Oktober 2009

091012

ENERGIE-CHRONIK


Streit um Konzessionsabgaben geht vors Oberlandesgericht

Das Bundeskartellamt hat es erneut einem kommunalen Versorger untersagt, die Konzessionsabgaben so auszugestalten, daß Wettbewerber faktisch benachteiligt werden. Ein entsprechender Beschluß gegen die Gasversorgung Ahrensburg (GAG) vom 16. September 2009 wurde inzwischen auf den Internet-Seiten der Behörde veröffentlicht. Wie schon in der vorangegangenen Entscheidung gegen den Bensheimer Strom- und Gasversorger GGEW (090616) vertritt das Bundeskartellamt die Auffassung, daß bei der Belieferung von Gaskunden durch Dritte in jedem Fall nur der für Sondervertragskunden zulässige Höchstsatz von 0,03 Cent/kWh als Konzessionsabgabe erhoben werden darf. Der bisher in Ahrensburg erhobene Höchstsatz von 0,27 Cent/kWh für allgemeine Gaslieferungen wird dadurch auf fast ein Zehntel reduziert.

Im Unterschied zur GGEW will die GAG gegen den Beschluß vorgehen und hat Ende Oktober Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingereicht. Die Frist zur Begründung der Beschwerde läuft noch bis Ende des Jahres. Falls das Gericht die Rechtsauffassung des Bundeskartellamts bestätigt, werden sich die Kommunen auf eine empfindliche Schmälerung ihrer Einnahmen aus Konzessionsabgaben einrichten müssen, da es im rechtlichen Sinne immer weniger "Tarifkunden" gibt.

Nach der Kommunalisierung stiegen die Konzessionseinnahmen um das Sechsfache

Die Stadt Ahrensburg hatte im Jahre 2006 das lokale Gasverteilnetz übernommen, nachdem der Konzessionsvertrag mit der E.ON Hanse ausgelaufen war. Neuer Grundversorger wurde nun die der Stadt gehörende GAG Gasversorgung Ahrensburg GmbH. Mit der Übernahme wurden alle Kunden, die vorher Sondervertragskunden waren, als Tarifkunden eingeordnet. Durch diese Maßnahme versechsfachten sich die Einnahmen aus Konzessionsabgaben. Zugleich verlangte die GAG auch von neuen Wettbewerbern die höhere Konzessionsabgabe für Tarifkunden, obwohl diese nur Sondervertragskunden hatten.

Grundversorger darf nur eigene Kunden als Tarifkunden einstufen

Nach Ansicht des Bundeskartellamtes verstößt diese Praxis gegen die Konzessionsabgabenverordnung und ist bereits deshalb mißbräuchlich. Zwar sei der Grundversorger in der Ausgestaltung seines Tarifangebots frei und nicht verpflichtet, mehr als die Grundversorgungstarife anzubieten. Er sei aber nicht befugt, pauschal alle kleineren Verbraucher in seinem Gebiet als Tarifkunden einzustufen und damit auch solche, die nach § 1 Abs. 3 u. 4 der Konzessionsabgabenverordnung (KAV) in Verbindung mit § 36 Abs. 1 und § 3 Nr. 22 des Energiewirtschaftsgesetzes keine Tarifkunden sind, weil sie von Dritten beliefert werden. Durch die Abrechnung der hohen Tarifkundenkonzessionsabgabe gegenüber Drittlieferanten verletze die GAG den § 2 Abs. 3 Nr. 2 der KAV, der für die Belieferung von Sondervertragskunden einen Konzessionsabgabenhöchstsatz von 0,03 Cent/kWh bei Gas vorschreibt. Dieser Höchstsatz begrenze über § 2 Abs. 6 S. 1, 2 der KAV auch die gegenüber Dritten maximal zulässigen Konzessionsabgaben, welche dem Durchleitungsentgelt hinzugerechnet werden dürfen.

Verschiebung der Gewinnmarge in die Konzessionsabgabe behindert Wettbewerber

Grundsätzlich hält das Bundeskartellamt den Konzessionsvertrag der Stadt Ahrensburg mit der ihr gehörenden GAG für wettbewerbswidrig, da er darauf abziele, konkurrierende Gaslieferanten durch Berechnung möglichst hoher Konzessionsabgaben zu benachteiligen. Zwar müsse die hohe Konzessionsabgabe auch vom eigenen Vertrieb der GAG gezahlt werden. Die Gemeinde könne aber auf eine Vertriebsmarge des kommunalen Versorgers verzichten, da dieser Verzicht durch die Erhöhung der Konzessionsabgabe kompensiert werde. Für die Gemeinde sei die Verschiebung der Gewinnmarge in die Konzessionsabgabe sogar steuerlich vorteilhaft.

