs handelt es sich dagegen bei Klaus-Dieter Maubach (48). Der promovierte Elektro- und Energietechniker war bisher Chef der wichtigsten Konzerngesellschaft E.ON Energie. Er übernimmt nun bei der Holding ein neu geschaffenes Vorstandsressort für Technologie, das wie Kildahls Verantwortungsbereich die ganze Breite des Konzerngeschäfts umfaßt. Beispielsweise vertritt er E.ON in der neuen "Nationalen Plattform Elektromobilität" (100505). Maubach gilt als enger Vertrauter des neuen Konzernchefs, in dessen Kielwasser er Karriere machte. Bis 2001 war er Chef des Regionalversorgers Wesertal, der 2003 in der E.ON Westfalen-Weser aufging (030708). Kurz vor dem Verkauf dieses Unternehmens an E.ON (020401) trat er selber in die Dienste des Konzerns und brachte es bis 2003 zum Vorstandsvorsitzenden des Regionalversorgers Avacon. Ab 2006 saß er im Vorstand der Muttergesellschaft E.ON Energie und wurde ein Dreivierteljahr später der Nachfolger von Johannes Teyssen, als dieser in den Vorstand der Holding aufrückte, um sich als "Kronprinz" auf die Nachfolge Bernotats vorzubereiten (061223).

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Andreas Kuhlmann (42) leitet ab 1. Juni den Geschäftsbereich Strategie und Politik des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Mit dem früheren Büroleiter des SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering wechselt erneut ein Famulus aus dem Politikgeschäft direkt in die Lobbyarbeit. Bereits seit 2008 amtiert die ehemalige CDU-Politikerin und Merkel-Vertraute Hildegard Müller als Chefin des BDEW (080712). Die Leitung des Bereichs Kommunikation übernahm zuvor Volker Holtfrerich, der früher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und dem Regierenden Bürgermeister Wowereit zu Diensten war (070414). Als Holtfrerich für ein Jahr in Elternteilzeit ging, engagierte der Verband kommissarisch den Kommunikationsberater Mathias Bucksteeg (42), der aktives Mitglied der FDP ist. Seit Januar leitet Bucksteeg den Geschäftsbereich Kommunikation hauptamtlich. Für Holtfrerich wird deshalb wohl eine neuer Posten gefunden werden müssen, wenn er zum 1. Juli aus der Elternteilzeit zurückkehrt. Jetzt fehlen dem Lobbyverband der Energiewirtschaft auf seiner Führungsebene eigentlich nur noch willige Kulissenschieber aus den Reihen von Grünen und Linken, um ihn rundum mit allen im Bundestag vertretenen Parteien zu vernetzen.

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Ralf Güldner (56) wurde neuer Präsident des Deutschen Atomforums (DAtF). Wie sein Vorgänger Walter Hohlefelder sitzt er hauptberuflich im Vorstand der E.ON Kernkraft GmbH. Vor dem Wechsel zu E.ON leitete er das weltweite Brennelementgeschäft der Areva NP. Außerdem war er Bundesvorsitzender der Kerntechnischen Gesellschaft (KTG) und Vorsitzender der World Nuclear Association (WNA). Seit Dezember 2009 amtiert er als Präsident des europäischen Branchenverbandes Foratom.

Seinen ersten Auftritt als Chef des Propagandavereins der deutschen Kernkraftwerksbetreiber hatte Güldner am 4. Mai in Berlin: Bei der Eröffnung der Jahrestagung Kerntechnik 2010 versäumte er nicht, die von der Atomlobby neuerdings entdeckte "Flexibilität von Kernkraftwerken" (100312) ins gebührende Licht zu rücken: "Die Stromerzeugung aus Kernenergie gleicht bereits die unstetige Einspeisung von Strom etwa aus Windenergie aus", behauptete er. "Insofern ergänzen sich Kernenergie und Erneuerbare hervorragend. Und nur zusammen können diese beiden in der Stromerzeugung praktisch CO2-freien Technologien dazu beitragen, dass Deutschland seine ambitionierten Klimavorsorgeziele auch erreichen kann."

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Utz Claassen (47) stellt wieder einmal sein überaus einnehmendes Wesen unter Beweis: Dieses Mal geht es um eine Millionen-Summe, mit der ihm die Solar Millenium AG die Übernahme ihres Vorstandsvorsitzes schmackhaft gemacht hat (091217). Obwohl Claassen den neuen Posten nur 74 Tage innehatte und von sich aus kündigte (100316), will er die erhaltenen Millionen nicht zurückzahlen. Nach dem Scheitern von Vergleichsgesprächen veröffentlichte Solar Millennium am 27. Mai eine Gewinnwarnung: Man gehe davon aus, daß die gegenüber Claassen bestehenden Rückzahlungsansprüche nun gerichtlich durchgesetzt werden müßten. Daraus ergebe sich "ein Ergebnisrisiko für das laufende Geschäftsjahr im hohen einstelligen Millionenbereich".

Claassen gilt als eine der unerfreulichsten Gestalten in der deutschen Energiewirtschaft, seitdem er als Chef der Energie Baden-Württemberg (EnBW) nicht nur deren Belegschaft gegen sich aufbrachte, sondern auch innerhalb der Branche und bei Politikern Assoziationen wie "Idi Amin" und "Rambo" auslöste. Als er den Chefsessel bei der EnBW räumen mußte, geschah dies mit einer fürstlichen Frühpension von 400.000 Euro jährlich. Etwas später ließ er sich für jenen Teil der Pension, der bis zum 63. Lebensjahr fällig gewesen wäre, eine einmalige Abfindung in Höhe von 2,5 Millionen Euro auszahlen, um den Posten bei Solar Millennium antreten zu können (091016).

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