Juni 2005

050606

ENERGIE-CHRONIK


Schwedisches Kernkraftwerk Barsebaeck stillgelegt

Schweden hat am 31. Mai auch den zweiten Reaktor des Kernkraftwerks Barsebaeck stillgelegt. Der erste der beiden 600-MW-Blöcke war bereits Ende November 1999 abgeschaltet worden (991219). Fünfundzwanzig Jahre nach einem Referendum im Jahr 1980, bei dem sich 58 Prozent der teilnehmenden Schweden für den schrittweisen Ausstieg aus der Kernenenergie ausgesprochen hatten, wurde damit erstmals ein komplettes Kernkraftwerk vorzeitig abgeschaltet. Die Stillegung des zweiten Reaktors war mehrfach verschoben worden. Ende 2004 hatte die schwedische Regierung definitiv die Außerbetriebnahme mit Ablauf des Monats Mai 2005 beschlossen. Dabei spielte auch die Rücksichtnahme auf den Nachbarn Dänemark eine wesentliche Rolle, dessen Hauptstadt Kopenhagen nur 25 Kilometer von Barsebaeck entfernt ist (siehe Grafik) und der deshalb seit Jahren die Stillegung der Anlage verlangt hat.

Die beiden Siedewasserreaktoren in Barsebaeck waren für eine Laufzeit von vierzig Jahren ausgelegt. Der 1999 abgeschaltete Reaktor 1 ging 1974 ans Netz und hätte noch eine Laufzeit von 15 Jahren gehabt. Der jetzt abgeschaltete Reaktor 2 war seit 1977 in Betrieb und erreichte somit eine Laufzeit von 28 Jahren.

Vorzeitige Stillegung weiterer Reaktoren unwahrscheinlich

Barsebaeck dürfte bis auf weiteres das einzige schwedische Kernkraftwerk bleiben, das vorzeitig vom Netz geht, da hinreichender Ersatz für wegfallende Kernkraftkapazitäten durch Erneuerbare Energien nicht in Sicht ist, der Neubau von Wärmekraftwerken mit den CO2-Zielen kollidiert und die Anti-Kernkraft-Stimmung im Lande wesentlich nachgelassen hat. Schweden deckt rund die Hälfte seines Strombedarfs mit Wasserkraft und die andere Hälfte zu etwa achtzig Prozent mit Kernenergie.

Nach dem Wegfall des zweiten 600-MW-Reaktors in Barsebaeck verfügt Schweden an den Standorten Forsmark, Oskarshamn und Ringhals noch über zehn Reaktoren mit einer elektrischen Nettoleistung von 8871 MW (siehe Tabelle). Wie Barsebaeck waren sie in den Jahren 1972 bis 1985 errichtet worden. Fünf der Reaktoren befanden sich noch im Bau, als der schwedische Reichstag aufgrund des Referendums von 1980 die Nichtinangriffnahme weiterer Neubauten und eine generelle Laufzeitbeschränkung auf 25 Jahre beschloß. Unter dem Eindruck der Katastrophe von Tschernobyl beschloß das Parlament 1988 die vorgezogene Stillegung je eines Reaktors in Barsebaeck und Ringhals bis 1995/96, machte diesen Beschluß aber 1991 wieder rückgängig.

Sydkraft und Vattenfall profitierten von sechs Milliarden Kronen Entschädigung

1997 billigte der Reichstag ein neues Konzept der damaligen Regierung, das die vorzeitige Abschaltung der beiden Blöcke in Barsebaeck bis 1998 bzw. 2001 vorsah, zugleich aber die ursprüngliche Festschreibung des geplanten Ausstiegs aus der Kernenergie bis zum Jahr 2010 aufhob (970615). Der Barsebaeck-Betreiber Sydkraft klagte gegen die zum 1. Juli 1998 angeordnete Stillegung des ersten Blocks in Barsebaeck. Er erreichte dadurch eine aufschiebende Wirkung (980507), obwohl sein Einspruch am Ende abgelehnt wurde (990623).

Nach der höchstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts einigten sich die Regierung und Sydkraft auf ein Entschädigungskonzept, das Sydkraft den Zugriff auf 1066 MW der vier Reaktoren in Ringhals sicherte, die bis dahin ausschließlich vom Staatskonzern Vattenfall betrieben wurden (991219). Der Vattenfall-Konzern erhielt seinerseits für die Abgabe einer Minderheitsbeteiligung von 25,8 Prozent an den Reaktoren in Ringhals eine Entschädigung von insgesamt 3,3 Milliarden schwedischen Kronen, die ihm beim Erwerb der Hamburgischen Electricitäts-Werke (001002) und dem anschließenden Debüt als "neue Kraft am deutschen Strommarkt" (020106) behilflich waren. Zugleich konnte sich der deutsche E.ON-Konzern durch die Übernahme von Sydkraft als zweite Kraft neben Vattenfall auf dem schwedischen Strommarkt positionieren (010403). Insgesamt ließ sich der schwedische Staat die Stillegung von Barsebaeck etwa sechs Milliarden Kronen (ca. 720 Millionen Euro) kosten.

Links (intern)

Die schwedischen Kernkraftwerke

(Stand 31.12.2004 /Quelle: E.ON)

  Gesellschafter Leistung in MW

In Betrieb
seit

Barsebaeck 2

Vattenfall, Sydkraft

600 1977
Forsmark 1 Vattenfall, Sydkraft, MKG 961 1980
Forsmark 2 Vattenfall, Sydkraft, MKG 954 1981
Forsmark 3 Vattenfall, Sydkraft, MKG 1185 1985
Oskarshamn 1

Sydkraft, Fortum

467 1972
Oskarshamn 2 Sydkraft, Fortum 602 1974
Oskarshamn 3 Sydkraft, Fortum 1160 1985
Ringhals 1 Vattenfall, Sydkraft 835 1976
Ringhals 2 Vattenfall, Sydkraft 872 1975
Ringhals 3 Vattenfall, Sydkraft 920 1981
Ringhals 4 Vattenfall, Sydkraft 915 1983