Oktober 2003

031011

ENERGIE-CHRONIK


Stromausfälle in Berlin, Lüneburg, Ludwigshafen und Mannheim

Im Oktober ereigneten sich in Berlin, Lüneburg, Ludwigshafen und Mannheim größere Stromausfälle, die jeweils 10.000 bis 100.000 Haushalte betrafen. Am 6. Oktober fiel in Lüneburg um 11.35 Uhr für rund 80.000 Menschen eine halbe Stunde lang der Strom aus, weil bei Wartungsarbeiten in einem Umspannwerk eine Sammelschiene ausgefallen war. Am 7. Oktober kam es im Berliner Stadtteil Wedding um 14.47 Uhr wegen eines Kabelschadens für rund 20.000 Haushalte zu einem Stromausfall, dessen Beseitigung zwischen einer halben Stunde und dreieinhalb Stunden dauerte. Am 8. Oktober gingen abends in Ludwigshafen am Rhein in sechs Stadtteilen die Lichter aus: Wegen eines defekten Schutzgeräts in einem Umspannwerk waren etwa 70.000 Menschen über eine Stunde lang ohne Strom. Am 9. Oktober kam es um 10.45 Uhr im Berliner Stadtteil Charlottenburg zu einem Kurzschluß in einem 110-kV-Kabel und dadurch zu einem Stromausfall für etwa 100.000 Haushalte, der zwanzig Minuten dauerte. Am 18. Oktober brach in Mannheim gegen 22.30 Uhr in einer Netzstation ein Brand aus, der zum Ausfall weiterer Netzstationen führte und etwa achtzig Minuten lang fast 10.000 Haushalte stromlos machte.

"Deregulierung begünstigt Stromausfälle"

Die Deregulierung des Strommarktes beeinträchtigt die Versorgungssicherheit. Diese Ansicht vertritt Dieter Rumpel, emeritierter Professor für Elektrische Anlagen und Netze an der Universität Duisburg. In einem Interview mit der Zeitschrift "Focus" (6.10.) bezeichnete Rumpel die Trennung von Stromerzeugung und -transport als grundsätzlichen Fehler, der die Sachzwänge des Netzbetriebs ignoriere und die Sicherheit der Stromversorgung wirtschaftspolitischen Zielsetzungen unterordne. Wörtlich sagte Rumpel:

"Die Politik hat sich in diesem komplexen System wie der Elefant im Porzellanladen benommen. Das kommerzielle Modell, das vorgeschrieben wird, ist meilenweit vom physikalischen entfernt. So etwas rächt sich gerade bei Störfällen. Stromerzeugung und -transport sind nun getrennt - das ist so, als wären Sie verpflichtet, im Auto Gas und Kupplung von verschiedenen Fahrern bedienen zu lassen. In unserem Schulungen sehen wir, daß die zuständigen Techniker zunehmend nicht mehr in derselben Warte sitzen, sondern gezwungenermaßen in getrennten Gesellschaften. Die Abstimmung dauert also viel länger. Außerdem müssen sie im Notfall auch noch alle möglichen legalen Fallstricke beachten. Es ist teilweise unklar, was die sich eigentlich noch sagen dürfen. Hinzu kommt, daß die für einen verläßlichen Betrieb so wichtigen Reservekapazitäten heute nicht mehr gern gesehen sind. Sie bringen keinen Profit."

Zum Glück sei die Deregulierung noch nicht so lange her und von den Privatkunden kaum wahrgenommen wurden, meinte Rumpel weiter. Deshalb besitze Deutschland noch immer die wohl beste Stromversorgung in Europa mit hinreichenden Reserven. Falls aber "wirklich alle Hamburger in München Strom kaufen würden und umgekehrt, dann hätten wir ein planerisches Problem, das auf die Zuverlässigkeit zurückwirkt". Die Leitungen zwischen den Stromversorgern könnten bestenfalls 20 bis 30 Prozent der vor Ort benötigten Leistungen transportieren. Die Leitungen zwischen den europäischen Staaten hätten eine noch geringere Übertragungskapazität, die beispielsweise im Falle Italiens schon durch den Normalbetrieb vollkommen ausgenutzt werde.

Unter Rumpel hatte das Fachgebiet Elektrische Anlagen und Netze an der Mercator-Universität Duisburg 1995 eine Software vorgestellt, die es ermöglicht, den Zusammenbruch und den Wiederaufbau von elektrischen Netzen am Bildschirm zu simulieren. Die von ihm gegründete Firma Dutrain hat mit diesem Trainingssimultator bisher 900 Betriebsführer von Netzleitzentralen geschult.