September 2003

030909

ENERGIE-CHRONIK


Stromausfall in London nährt Kritik an Deregulierung

Zwei Wochen nach dem Stromausfall in Nordamerika (030802) kam es am 28. August auch in der britischen Hauptstadt London zu einem "blackout". Die Störung begann um 18.20 Uhr Ortszeit und dauerte 34 Minuten. Sie betraf nur den Süden Londons sowie Teile von Kent. Dennoch sorgte sie für ein stundenlang andauerndes Verkehrschaos. Vor allem wurde der größte Teil der Londoner U-Bahn lahmgelegt, die erst im vergangenen Jahr ihre eigene Stromversorgung aufgegeben hatte, weil der Strombezug aus dem nationalen Netz vermeintlich zuverlässiger war.

Der Stromausfall verstärkte auch in Großbritannien die Kritik an der Deregulierung und Privatisierung der Stromwirtschaft, die hier unter der Regierung Thatcher besonders radikal und frühzeitig vorangetrieben worden war. Londons Bürgermeister Ken Livingstone sprach von "Schlamperei" und warf dem Netzbetreiber National Grid (NGC) vor, sich nicht genügend um die Modernisierung gekümmert zu haben. Dieser betonte demgegenüber, daß in den letzten zehn Jahren rund drei Milliarden Pfund in die Netze von England und Wales investiert worden seien.

Sicherung war falsch dimensioniert

Nach Angaben von NGC waren zwei von vier Stromleitungen, die den südlichen Teil Londons versorgen, wegen planmäßiger Wartungsarbeiten außer Betrieb. Als um 18.10 Uhr eine Störung an einem Transformator auftrat, wurde um 18.20 Uhr auch die dritte Leitung abgeschaltet. Normalerweise hätte die vierte Leitung zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung ausgereicht. Auf dieser Leitung war jedoch ein Schutzrelais mit einer falsch dimensionierten Sicherung bestückt worden, die bereits bei 1020 Ampere auslöste, statt erst bei einer fünffach höheren Stromstärke. Der Fehler war zwei Jahre lang unbemerkt geblieben. Nun bewirkte er wegen der höheren Belastung binnen Sekunden die Abschaltung des 275-kV-Kabels und damit den Totalausfall der Stromversorgung in Teilen der Hauptstadt.

National Grid war auch in Stromausfall in USA verwickelt

Der Netzbetreiber National Grid (NGC) ist eine Tochter der börsennotierten National Grid Transco (NGT), die in England und Wales das Stromtransportnetz sowie auf der ganzen britischen Insel die Erdgas-Pipelines betreibt. Eine weitere NGT-Tochter, National Grid USA, zählt in den USA zu den zehn größten Stromversorgern. Sie besitzt dort neben vier anderen Stromunternehmen die Niagara Mohawk, die rund 1,5 Millionen Kunden im Bundesstaat New York versorgt und in den Stromausfall vom 17. August verwickelt war.

Die britische Elektrizitätsversorgung war 1990 durch den "Electricity Act" in vier Teile aufgespalten worden, um diese so weit wie möglich privatisieren zu können: Die Kernkraftwerke blieben in der Obhut der staatlichen Nuclear Electric. Die fossil befeuerten Kraftwerke wurden von den Privatunternehmen PowerGen und National Power übernommen. Für das Übertragungsnetz wurde die Netzgesellschaft National Grid (NGC) zuständig. Hauptanteilseigner von NGC waren zunächst die zwölf Regionalversorger (REC). In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre wurden dann NGC und die Regionalversorger völlig privatisiert. An die Stelle der ehedem integrierten Regionalversorger (siehe Karte) traten rechtlich selbständige Netzbetreiber und Stromlieferanten, die allerdings weiterhin denselben Eigentümer haben können (siehe Übersicht). Im Jahr 2000 begann die National Grid Group mit dem Einstieg in den USA. Anfang 2002 übernahm sie dort für 8,9 Milliarden Dollar die Niagara Mohawk. Einige Monate später fusionierte die National Grid Group mit dem Gasversorger Lattice und dessen Betriebsgesellschaft Transco zur National Grid Transco (NGT).

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