November 2002

021104

ENERGIE-CHRONIK


Französische Kernkraftwerke nicht erbebensicher

Von den 54 französischen Reaktoren sind 34 nicht hinreichend gegen Erdbeben geschützt. Diese Schlußfolgerung zog am 3. November das Netzwerk "Sortir du nucléaire", ein Bündnis von über 600 Organisationen und Gruppen, die den Ausstieg Frankreichs aus der Kernenergie fordern. Die Kernkraftgegner stützten sich dabei auf zwei Verlautbarungen der nuklearen Aufsichtsbehörde ASN, die bereits im Oktober veröffentlicht wurden, aber erst aufgrund des Hinweises von "Sortir du nucléaire" sowie des aktuellen Erdbebens in Italien größere Beachtung fanden.

Bei sechs Reaktoren könnte die Fernbedienung der Ventile versagen

Wie die "Autorité de sûrete nucléaire" (ASN) am 3. Oktober auf ihrer Internet-Seite mitteilte, wurde sie am 5. August von der Electricité de France (EDF) darüber informiert, daß bei den Reaktoren der Leistungsklassen 900 MW und 1300 MW das Funktionieren von sicherheitsrelevanten Ventilen gefährdet sei, weil deren Fernbedienung im Falle eines Erdbebens versagen könnte. Der Mangel sei zuerst im November 2000 beim Reaktor 1 in Cattenom festgestellt worden. Anschließende Untersuchungen hätten ergeben, daß fünf weitere Reaktoren betroffen sind: Cattenom 3, Flamanville 2, Saint-Alban 2 sowie Golfech 1 und 2. Die ASN habe diese Sicherheitsmängel vorläufig in Stufe 1 der INES-Skala eingeordnet.

Mängel am Kühlsystem bei sieben Reaktoren

Am 28. Oktober berichtete ASN über Sicherheitsmängel bei sieben Reaktoren, die im Falle eines starken Erdbebens zum Versagen der (Not-) Kühlung führen könnten. Der Fehler sei erstmals 2000 in den Anlagen Bugey und Fessenheim bemerkt worden. Auf Weisung der Aufsichtsbehörde habe EDF die anderen Reaktoren überprüft und am 14. Oktober mitgeteilt, daß auch Chinon, Blayais und Tricastin sowie - weniger gravierend - Dampierre und St. Laurent betroffen seien. Die ASN habe diese Mängel ebenfalls in Stufe 1 der INES-Skala eingeordnet.

Atomaufsicht will Bürger nicht "unnötig beunruhigen"

"Sortir du nucléaire" warf der Aufsichtsbehörde ASN vor, sie habe die beiden brisanten Mitteilungen in ihrem Internet-Angebot "in einer Menge banaler Geschichten untergehen" lassen. Aktuell seien demnach elf KKW-Standorte unsicher: In Blayais, Chinon, Dampierre, Saint-Laurent, Tricastin, Fessenheim und Bugey sei die Kühlung der Reaktoren im Falle eines Erdbebens nicht gewährleistet. In Cattenom, Flamanville, Golfech und Saint-Alban drohe die Gefahr, daß die sicherheitsrelevente Ventile nach einem Erdbeben nicht mehr funktionierten. ASN-Leiter André-Claude Lacoste warf den Kernkraftgegnern seinerseits vor, sie bedienten sich unter Ausnutzung des aktuellen Erdbebens in Italien einer seit langem breit zugänglichen Information, "um die Bürger unnötig zu beunruhigen".

Schon früher Defekte an Notkühlsystemen

Im Mai 2001 war bei fünf französischen Kernkraftwerken ein konstruktionsbedingter Defekt festgestellt worden, der in den Kernkraftwerken Belleville, Cattenom, Golfech, Nogent und Penly das Funktionieren des Notkühlsystems gefährdete (010525). Die Aufsichtsbehörde hatte diese Störung gemäß Stufe 2 der "International Nuclear Event Scala" (INES) klassifiziert. Ein weiterer Störfall der Stufe 2 ereignete sich Ende 1999 im Kernkraftwerk Blayais bei Bordeaux, als der Orkan "Lothar" das Wasser der Gironde über die Deiche hinweg ins KKW-Gelände drückte (000121).

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