August 2002

020801

ENERGIE-CHRONIK


Ministererlaubnis für Fusion E.ON/Ruhrgas wird neu verhandelt

Die von E.ON und Ruhrgas erwirkte Ministererlaubnis zur Fusion beider Unternehmen, die das Oberlandesgericht Düsseldorf wegen "gravierender Verfahrensfehler" suspendiert hat (020701), wird am 5. September im Bundeswirtschaftsministerium neu verhandelt. Die Entscheidung trifft wiederum Staatssekretär Alfred Tacke, an den Bundeswirtschaftsminister Werner Müller das Verfahren delegiert hat, um dem Vorwurf der Befangenheit vorzubeugen (020201). Tacke wird vermutlich zur selben oder einer ähnlichen Entscheidung kommen. Es ist jedoch nicht klar, ob und wie schnell die beiden Fusionskandidaten tatsächlich grünes Licht für ihr Vorhaben erhalten und wie mögliche Modifikationen der ursprünglich erteilten Ministererlaubnis aussehen.

Nach Informationen des Berliner "Tagesspiegel" (29.8.) streben E.ON und und Ruhrgas parallel zur Neuverhandlung auch eine außergerichtliche Einigung an. Unter anderem gebe es Gespräche mit der Energie Baden Württemberg (EnBW), TXU Energy und Trianel, um diese zur Rücknahme ihrer Klagen gegen die Fusionserlaubnis zu bewegen. Im Gegenzug biete E.ON-Chef Ulrich Hartmann Vergünstigungen beim Bezug von Erdgas oder Erleichterungen bei der Nutzung von E.ON/Ruhrgas-Netzen an.

"Zweifel an der Rechtmäßigkeit nicht zerstreut, sondern eher noch bestärkt"

Der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat am 2. August seine vorläufige Eilentscheidung vom 11. Juli bestätigt. Wie er in einer Pressemitteilung erklärte, sind seine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis "nicht zerstreut, sondern eher noch bestärkt worden". Zum einen habe Staatssekretär Tacke die ihm obliegenden Verfahrenspflichten verletzt, als er der mündlichen Verhandlung im Erlaubnisverfahren vom 29. Mai 2002 fern geblieben sei. Ein zweiter gravierender Verfahrensfehler liege darin, daß Tacke es versäumt habe, die anderen Verfahrensbeteiligten zu nachträglichen "entscheidungserheblichen" Absprachen mit E.ON nochmals anzuhören.

Im Unterschied zur Eilentscheidung stützte das Gericht den neuen Beschluß nicht mehr auf den Vorwurf, daß Tacke es unterlassen habe, eine eventuelle Zuständigkeit der Europäischen Kommission zu prüfen. Die diesbezüglichen Bedenken seien auf einen Grad unterhalb der Schwelle "ernstlicher Zweifel" gesunken, aber noch nicht völlig behoben.

EnBW stark an Thüga oder Bayerngas interessiert

Der Beschwerde der Stromhändler Ampere und Trianel gegen die Ministererlaubnis haben sich auch die Stadtwerke Aachen und Rosenheim sowie die EnBW mit ihrer Beteiligung Concord und die amerikanische TXU angeschlossen. Auf die Beschwerde von EnBW reagierte E.ON mit dem Vorwurf, daß es dem Konkurrenten in erster Linie darum gehe, bei den von E.ON und Ruhrgas abzugebenden Beteiligungen bevorzugt bedient zu werden. In der Tat hat die EnBW schon im April starkes Interesse an der Thüga AG bekundet, die für E.ON zahlreiche Minderheitsbeteiligungen an Stadtwerken hält (020809). Da die Thüga von den Auflagen in der erteilten Ministererlaubnis nicht betroffen war, könnte sich die EnBW aber auch mit der Übernahme der 22-prozentigen E.ON-Beteiligung an Bayerngas zufriedengeben.

"Es muß dafür gesorgt werden, daß die Auflagen für den E.ON-Ruhrgas-Zusammenschluß so hart sind, daß sie die Nachteile für die deutschen Energieversorgungsstrukturen ausgleichen", hatte EnBW-Chef Gerhard Goll auf der Hauptversammlung seines Unternehmens am 23. April 2002 erklärt. "Für die EnBW wäre beispielsweise denkbar, daß E.ON ihre Beteiligung an Regionalversorgern, z.B. auch der Thüga AG, zum Verkauf anbieten muß. Wir sind stark interessiert an einem Erwerb der Thüga. Die Thüga ist ein exzellent aufgestelltes und geführtes Unternehmen."

Brüssel hält sich weiter für unzuständig

Die EU-Kommission hat es erneut abgelehnt, sich mit der Fusion zu befassen (020503). Sie begründete dies damit, daß E.ON und Ruhrgas zusammen zwei Drittel ihres Umsatzes in Deutschland machen würden. Anlaß der Stellungnahme war eine Beschwerde des britischen Gasversorgers Centrica, der infolge der Übernahme von Powergen durch E.ON die kritische Größe für eine automatische Zuständigkeit Brüssels überschritten sah.