Die 1821 neu erstandene "Mannheimer Zeitung" war ein von der Reaktion gesteuertes und finanziertes Blatt (Bild zum Vergrößern anklicken).


Mannheimer Zeitung

(Nov. 1821 - Okt. 1834)

Am 1. November 1821 feierte die "Mannheimer Zeitung" fröhliche Urständ, und zwar wieder im Verlag der Kaufmannschen Druckerei, in der schon die gleichnamige Vorgängerin erschien, die 181O von Napoleon unterdrückt worden war. Als Verleger und Redakteur zeichnete der Handlungslehrer Carl Courtin. Inhaber des Privilegs soll jedoch - einer Darstellung von Archivrat Obser zufolge - die Witwe von Ernst Andreas Lamey gewesen sein, des Verlegers der alten "Mannheimer Zeitung", die nach dem Tod ihres Mannes um die Wiederverleihung des Privilegs nachgesucht habe.

Die neue "Mannheimer Zeitung" kam von Anfang an täglich heraus, während es die "Mannheimer Tageblätter", wie sich das Intelligenzblatt inzwischen nannte, bis 1825 nur auf drei Ausgaben in der Woche brachten.

In der ersten Nummer identifizierte sich die wiederaufgelebte "Mannheimer Zeitung" mit ihrer Vorgängerin und gab sich als deren Fortsetzung aus:

Drey und vierzig Jahre verfolgte ich rastlos und mit gutem Glücke meine Bahn, bis endlich ein schwarzes Gewitter, das über Frankreichs Haupt drohend sich gesammelt hatte, mit lautem Donner die Nachbarländer überzog, und nach und nach das ganze Gewölbe des politischen Horizonts dergestalt bedeckte, daß es so dunkel ward, wie bey einer totalen Sonnenfinsternis.

Damit war schon einiges über die Tendenz der neuen "Mannheimer Zeitung" gesagt. Sie pflegte eine noble Sprache und betrachtete die Dinge vorzugsweise von der höheren Warte, will heißen vom Standpunkt der restaurierten Fürstenherrschaft. Unter der äußeren Noblesse verbarg sich der Bocksfuß der Reaktion. Im Laufe der Jahre trat dieser so deutlich zutage, daß die Zeitung in den liberal orientierten Kreisen geradezu der Ächtung anheimfiel. Heinrich von Feder, der Führer der demokratischen Partei im Nachmärz und erste Historiker der Mannheimer Stadtgeschichte, schreibt über die "Mannheimer Zeitung" des Jahres 1831:

Sie machte sich ein Geschäft daraus, die zweite Kammer und insbesondere die Reden des Abgeordneten Welker, dessen feurige Sprache die allgemeinste Aufmerksamkeit erregte, einer einschneidenden scharfen Critik zu unterziehen. Darüber fand man sich in Mannheim empört.

Die "Mannheimer Tageblätter" vertraten damals eine vergleichsweise liberale Position. Sie sprachen der Mehrzahl der Mannheimer aus dem Herzen, wenn sie - in nicht ganz uneigennütziger Absicht - darauf verwiesen, daß das allgemein verschriene Konkurrenzblatt gar nicht mehr in Mannheim, sondern in Heidelberg gedruckt werde:

Man mißhandelt das Volk in seinen Abgeordneten auf eine abscheuliche Weise... In Mannheim herrsche über jene Angriffe nur eine Stimme der Entrüstung und man kann sich nur damit trösten, daß jenes Blatt nicht in Mannheim, sondern in Heidelberg gedruckt und redigiert werde.

Die Empörung über die "Mannheimer Zeitung" ging Anfang der dreißiger Jahre so weit, daß eine mit zahllosen Unterschriften versehene Beschwerde an die zweite Kammer gerichtet wurde. Diese gab den Petenten in ihrer Antwort zu erkennen, "es werde hoffentlich bald ein freisinniges Preßgesetz erscheinen, wonach die Gründung einer ä c h t e n Mannheimer Zeitung möglich sei".

Inzwischen ist erwiesen, daß die "Mannheimer Zeitung" tatsächlich ein von der Reaktion gesteuertes und ausgehaltenes Blatt war. Der badische Gesandte beim Bundestag in Frankfurt, Freiherr von Blittersdorf, rühmte sich 1834 in einem Brief, daß er "schon seit einiger Zeit" den "Protektor" für das Blatt spiele:

Sie erinnern sich, daß die, Gott sei bei uns, so verrufene Mannheimer Zeitung vor bald zwei Jahren im Begriff stand, aus Mangel an Abnehmern einzugehen. - Bei der damaligen fast rätselhaften Verzauberung der Regierungen und der ebenso unbegreiflichen Verblendung vieler Staatsmänner galt es, ein Blatt zu haben, durch das man im vernehmlichen Tone ins Horn stoßen und die Leute zur Besinnung bringen konnte. Hierzu ersah ich die M. Z. aus, und jedermann wird eingestehen müssen, daß diese Zeitung ohngeachtet der vielen Mißgriffe des Redakteurs, der ein ununterrichteter Mann ist, unseren deutschen Revolutionärs vielleicht unter allen Blättern am meisten Schaden getan hat.

In einem weiteren Brief erbat sich Blittersdorf "Artikel in dem Sinne eines engeren Anschließens unserer Regierung an Österreich und Preußen und einer wirksameren Bekämpfung der revolutionären Ideen". Er bekannte, es sei ihm "mitunter beinahe zu viel geworden, die fast zahllosen Artikel zu liefern".

Die "Mannheimer Zeitung" erschien noch bis zum Oktober 1834. Dann scheint sie dem Freiherrn von Blittersdorf bzw. dessen Geldgebern, die vermutlich in Wien saßen, zu teuer geworden zu sein. Blittersdorf avancierte im Jahr darauf zum Nachfolger des badischen Außenministers von Türckheim, gegen den er unermüdlich intrigiert hatte. Nach dem Tod des Innenministers von Winter 1839 gewann Blittersdorf auch entscheidenden Einfluß auf die badische Innenpolitik. Er schaffte es, eine Art badischer Metternich und der verhaßteste Mann im ganzen Land zu werden. 1834 mußte er, unter dem Druck der Bevölkerung, sein Ministeramt wieder abgeben und als Gesandter zum Bundestag nach Frankfurt zurückkehren. Bei Ausbruch der Märzrevolution 1848 schickte ihn der Großherzog außerdem - als versöhnliche Geste gegenüber den Liberalen - in den Ruhestand. Auf dem Höhepunkt der Märztage sah man den abgehalfterten Reaktionär mit einer riesigen schwarz-rot-goldenen Kokarde am Hut als Zeichen seiner guten Gesinnung durch die Frankfurter Straßen wandeln...