November 2005

051103

ENERGIE-CHRONIK


EU-Kommission sieht weiterhin schwere Defizite beim Wettbewerb

Die Europäische Union ist auch im Jahr 2005 noch weit von einem funktionierenden Wettbewerb im Energiebereich entfernt. Die Mitgliedstaaten müssen deshalb die Marktöffnungsbestimmungen gemäß der gemeinschaftlichen Gas- und Stromrichtlinie wirksamer umsetzen. Zu diesem Fazit gelangt der jährliche Bericht über die Fortschritte beim Binnenmarkt für Strom und Gas, der am 15. November von der Europäischen Kommission vorgestellt wurde.

Wie schon im Vorjahr (050104) bestätigt der Bericht über die Funktionsweise des Binnenmarktes für Elektrizität und Erdgas auch jetzt, daß der grenzübergreifende Wettbewerb noch unterentwickelt ist und den Kunden daher keine wirklichen Alternativen zu den nationalen Versorgern bietet. Schlüsselindikatoren hierfür seien die fehlende EU-weite Preiskonvergenz und der geringe Umfang des grenzübergreifenden Energiehandels.

Neue Richtlinien für Strom und Gas wurden verschleppt oder nur ungenügend umgesetzt

Schuld daran sei vor allem, dass es die Mitgliedstaaten versäumt haben, die seit Juli 2003 geltenden neuen Richtlinien für Strom und Gas (030704) rechtzeitig bzw. entschlossen genug umzusetzen. Eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten habe bei der Umsetzung der Richtlinien bis zu einem Jahr hinter dem Zeitplan gelegen. Andere hätten sie immer noch nicht umgesetzt. Außerdem begnügten sich viele Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in nationales Recht mit Minimalanforderungen. Die Kommission habe deshalb im Juni 2005 Klage gegen sechs Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben (050704).

Engpässe bei grenzüberschreitenden Verbindungen nicht beseitigt

Die Entwicklung eines echten Wettbewerbs werde ferner verhindert durch die mangelhafte Nutzung bestehender Infrastruktur und ungenügende zwischenstaatliche Vernetzung vieler Mitgliedstaaten im Stromsektor. Die Übertragungskapazität der grenzüberschreitenden Verbindungen zwischen den Mitgliedsstaaten (siehe Grafik) liege zum Teil unter dem Zielwert von mindestens zehn Prozent der installierten nationalen Produktionskapazität, der durch einen Beschluß des Europäischen Rats vom März 2002 bis zum 2005 erreicht werden sollte (020301). Zum Teil würden auch die vorhandenen Kapazitäten nicht hinreichend genutzt. Außerdem leide der Erdgasmarkt weiter unter einer mangelnden Liquidität sowohl der Erdgas- als auch der Transportkapazitäten.

Brüssel droht mit "strengeren Mitteln"

Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes erklärte: "Obwohl der Energiesektor für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in der EU eine lebenswichtige Funktion hat, haben wir Anzeichen für schwerwiegende Defizite bei der Funktionsweise festgestellt. Ich bin entschlossen, das Wettbewerbsrecht anzuwenden, um die europäische Industrie und den Verbraucher zu schützen." Der für Energie zuständige Kommissar Andris Piebalgs unterstrich, daß die Mitgliedstaaten die Strom- und Gasrichtlinien "schnell und vollständig dem Geist der Bestimmungen und nicht nur dem Buchstaben nach umsetzen müssen". Die Kommission werde weiterhin Druck auf die Mitgliedstaaten ausüben, damit sie die Maßnahmen treffen, die für größeres Wachstum und mehr Wettbewerb in Europa unabdingbar sind. "Sollte dies nicht geschehen, müssen wir zu strengeren Mitteln greifen."

Fünf Haupthindernisse für funktionierenden Wettbewerb

Die vorläufigen Ergebnisse der im Juni 2005 begonnenen Energiesektoruntersuchung zur Wettbewerbssituation bestätigen und ergänzen die Ergebnisse des Kommissionsberichts. Sie lassen insbesondere fünf Bereiche erkennen, in denen es mit dem Wettbewerb hapert:

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Mit dieser Grafik will der Bericht der EU-Kommission veranschaulichen, wie Engpässe bei den grenzüberschreitenden Strom-Verbindungen die unterschiedlichen Spotmarkt-Preisen der jeweiligen Länder beeinflussen. Unter der vom Europäischen Rat bis 2005 verlangten Importkapazität von mindestens zehn Prozent der nationalen Erzeugungskapazität liegen Italien (8 %), Portugal (8 %), Spanien (4 %), Großbritannien (3 %), Irland (6 %) und die Gesamtheit der drei baltischen Staaten (0 %).