Durch boulevardmäßige Aufmachung versuchte die sozialdemokratische "AZ", sich gegenüber dem längst etablierten "Mannheimer Morgen" zu behaupten (zum Vergrößern anklicken).


AZ

(1.8.1949 - 1971)

Die sozialdemokratische "Volksstimme" war 1933 durch die Nationalsozialisten verboten worden. Auch nach Ende des "Dritten Reichs" gab es in Mannheim zuächst keine sozialdemokratische Zeitung. Die amerikanische Besatzungsmacht ließ nämlich keine Partei-Zeitungen zu, sondern übertrug die Lizenzen für eine Zeitung jeweils mehreren Lizenträgern verschiedener politischer Couleur. So gesehen war es Karl Ackermann (früher SAP, dann KPD), der beim Mannheimer Lizenzblatt "Mannheimer Morgen" die SPD repräsentierte.

Da sich jedoch in den geraubten Räumen der "Volksstimme" das Nazi-Organ "Hakenkreuzbanner" eingenistet hatte, war die SPD nach 1945 unversehens zum Rechtsnachfolger des Eindringlings geworden. Und weil das "Hakenkreuzbanner" 1939 Grundstück und Gebäude der "Neuen Mannheimer Zeitung" erworben hatte, auf deren Maschinen jetzt der "Mannheimer Morgen" gedruckt wurde, konnte die SPD zunächst sogar Besitzansprüche an der einzigen intakten Großdruckerei in Mannheim geltend machen. Faktisch hätten sich diese Besitzansprüche nach Aufhebung der Lizenzpflicht in einen entsprechenden Einfluß beim "Mannheimer Morgen" ummünzen lassen.

Stattdessen verkaufte die SPD ihre Eigentumsrechte aus dem Nachlaß des "Hakenkreuzbanners", um nach Aufhebung der Lizenzpflicht unter großen Mühen und Verlusten mit der Herausgabe einer eigenen Tageszeitung zu beginnen: Am 1. August 1949 erschien die erste Ausgabe der "Abend-Zeitung für Nordbaden und die Pfalz", die dann später, als sie auf morgendliches Erscheinen umstellte, ihren Titel in "AZ" verkürzte. Die sozialdemokratische AZ erschien sieben Kilometer vom Stadtzentrum entfernt im "Deutschen Hof" im Stadtteil Seckenheim. Technik, Verlag und Redaktion waren unter primitivsten Bedingungen im Gasthof und in Nebengebäuden untergebracht. Die Redakteure hausten bei tropischer Hitze in einer windschiefen Baracke. Wenn sie telefonieren wollten, mußten sie erst über die Straße zum "Deutschen Hof" laufen. Später wurde wenigstens die Lokalredaktion ins Zentrum verlegt, und zwar in die Ruine des ehemaligen "Casino"-Gebäudes. Unter solchen Umständen dem längst etablierten "Mannheimer Morgen" Paroli bieten zu wollen, war ein aussichtsloses Unterfangen.

Das neugeborene Kind kränkelte deshalb von Anfang an und schien zeitweilig dem Tode nahe. Durch betont sensationelle Aufmachung gelang es dann, die Auflage in halbwegs wirtschaftliche Bereiche zu treiben. Im Sommer 1954 wurde in R 3, auf dem früheren Grundstück der sozialdemokratischen "Volksstimme", wo ab 1933 das "Hakenkreuzbanner" gehaust hatte, mit dem Bau eines neuen Druck- und Verlagsgebäudes begonnen, das im Oktober 1955 bezogen wurde. 1959 gab die "AZ" eine Auflage von 19000 Exemplaren an und rühmte sich einer "gefestigten Position", was auch in der Umstellung auf ein seriöseres Erscheinungsbild zum Ausdruck kommen sollte. Der Optimismus hielt freilich nicht lange an. Am 1. Juli 1967 trat die SPD das chronisch defizitäre Blatt praktisch an "Mannheimer Morgen" und "Mannheimer Großdruckerei" ab, die neben der Hälfte der Anteile auch Vertrieb und technische Herstellung übernahmen. Zugleich wurden die bisherigen "AZ"-Ausgaben in Karlsruhe, Freiburg und Heilbronn eingestellt.

Die Zusicherung an die SPD, weiterhin den redaktionellen Kurs des Blattes bestimmen zu können, erwies sich als weitgehend wertlos, denn mit der wirtschaftlichen und journalistischen Talfahrt der "AZ" schwand auch ihr Einfluß. Der erneute Versuch, die Auflage durch sensationelle Aufmachung zu stabilisieren, wurde so dilettantisch und mit unzureichender personeller Besetzung unternommen, daß die Lektüre der "AZ" zuletzt weniger eine Frage der politischen Gesinnung als des guten Geschmacks war. So gesehen war die schließlich verfügte Einstellung der "AZ" 1971 kein großer Verlust. Ihr neuerrichtetes Verlagsgebäude in R 3 wurde an die Stadt Mannheim verkauft und beherbergte fortan die Volkshochschule.