Konzessionsabgaben sind eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen

Konzessionsabgaben sind in Deutschland seit Beginn der Elektrifizierung üblich. Sie wurden von den Gemeinden als Gegenleistung verlangt, wenn sie einem nicht in kommunaler Regie tätigen Unternehmen die Stromversorgung bzw. die Nutzung öffentlicher Wege zur Verlegung von Leitungen überließen. In der Regel bekam der Stromversorger dafür das exklusive Recht zur Verlegung von Leitungen und ein faktisches Versorgungsmonopol. Eine gesetzliche Regelung erfolgte erstmals 1941. Dabei wurden Höchstsätze für Tarif- und Sondervertragskunden festgelegt, die einen bestimmten prozentualen Anteil am Strompreis nicht übersteigen durften. Ebenfalls mit dem Ziel der Eindämmung als Strompreisfaktor wurden neue Konzessionsverträge generell untersagt. An dieser Praxis hielt auch die Bundesrepublik fest, so daß es jahrzehntelang kaum zur Veränderung bestehender oder zum Abschluß neuer Konzessionsverträge kam.

Dies änderte sich, nachdem das Bundesverwaltungsgericht im November 1990 grünes Licht für den Abschluß neuer Konzessionsverträge gegeben hatte (910803). Eine neue Verordnung erlaubte ab 1992 sämtlichen Gemeinden die Erhebung von Konzessionsabgaben. Sie legte absolute Höchstsätze fest, die für Haushaltskunden je nach Gemeindegröße zwischen 2,6 und 4,69 Pfennig/kWh, für Schwachlaststrom bei 1,20 Pfennig/kWh und für Sondervertragskunden bei 0,22 Pfennig/kWh liegen ( 911207). Obwohl den Kommunen kein automatischer Anspruch auf Ausschöpfung der Höchstgrenzen zustand (960310), entwickelte sich die Konzessionsabgabe damit zu einer sprudelnden Einnahmequelle für die Stadtkassen ( 940410). Nicht zuletzt machten viele Kommunen von der Möglichkeit Gebrauch, ihre bisherigen städtischen Eigenbetriebe in formal selbständige Versorgungsunternehmen umzuwandeln, um ihnen ebenfalls die Konzessionsabgabe berechnen und so quasi eine Art kommunaler Stromsteuer erheben zu können.

Die Definition von "Tarifkunde" wurde 1999 erst erweitert und 2005 wieder eingeschränkt

Die Energierechtsreform von 1998 beseitigte die Vergabe exklusiver Wegerechte durch die Gemeinden, beließ ihnen aber die Möglichkeit, die Konzessionsabgaben weiterhin für die Einräumung des einfachen Wegerechts zu erheben (980401). Allerdings erlangten nun Haushaltskunden, die von ihrem traditionellen Anbieter zu einem neuen Lieferanten wechselten, formal den günstigeren Status von Sondervertragskunden. Es bedurfte einer Änderung der Konzessionsabgabenverordnung, um sie weiterhin mit den höheren Sätzen belasten zu können (990718). Laut § 2 Abs. 7 galten fortan alle Stromlieferungen aus dem Niederspannungsnetz an Kleinverbraucher konzessionsabgabenrechtlich als Lieferungen an Tarifkunden, und wenn die Lieferung durch Dritte erfolgte, durfte gemäß § 2 Abs. 6 die Konzessionsabgabe für Tarifkunden auf die Netznutzungsentgelte aufgeschlagen werden.

Das Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005 änderte dann aber in Artikel 3 Abs. 40 auch verschiedene Punkte der Konzessionsabgabenverordnung und fügte ihr in § 1 die Absätze 3 und 4 neu hinzu. Als Tarifkunden gelten seitdem nur solche Kleinverbraucher, die auf Grundlage von Verträgen nach § 36 und § 38 sowie § 115 Abs. 2 und § 116 des Energiewirtschaftsgesetzes beliefert werden. Alle anderen Kunden sind Sondervertragskunden. Zugleich wurde die bisher pauschale Gültigkeit der Tarifkunden-Definition in § 2 Abs. 7 durch Vorschaltung der Formulierung "Unbeschadet des § 1 Abs. 3 und 4..." eingeschränkt. Das Bundeskartellamt stützt sich bei den jetzt ergangenen Entscheidungen auf diese aktuelle Rechtslage.

Links (Intern)

Link (extern, ohne Gewähr)