Die mit einem Stern gekennzeichneten Leitartikel im "Mannheimer Verkündiger" stammten stets aus der Feder von August Lamey und erfreuten sich in nationalliberalen Kreisen großer Beliebtheit.

Mannheimer Verkündiger / Rhein- und Neckarzeitung

(1866 - 1888)

Im Zuge des Auseinanderfallens der Fortschrittspartei hielt das Besitzbürgerum nach eigenen Organen Ausschau. Es fand sie in bisherigen Regierungsblättern wie der "Badischen Landes-Zeitung" in Karlsruhe und dem "Mannheimer Journal", das sich den Untertitel "Organ nationaler und liberaler Richtung" zulegte.

Als Sprachrohr und Gegenpol zur demokratischen "Neuen Badischen Landes-Zeitung" päppelten die künftigen Nationalliberalen ferner in Mannheim 1866 das unbedeutende Inserateblatt "Die Stadtschelle" zum "Mannheimer Verkündiger" hoch. Gedruckt und verlegt wurde das Blatt von Schatt & Raisberger in F 5, 19. Es erschien täglich außer montags.

Der nationalliberale "Mannheimer Verkündiger" hatte keine Aussicht, der "Neuen Badischen Landes-Zeitung" den Rang abzulaufen. Er dürfte auch erst hinter dem "Mannheimer Journal" den dritten Platz belegt haben. Wenn er trotzdem eine gewisse Beachtung genoß, so war dies der Mitarbeit von August Lamey zuzuschreiben.

Der Name Lamey besaß in der Mannheimer Pressegeschichte Tradition. Der Großvater Andreas Lamey hatte 1776 die "Mannheimer Zeitung" gegründet und die Zensur am kurfürstlichen Hofe besorgt. Der Vater Ernst Andreas Lamey hatte das "Journal politique de Mannheim", die "Mannheimer Zeitung" und schließlich das großherzogliche Regierungsblatt redigiert. Sein dritter Sohn August trat in die Fußstapfen der Vorväter: Im Vormärz bekleidete er zeitweilig das Amt des Zensors in Mannheim, das er freilich nur widerwillig ausübte. Politisch tendierte August Lamey zum gemäßigten Liberalismus, der durch die Namen Gervinus, Mittermaier und Häusser charakterisiert wurde. Nach der Märzrevolution ließ er sich 1859 erneut in die zweite Kammer wählen und wurde 1860 ins Ministerium berufen, wo er die Kirchengesetzgebung im liberalen Sinne durchführte. Im übrigen waren die Meinungen über seine politischen Fähigkeiten geteilt, so daß der Ausgang der Schlacht bei Königgrätz 1866 mehr Anlaß als Ursache war, um ihn zum Rücktritt zu nötigen.

Nach dem Ausscheiden aus dem Ministerium zog sich Lamey nach Mannheim aufs politische Altenteil zurück, ließ sich zum Ehrenbürger ernennen, 1871 in den Reichstag wählen und vertrat als noch immer populärer Mann die Nationalliberalen (für den Kreis Lörrach) in der zweiten badischen Kammer. Während er allmählich seine Sympathien für Preußen entdeckte und "verbismarckte", stellte er seine journalistischen Fähigkeiten in den Dienst des "Mannheimer Verkündiger". Von 1869 bis 1877 verfaßte er regelmäßig die mit einem Stern gekennzeichneten Leitartikel des Blattes. "Diese Aufrisse größerer und kleinerer Interessen Badens innerhalb der Tagesneuigkeiten blieben oberflächlich und oft schulmeisternd", schreibt Lily Blum in ihrer Lamey-Biographie. "Aber da sie in einem glänzenden Stil, voll Humor und witzigen Einfällen geschrieben waren, übten sie eine solche Anziehungskraft aus, daß sich die Auflagen des 'Mannheimer Verkündiger' verdoppelten. Er war lange die beliebteste Zeitung des nationalliberalen Großbürgertums in Mannheim."

1876 vergrößerte der "Mannheimer Verkündiger" sein Format und nannte sich - unter Fortführung der bisherigen Bezeichnung im Untertitel - "Rhein- und Neckarzeitung". Er erschien nunmehr täglich, an sechs Tagen der Woche außerdem mit der Beilage "Rheinische Blätter". Für die Redaktion zeichnete P. Gutbier. Druck und Verlag befanden sich weiterhin bei Schatt & Raisberger, inzwischen in E 1, 8.

Mit der Umbenennung durfte sich das nationalliberale Blatt dazu beglückwünschen, in die Liste jener 16 deutschen Zeitungen aufgenommen worden zu sein, in denen die für die Anteilseigner der Reichsbank bestimmten Bekanntmachungen veröffentlicht wurden. Das sagte einiges über den politischen Standort der Zeitung und ihre Leserschaft aus.

Die "Rhein- und Neckarzeitung" erschien bis Frühjahr 1888. Schon ein Jahr zuvor hatten sich die Nationalliberalen durch die Vereinigung des "Mannheimer Journals" mit dem "General-Anzeiger" des Dr. Haas ein neues Parteiorgan geschaffen. Die Gründe, die zur Aufgabe der "Rhein- und Neckarzeitung" führten, lassen sich nur vermuten. Vielleicht versprachen sich die Nationalliberalen durch die Liaison mit dem "General-Anzeiger" eine größere Resonanz. Der Versuch der Druckerei Schatt & Raisberger, die "Rhein- und Neckarzeitung" in verkleinertem Format als "Verkündiger" weiterzuführen, schlug offenbar fehl und wurde im Sommer 1888 beendet.