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Das Energiewirtschaftsgesetz von 1935

Der totalitäre Staat, der 1933 begann, stärkte die Stellung des Reichs gegenüber Ländern und Kommunen. Das nationalsozialistische Regime entwarf jedoch kein neues oder gar eigenständiges Modell der Elektrizitätspolitik. Anfängliche Vorbehalte der Machthaber gegenüber der aus der "Systemzeit" stammenden Struktur der Elektrizitätswirtschaft oder der vermeintlich höheren militärischen Verwundbarkeit des Verbundsystems gegenüber einer dezentralen Stromversorgung wichen bald der Einsicht, daß es allenfalls darum gehen konnte, die etablierten Strukturen noch effizienter zu gestalten.

Diesem Ziel diente das 1935 erlassene Energiewirtschaftsgesetz. In seinen wesentlichen Teilen trug es die Handschrift des Reichswirtschaftsministers und Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht, der den Machthabern als Wirtschafts- und Finanzexperte diente, bevor er sich zum Gegner des Regimes wandelte und das Kriegsende im KZ erlebte.

Das Energiewirtschaftsgesetz blieb bis 1998 in Kraft und war zuletzt heftig umstritten: Die einen verklärten es zum Garanten einer sicheren Stromversorgung, die anderen sahen darin ein Relikt nationalsozialistischen Ungeistes. Letztlich gehen aber beide Sichtweisen an den geschichtlichen Tatsachen vorbei: Das Energiewirtschaftsgesetz war keine originäre Schöpfung des ïDritten ReichsÍ, sondern Ergebnis eines drei Jahrzehnte währenden Diskussionsprozesses und letztlich ein Beleg für die Kontinuität ordnungspolitischer Leitvorstellungen in der Elektrizitätsfrage über alle System- und Epochengrenzen hinweg. Wesentlich wichtiger für die Weichenstellung in der deutschen Stromwirtschaft war der schon erwähnte "Elektrofrieden" am Ende der zwanziger Jahre.