Oktober 2008

081001

ENERGIE-CHRONIK


Kartellamt zwingt E.ON zu Rückzahlungen an Gaskunden

Das Bundeskartellamt hat die ersten Verfahren wegen mißbräuchlich überhöhter Gaspreise abgeschlossen. Sechs Regionalversorger des E.ON-Konzerns mußten sich verpflichten, ihren Kunden mit der nächsten Gasabrechnung einen Bonus von durchschnittlich 35 Euro zu gewähren und eine bereits geplante weitere Erhöhung der Gaspreise um zwei Monate zu verschieben. Im Gegenzug stellt das Kartellamt die Mißbrauchsverfahren ein. Im einzelnen handelt es sich um E.ON Hanse, E.ON Avacon, E.ON Mitte, E.ON edis, E.ON Thüringer Energie und E.ON Bayern. Wie die Behörde am 6. Oktober mitteilte, kommen den Gaskunden dieser Unternehmen finanzielle Zugeständnisse im Umfang von insgesamt 55 Millionen Euro zugute. Weitere Ergebnisse aus den übrigen noch laufenden Verfahren würden in Kürze bekanntgegeben.

Im März 2008 hatte das Bundeskartellamt 35 Mißbrauchsverfahren gegen Gasversorger eingeleitet (080304). Es stützte sich dabei auf den neu eingeführten § 29 GWB, der die Energieversorger verpflichtet, die Angemessenheit ihrer Preise gegenüber den Kartellhörden nachzuweisen (071104). Offenbar wären die E.ON-Regionalversorger nicht in der Lage gewesen, diesen Nachweis zu führen. Durch ihre "freiwilligen" Zusagen vermieden sie einen rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens, der ihnen offiziell mißbräuchlich überhöhte Preise bescheinigt hätte.

Eine Reihe weiterer Mißbrauchsverfahren sind auf Länderebene anhängig. Von den rund 770 Gasversorgern in Deutschland unterliegen nur knapp 30 Unternehmen mit bundeslandübergreifender Grundversorgung der unmittelbaren Aufsicht des Bundeskartellamtes. Für die übrigen sind im Prinzip die Landeskartellbehörden zuständig. Die Gesamtzahl von 35 Mißbrauchsverfahren erklärt sich daraus, daß von den Landeskartellbehörden mehrere Verfahren gegen regionale Gasversorger an das Bundeskartellamt abgetreten wurden. Hierzu gehörte auch einer der sechs betroffenen E.ON-Versorger.

Preiserhöhungen dürfen Grenzen der Zumutbarkeit nicht überschreiten

Da die Genehmigungspflicht für Gas-Tarife schon 1998 aufgehoben wurde, waren die Verbraucher seitdem fast schutzlos den "Preisanpassungen" ausgesetzt, die ihnen von den Versorgern unter pauschalem Hinweis auf erhöhte Forderungen der Vorlieferanten und die allgemeine Koppelung der Gas- an die Ölpreise präsentiert wurden. Viele zahlten die erhöhten Rechnungen nicht oder nur unter Vorbehalt. Im September 2005 entschied das Hamburger Landgericht, daß Preiserhöhungen die Grenzen der Zumutbarkeit nicht überschreiten dürften und ihre Billigkeit nachzuweisen sei (050904). Ähnlich urteilte auch der Bundesgerichtshof (070614, 080504), obwohl er mit der beiläufigen Unterstellung eines einheitlichen Wärme-Marktes zeitweilig Verwirrung in der Rechtsprechung stiftete (080415).

Umkehr der Beweislast ermöglicht Behörden wirksameres Vorgehen

Im Oktober 2005 vereinbarten das Bundeskartellamt und die Kartellbehörden, künftig jeweils am 1. November die Preise der Gasunternehmen abzufragen, um zu prüfen, ob ein Mißbrauch der Gasmonopole vorliegt. Ein einheitliches Abfragemuster zum selben Stichtag sollte die Vergleichbarkeit der Preise gewährleisten (051004). Im Januar 2007 veröffentlichte das Bundeskartellamt auf seiner Internet-Seite die so ermittelten Gaspreise für Haushaltskunden von 738 Gasversorgern in ganz Deutschland für das Gaswirtschaftsjahr 2006/2007. Erfaßt waren jeweils vier typische Abnahmefälle. Dabei zeigte sich, daß die Kunden für dieselbe Verbrauchsmenge je nach Versorger bis zur Hälfte mehr bzw. weniger bezahlen mußten (070103).

Eine wirksamere Handhabe gegen die offenbar willkürlichen Preisunterschiede erhielten die Kartellbehörden aber erst mit der Änderung des Kartellrechts, die im Dezember 2007 in Kraft trat und die Energieversorger ausdrücklich verpflichtet, die Angemessenheit ihrer Gas- und Strompreise gegenüber den Kartellbehörden nachzuweisen (071104). Das Bundeskartellamt richtete auf der verbesserten gesetzlichen Grundlage sogleich eine neue Beschlußabteilung ein (080110) und gab zwei Monate später die Einleitung der Mißbrauchsverfahren bekannt (080304). In die Mißbrauchs-Untersuchung einbezogen wurde nur die Beschaffungs- und Vertriebskosten der Unternehmen, die nach Angaben des Bundeskartellamts bei Haushalts- und Gewerbekunden 55 Prozent des Endpreises ausmachten. Unberücksichtigt blieb der Rest aus Steuern und Abgaben (29 Prozent) und Netzentgelten (16 Prozent). Die betroffenen Unternehmen konnten somit kaum noch damit argumentieren, ihre höheren Preise seien durch Besonderheiten des Liefergebiets gerechtfertigt.